Kritik am Griff in die „Tasche des Bürgers“

Nach der Erhöhung der Grundsteuer B muss der Bürger tiefer in die Tasche greifen. Foto: js

Oberursel (js). Die „Nacht der langen Messer“, wie die Haushaltsdebatte im Stadtparlament gemeinhin gerne genannt wird, weil darin nicht nur finanziell, sondern auch politisch abgerechnet wird, war nach ziemlich exakt zwei Stunden zu Ende. Wohl war trotz Überziehens der verabredeten Redezeit bei fast allen Rednern längst nicht alles gesagt, was eigentlich gesagt werden musste, der erwartbare Beschluss aber stand fest. Der 120-Millionen-Euro-Haushalt für das Jahr 2020 wurde, wie von Stadtkämmerer Thorsten Schorr (CDU) eingebracht und vom Magistrat mit kleinen Änderungen beschlossen, von der Rathaus-Koalition aus CDU und SPD und mit den Stimmen der Grünen beschlossen. Groß hingegen die Empörung der Opposition aus den Reihen von FDP, OBG, Linken und AfD, die das über 800 Seiten starke Zahlenwerk mit einem negativen Ergebnis von annähernd drei Millionen Euro geschlossen ablehnten.

Für Christdemokrat Schorr war es die zehnte und letzte Haushaltsdebatte im Oberurseler Rathaus, er wechselt zu Jahresbeginn als Erster Kreisbeigeordneter des Hochtaunuskreises ins Landratsamt Bad Homburg. Mit harschen Worten verabschiedeten ihn vor allem die FDP und die Oberurseler Bürgergemeinschaft (OBG). „Farblos, ideenlos, kreativlos und belastend für die Bürger“ nannte die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Adler im Fazit das umfangreiche Zahlenwerk. Es fehlten Ansätze zur besseren Wirtschaftsförderung, um mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu generieren, stattdessen würden die Bürger durch die erneut erhöhte Grundsteuer B zusätzlich belastet. Einfach an der Steuerschraube zu drehen, um fehlende Einnahmen zu kompensieren, kritisierte OBG-Sprecher Andreas Bernhardt als „inakzeptabel“. Das Wohnen in der teuren Wohnstadt Oberursel werde dadurch für alle weiter verteuert, auf der anderen Seite finde sich für die anstehenden wichtigen Investitionen kein Geld im Haushalt. Immer wieder genannt wurden in diesem Zusammenhang die Projekte Gefahrenabwehrzentrum, Rathausareal, Anbindung der Nassauer Straße an die Weingärtenumgehung, Sanierung von Freibad und Stadthalle. „Alles nicht drin im Investitionsplan“, monierte Bernhardt. „Wir planen, aber wir wissen nicht, wie wir es finanzieren sollen.“

Dreh- und Angelpunkt aller Kritiker der Haushaltsvorgaben war die erneute extreme Erhöhung der Grundsteuer B, durch die Oberursel langsam ins Spitzenfeld der Gemeinden in Deutschland katapultiert werde. Mehr als fünf Millionen Euro sollten so in die städtische Kasse gespült werden. Zuletzt war die Steuer von 450 auf 595 Prozentpunkte erhöht worden, mithin um 32 Prozent. Jetzt war der Plan, auf 880 Punkte zu erhöhen, erneut eine Steigerung um 26 Prozent, wie Michael Planer (FDP) errechnet hatte. Auch bei günstiger Besteuerung von alten Einfamilienhäusern etwa kommt da schnell eine erkleckliche Summe an Mehrkosten zusammen, die Steuer trifft gleichermaßen Eigentümer und Mieter. „Es trifft immer die, die wenig haben“, so Ingmar Schlegel (Linke). „Wohnen wird wieder teurer, die Grundsteuer B ist sozial nicht verträglich.“

„Wir müssen das hinnehmen“

Moderate Töne indes von den Befürwortern des Haushalts nach Schorr-Art. Jens Uhlig (CDU) lobte die letztliche Begrenzung der Grundsteuer auf 750 Prozentpunkte („mehr war nicht drin“) durch Einnahmen an anderer Stelle, „wir müssen das hinnehmen“, sagte Eggert Winter (SPD), „alles andere hätte freiwillige Leistungen gekostet“, so Wolfgang Schmitt (Grüne). „Der Haushalt ist ein guter Haushalt, er entspricht unseren Vorstellungen“, lautete die Bewertung des Sprechers der Grünen. Alle Dezernenten, neben Schorr, Bürgermeister Hans-Georg Brum (SPD) und Sozialdezernent Christof Fink (Grüne), hätten ihre Fraktionen den Haushalt „durchwinken lassen“, kritisierte hingegen die OBG. Ob da wohl die Grünen schon als möglicher neuer Koalitionspartner für die CDU nach der nächsten Kommunalwahl in den Startlöchern stünden? Sinniert wurde darüber nicht nur in den Reihen der OBG.

Einstimmig gegen Heimatumlage

Fühlen sich die Bürger aufgrund der exorbitant erhöhten Grundsteuer B von ihren Stadtoberen über den Tisch gezogen, verspüren diese das gleiche Gefühl mit Blickrichtung auf Wiesbaden. Die sogenannte „Heimatumlage“ mit dem von Hessens CDU vorgelegten Programm „Starke Heimat Hessen“ wird auch Oberursel hart treffen, kalkuliert wird durch den Verlust aus der bisherigen Gewerbesteuer-umlage mit einem Minus von etwa drei Millionen Euro. „Am Ende ist die Heimat verdammt teuer“, konstatierte auch SPD-Finanzexperte Eggert Winter, „das Land beutet uns aus“, fasste Ingmar Schlegel die neue Per-spektive zusammen.

Einstimmig wendete sich das gesamte Stadtparlament in einer separaten Resolution gegen das Gesetz über die Heimatumlage. Der Magistrat soll unverzüglich mit dem Hessischen Städtetag und anderen betroffenen Kommunen erörtern, welche Rechtsmittel gegen die Einführung der Heimatumlage ergriffen werden können. Kämpferisch rief Ingmar Schlegel, der Frontmann der Linken, dazu auf, den jährlichen städtischen Zuschuss für den Betrieb der U3 (zurzeit 1,3 Millionen Euro) einfach mal zu verweigern, Robert Rethfeld (OBG) würde die Idee spontan unterstützen. Die Reaktionen in Wiesbaden und Frankfurt dürften mit Spannung erwartet werden, sollte es zu solch einer Kampfansage kommen.



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