Kult-Kino mit Kuh Jacqueline und knatternden Treckern

Gemütlich geht’s zu, wenn in der Abenddämmerung neben Traktoren im Schatten von St. Ursula auf der Bleiche im kultigen Treckerkino der Film anläuft. Foto: Streicher

Oberursel (js). Wo gibt’s denn so etwas? In der Landkommune Oberursel am Taunusrand kommt die ortspolitische Prominenz mit dem Trecker ins Kino. Der Ortsvorsteher aus Oberstedten mit Anhänger für den lauffaulen Hund, der OBG-Frontmann aus Bommersheim mit einem sehr kräftig-flotten Modell, ein CDU-Mann, der auch dem Fokus O. vorsteht, ebenfalls mit Anhänger. Für was? Für den Terrassenstuhl von zu Hause und die passenden Kissen dazu. Soll ja bequem sein im Trecker-Kino. Die meisten Trecker-Könige lassen ihr Gefährt nach der knatternden Anfahrt auch rechts von der Leinwand stehen und wechseln die Sitzposition für die Dauer des Films. Weiß man beim Verein Kunstgriff ja nie so genau, wie lang das Spektakel letztendlich dauert. Wenn etwa der Partner vom Landwirtschaftlichen Förderverein Oberursel (LFO) meint, es seien noch nicht genügend Würstchen und mäßig kaltes Bier verkauft und eine Pause vorschlägt.

Unvergessen und immer wieder gern erwähnt auch die Kapriole bei der Premiere des Trecker-Kinos vor sieben Jahren. Als einer der Kunstgriff-Cineasten bei ziemlich feuchten und kühlen äußeren Bedingungen nach ungefähr einer halben Stunde Schwarz-Weiß-Kino festgestellt hat, dass der alte Herr auf der Leinwand doch eigentlich in Farbe mit seinem Rasenmäher durch amerikanische Weiten tuckern müsste. Alles zurück auf Start, knappe Dreiviertelstunde Pause, technische Diskussionen unter Laien-Profis, Neustart unter großem Ah und Oh im wasserdichten Publikum. Es sind diese kleinen Dinge, die ein Ereignis zum Kult-Ereignis machen können. Das Trecker-Open-Air-Kino auf der Bleiche ist längst Kult beim sehr differenziert aufgebauten Kulturprogramm „Orscheler Sommer“. Der Verein Kunstgriff lässt sich da immer was Neues einfallen, vom Fischerstechen bis eben zum Filmgenuss vom Hochsitz auf einem alten Trecker aus.

Nicht nur die politische Ortsprominenz kommt mit dem Trecker, auch Junglandwirte und manchmal Altlandwirte fahren mit liebevoll restaurierten Modellen und anderen skurrilen Gefährten auf der Bleiche vor. Die landwirtschaftlichen Fahrzeuge sind nicht Pflicht, wenn vor der historischen Kulisse von Stadtmauer und St. Ursula Open-Air-Filme gezeigt werden, sie sind aber stets nettes Beiwerk und reizen auch das Restpublikum zu „Benzingesprächen“, wenn das Zweitakter-Geknatter abgestellt ist. Die Trecker-Anreisenden genießen Privilegien, eine Bratwurst und ein Kaltgetränk gehen auf Kosten des Veranstalters, freier Eintritt gilt ohnehin für alle. Mit dem achten Trecker-Kino hat der „Orscheler Sommer“ in der Nacht zum Sonntag richtig Fahrt aufgenommen.

Gut 200 Kinofans oder auch ein paar mehr waren es am Ende wohl trotz vorangegangener Regenfälle am frühen Abend, die mit der wunderbaren Kuh Jacqueline auf Reisen gegangen sind. Ein Road-Movie mit einem glücklichen Bauern aus einem kleinen Dorf in Algerien und seiner braunen „Schönheitskönigin“ als Hauptdarsteller. „Unterwegs mit Jacqueline“ Richtung Paris, der Landwirtschaftliche Förderverein als Mitveranstalter blieb in seinem Metier. Leichte Kost nach Sonnenuntergang, genau richtig, um im Abendrot auch mal ins Heimkino abzudriften.

!Nächste Highlights im „Orscheler Sommer“ sind am Freitag, 28. Juni, der Jugendtag mit Programm ab 13 Uhr und drei Rockkonzerten am Abend im Rushmoor-Park. Und am Dienstag, 2. Juli (19.30 Uhr) folgt ein Konzert mit dem „Fehlgriff-Orchester“ im Rushmoor-Park. Alle Termine stehen im Internet unter www.orschelersommer.de.



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