„Im Klimaschutz muss der soziale Kontext gesehen werden“

Hochtaunus (how). Für die SPD hat deren Spitzenkandidat Dr. Hans Udo Bullmann den Fragebogen zum Klimaschutz im Europäischen Parlament (EP) beantwortet. Welchen Blick und welche Perspektiven verbindet er mit den Herausforderungen des Klimawandels?

Für den gebürtigen Gießener ist der menschlich verursachte Klimawandel eine Tatsache, die seit geraumer Zeit zu beobachten ist. Seine Ursache sieht er in den global emittierten Treibhausgasen und sieht für deren wirksame Verringerung alle Menschen und Regionen zu höchstmöglichen Anstrengungen herausgefordert. Die Folgen des Klimawandels seien im globalen Geschehen bereits jetzt verheerend und würden sich weiter verschärfen. Für das Rhein-Main-Gebiet erwartet er „zunächst und insbesondere die Zunahme von Wetterextremen, global die Auseinandersetzung mit humanitären Katastrophen und weltweiter Migration.“ Dabei sind nach seiner Ansicht die Bedingungen zum Gegensteuern im Rhein-Main-Gebiet im internationalen Vergleich besonders günstig. Jedoch verkneift er sich den Hinweis nicht, dass die schwarz-grüne Landesregierung in Wiesbaden die Potentiale noch lange nicht ausschöpfe.

Wie ein sinnfälliger „roter Faden“ zieht sich ein Bezugspunkt durch das Interview: Bullmann ist es ein Anliegen, dass eine gute Klimaschutzpolitik eine sozialverträgliche Ausgestaltung benötigt. „Wichtig ist es zum Beispiel, Heizungen und Gebäude klimafreundlich zu gestalten und zugleich dafür zu sorgen, dass sich alle Menschen saubere Energie leisten können,“ sagt er. Da der Klimawandel eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sind für Bullmann durchaus strenge Ge- und Verbote vorstellbar, wie dies beim Seuchenschutz der Fall ist. Jedoch sieht er vor allem „Innovationsgeist und Investitionen in Zukunftstechnologien“ als Gebot der Stunde.

Der Politikwissenschaftler und Soziologe mit Lehr- und Forschungserfahrung glaubt nicht, dass der Klimawandel durch Appelle und freiwillige Verhaltensänderungen allein gestoppt werden kann. Er hält „unbequeme Einschnitte“ für notwendig und spricht der Politik die Aufgabe zu, nötige Verhaltensänderungen verbindlich einzufordern. „Dabei muss der soziale Ausgleich allerdings zentrales Anliegen sein. Maßnahmen, die den Großteil der Verantwortung auf die Schwachen abwälzen und die den sozialen Zusammenhalt gefährden, lehnen wir als SPD ab.“

Aus diesem Grund kann es ihm auch nicht darum gehen, allein nach dem Verursacherprinzip zu gehen und dadurch den sozialen Kontext von klimaschädlichem Handeln auszublenden. Er sagt: „Die einkommensschwache Familie, die ihre unsanierte Wohnung im Winter besonders aufwendig heizen muss, sollte nicht die maßgebliche Finanzierungsquelle für Klimaschutzmaßnahmen sein. Richtig ist jedoch, dass klimaschonende Verhaltensweisen gezielt gefördert werden sollten, teils auch durch finanzielle Anreize.“

Dass ein ressourcenverbrauchendes Wirtschaftswachstum und Klimaschutz bislang nicht miteinander zu vereinbaren gewesen seien, stellt für den Sozialdemokraten keinen Grund dar, sich klar für eine Priorität zu entscheiden. Vielmehr teilt er die Hoffnung, dass durch politische Anreize ein energiesparendes, sozialverträgliches Wachstum ermöglicht werden könne. Klimaschutz sei ein zentrales Anliegen des EP, das bei allen wichtigen Entscheidungen „mitberücksichtigt“ werde. Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament fordere einen durchgreifenden Wandel der Politik und orientiere sich dabei an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen 2030: „Die jungen Menschen, die derzeit freitags auf die Straße gehen, mahnen uns zu recht, endlich aktiv zu werden.“

Und wo sieht er für das Rhein-Main-Gebiet den höchsten Handlungsbedarf? Er nennt den ÖPNV, die öffentlichen Gebäude und Anlagen sowie die Bildung zur nachhaltigen Entwicklung. Um die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen zu decken, spricht er sich dafür aus, die bisherige, oftmals klimaschädliche Subventionslogik hin zu einer klimafreundlichen Subventionspolitik zu verschieben. Auch zweckgebundene Kredite und Anleihen kämen zur Finanzierung in Betracht.

Er fordert die Bürger im Hochtaunuskreis dazu auf, ihre Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen, da jeder noch etwas mehr für den Klimaschutz tun könne. Und sei es nur die vermehrte Nutzung des Fahrrads oder der bewusste Einkauf, der klimafreundliche Produkte und die Vermeidung von Verpackungen bevorzugt. „Hier haben wir Verbraucher eine riesige Macht, die wir nutzen sollten.“



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