Kühler Bach darf nicht am Reißbrett tot geplant werden

Rainer Hennings (2. v. r.) erklärt alte Methoden der Bachbettbefestigung und diskutiert am Urselbach hinter der Feuerwehr mit Teilnehmern über die Gewässergüte. Foto: Klimaliste

Oberursel (ow). Etwa 30 Personen ließen sich auf Einladung der Klimaliste bei einer gewässerökologischen Wanderung vom Steinweg bis in die Eppsteiner Straße vom Gewässerökologen und Gutachter Rainer Hennings den Bachlauf aus einer ganz neuen Perspektive zeigen.

Unterhalb von Rolls Royce liegt eine Retentionsfläche, die bei Hochwasser große Mengen Wasser halten kann und verzögert an den Urselbach oder an den Werkgraben abgibt. Laut Hennings könnte dieses Wasserrückhaltebecken durch die Erhöhung der Uferböschungen und einer Begrenzung des Durchflusses deutlich mehr Wasser bei einem Starkregen aufnehmen. Auf Höhe der Feuerwehr erläuterte der Experte Rainer Hennings die ökologische Funktion des Bachs als Lebensraum vieler Wasserinsekten. Die Larven zeigten sehr klar an dieser Stelle die Wasserqualität der Stufe zwei bis drei (mittlere bis gute Qualität), und dass der Urselbach im Bereich der Marxstraße durch den Schatten der Bäume gut gekühlt werde und deswegen auch einen hohen Sauerstoffgehalt habe. „Eine ausreichende Beschattung ist enorm wichtig für einen ökologisch intakten Bach. Sollte der Bach, wie alte Planungen von Ingenieuren zeigen, in eine Wiese verlagert werden, so wird er tot geplant“. Damit erteilte Hennings den alten Plänen der Stadtverwaltung eine Absage, den Bach auf Höhe des Basketballfeldes in der verlängerten Lahnstraße gegen den Hang in die Portwiesen zu verlegen.

Hennings bescheinigte dem Urselbachabschnitt hinter dem Roten Kreuz eine gute Naturnähe, die es zu erhalten gelte. Er verwies darauf, dass die Aue nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU von Bebauung frei zu halten beziehungsweise frei zu machen ist. Eine Planung von Bebauung in den Auenbereich des Urselbachs hinein hält er für nicht vertretbar.

Er betonte, dass ein Umlegen des Baches in die Wiese hinein mit großen Erdbewegungen verbunden sei. Der neue Abschnitt müsse durchgehend mit Gehölzen bepflanzt werden, lange bevor Wasser durch das Ersatzbachbett fließt. Erst nach mehr als zehn Jahren würde diese Vegetation ausreichend Schatten spenden, und auch dann könne erst der Durchstich erfolgen. Um eine vergleichbare ökologische Wertigkeit des neuen Bachlaufs zu erreichen würden aber darauf folgend noch Jahrzehnte vergehen.

Hennings zeigte auf, wie mit kleinen Schritten dem Wasser mehr natürlicher Raum gegeben werden könnte. „Das Wasser zeigt uns den richtigen Lauf, wenn wir es lassen. Besonders im schönen Auenbereich, in dem alte und große Bäume stehen, könnten Steine am Rand entfernt werden. Dort kann sich das Wasser seinen Weg bahnen und dadurch mehr Raum einnehmen. Dies hätte zur Folge, dass bei Hochwasserereignissen, das Wasser langsamer in Richtung Innenstadt fließen würde und die Aue mehr Wasser für die Bäume zur Verfügung hätte und gleichzeitig die Hochwasserwelle bremse und somit verzögere.“

Das Thema Überschwemmungsgebiete ist besonders brisant, da die Flächen der Feuerwehr und des DRK vermarktet werden sollen, um den Neubau des Gefahrenabwehrzentrums zu finanzieren „In das Überschwemmungsgebiet darf jedoch nach Gesetzeslage überhaupt nicht neu gebaut werden“ teilte auch die Stadtverordnete der Klimaliste, Dr. Claudia von Eisenhart Rothe, die Auffassung des Gewässergutachters. „Wir orientieren uns an Fakten, diese naturwissenschaftlichen Konstanten lassen sich nicht weg diskutieren oder durch Planungen am Reißbrett weg zeichnen.“

Der Bach könnte strukturreicher werden, wenn durch kleine genehmigungspflichtige Eingriffe die Strömung im Bachbett verwirbelt würde, erläuterte Hennings. Mit diesen kleinen zumeist kostengünstigen Eingriffen in begradigten Abschnitten würde mehr erreicht als mit einer großflächigen und sehr teuren Bachverlegung.

Im weiteren Verlauf näherte sich die Gruppe der Bleiche, dort dominierte einerseits der Müll, andererseits der Bewuchs mit dem unerwünschten „Japanknöterich“, der laut Hennings vollständig abgeschnitten und entsorgt werden müsse. Schon ein kleines Stück Stiel könne an einem anderen Uferabschnitt keimen und andere Pflanzen verdrängen. Von einem weiteren schädlichen Einwanderer berichtete Hennings: In Oberstedten und Bad Homburg seien bereits flächendeckend Signalkrebse nachgewiesen worden. Der etwa 20 Zentimeter große Signalkrebs, ein Einwanderer aus den USA, habe den heimischen Flußkrebs verdrängt. Er habe die sogenannte Krebspest eingeschleppt, gegen die Signalkrebse immun seien, die heimischen Flußkrebse gingen an dieser Krankheit jedoch zu 100 Prozent zugrunde. Auf Höhe der Neutor-allee wies Hennings auf die Verbauungen zu den Parkbuchten hin, die entfernt werden müssten. Er kritisierte das Ausbringen von flüssigem Beton am Ufer, durch das Giftstoffe ins Wasser eingeschwemmt würden.



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