Klatschen, mitsingen und sogar tanzen

Wenn Roman Kuperschmidt auf seiner Klarinette und begleitet von seiner Klezmer-Band an der Hospitalkirche „Hevenu Schalom“ (hebräisch: Wir wünschen Frieden, Euch allen) spielt, drehen sich die Zuhörer im Tanz. Foto: jbr

Von Jona Bennet Rübner

Oberursel. „Jazz meets Mühle“ war wieder eine kleine, pfingstliche Pilgerreise mit Stationen voll herrlicher Musik für Jazzliebhaber von Welt. „Es erinnert mich ein bisschen an sonntäglichen Jazz-Frühschoppen“, meinte eine Bad Homburgerin, die am frühen Nachmittag durch die Oberurseler Altstadt schlenderte, um Stück für Stück die Locations an drei Mühlen, beim Gasthaus „Zum Schwanen“, beim Ratskeller, an der Hospitalkirche und auf dem Marktplatz sowie dem Rathausplatz abzuklappern.

Am Vormittag eröffneten Bürgermeisterin Antje Runge und Bernd Lienhard, Vorsitzender des Kultur- und Sportfördervereins Oberursel (KSfO) in musikalischer Begleitung von „La Vida Nawlinz Fonktion“ das Jazz-Festival „Jazz meets Mühle“, das verspricht, das bekannteste Event der Szene in der Region zu sein. Diese These stützte schon kurz nach Beginn der ersten Session an den acht Bühnenorten zahlreich angereistes Publikum, das sich – wie es eine Menge auswärtiger Kennzeichen auf dem Altstadtparkplatz anzeigte – keineswegs auf Bewohner aus dem Vordertaunus begrenzte.

An der Kürtellsmühle – oder präziser im Hof des Badausstatters Koch – sorgte das „Powerhouse Swingtett“ für gute Laune bei den Zuhörern, die sich nebenbei mit Getränken und Speisen vom Grill gut versorgt wussten. Um 14 Uhr löste „one moment“ den Swing mit ihrem modernen, hausgemachten Jazz ab. Roland Glöckler, Dirk „Märshall“ Schiller und Carsten Kromschröder an Schlagzeug, Bass und E-Piano starteten mit einem ruhigen Pianosolo. „Einen Einheizer brauchen wir zumindest heute nicht. Meine Finger kleben schon“, meinte Jazzpianist Kromschröder unter dem lichtdurchlässigen Garagendach schwitzend. In der wenig romantischen Atmosphäre, die den beiden Darbietungen an der Kürtellsmühle jedoch ein sehr lockeres, ungezwungenes Flair verlieh, bekam das Wort „Garagenband“ eine ganz neue Bedeutung. Hier jedoch äußerst niveau- und stimmungsvoll mit großartiger Musik, getaucht in einen leichten Sauerkrautdunst.

Währenddessen warb das Lokal „Zum Schwanen“ im Innenhof mit der Möglichkeit zum „Sitzen unter alten Platanen“. Für einen Platz brauchte es jedoch etwas Glück, denn das „Duo Tempero“ mit Jazz aus Brasilien sowie später Yannick Monot und Held Oncale an Akkordeon und Geige wollten viele Festivalbesucher auf keinen Fall verpassen. Im knöchelhohen Sand tanzten einige sogar zu den Rhythmen des Zydecos. Und wie Buzo, der Waschbrettspieler aus der Fernsehserie „Gilmore Girls“ einst sagte: „Wenn wir einmal mit dem Spielen anfangen, können wir nicht aufhören!“ Wie gut also, dass die beiden Musiker ihr Publikum volle drei Stunden lang mit ihrer Musik aus Louisiana begeistern konnten.

Im Hof der Hospitalkirche erklang wiederum eine ganz andere Musik. Die Klezmer-Band „Roman Kuperschmidt“ um den gleichnamigen Klarinettisten, begleitet von Schlagzeug und Akkordeon, lud zum Mitklatschen und Mitsingen ein. „Jetzt kommt eine einfache Melodie, die Sie mit nach Hause nehmen können. Quasi eine ,Melodie to go‘“, erläuterte der Bandleader. Erste Versuche, die Gäste zum Mitmachen zu bewegen, trugen nicht sofort Früchte, jedoch ließ sich das Publikum nach und nach von der wunderschönen, jiddischen Folklore ermuntern. Klatschen, Melodien auf „Lalala“ mitsingen – kein Problem. Aber Tanzen? Unter der schneller werdenden Melodie von „Hava Nagila“ begab sich zuerst eine Handvoll Mutiger auf die Tanzfläche vor der Bühne. Wenige Takte später bildete sich dann aber doch ein etwas größerer Kreis, in dem unter Anleitung der Klarinette und dem anfeuernden Klatschen der umstehenden Zuhörer getanzt wurde. Das bewegende Programm der drei Musiker lockte schnell ein großes Publikum an und viele Passanten blieben stehen oder folgten der durch die Straßen schallenden Musik hinter die Kirche.

„Oh, hier ist auch gerade Pause“ – einzig die oftmals gleichzeitig stattfindenden Pausen während der Sessions stießen beim wandernden Publikum auf Verwunderung. Machte hier eine Band Pause, ging man weiter zum nächsten Schauplatz, wo wiederum die musikalische Attraktion auch in einer längeren Unterbrechung verschnaufte.

Besonders stolz zeigte sich der KSfO, dass es ihm gelungen war, die Jazzpianistin und Komponistin Natalya Karmazin für „Jazz meets Mühle“ zu verpflichten. Sie begeisterte an der Herrenmühle das Publikum zusammen mit der „Karma Jazz Group“ und bot modernen Jazz vom Feinsten.

Um 17 Uhr endete das Festival mit einem weiteren Auftritt der Dixieland Band „La Vida Nawlinz“ auf dem Marktplatz und rundete diesen Pfingstmontag perfekt ab. Und wer weiß, vielleicht hatte der Heilige Geist bei diesem großartigen, vielfältig bunten Jazz-Event ja auch seine Finger mit im Spiel.

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