Kunsttäter präsentieren selbstbewusst ihr kreatives Werk

Andreas Hett zeigt ein Schachbrett mit Specksteinfiguren, das als Gemeinschaftsarbeit von sieben Kunsttätern entstanden ist. Foto: fch

Oberursel (fch). Die Kunsttäter haben am Sonntag erneut zugeschlagen. Und ihre Skulpturen nicht nur in der Bildhauerwerkstatt ausgestellt, sondern auch zum Kauf angeboten. Präsentiert wurden die neuen, spannenden und brandaktuellen 27 Kunsttäter-skulpturen aus diesem Jahr der Öffentlichkeit wieder im Rahmen des Atelierfests. Andreas Hett, Vorsitzender der Kunsttäter, begrüßte zusammen mit Mariola Hett das bestens informierte und über Insiderwissen verfügende sowie die 3-G-Regeln beachtende Publikum.

Der Kunsttherapeut und diplomierte Sozialarbeiter Andreas Hett hat gemeinsam mit der Steinbildhauerin. Steinmetzin, Kunstpädagogin und Kunsterzieherin Regina Planz das Erfolgsmodell „Kunsttäter“ vor 21 Jahren aus der Taufe gehoben. Seit dem Corona-Ausbruch leitet Andreas Hett die in Trägerschaft des Kultur- und Sportfördervereins Oberursel (KSfO) liegende Bildhauerwerkstatt allein. Das Ziel: Straffällig gewordenen Jugendliche und jungen Erwachsenen im Rahmen gerichtlich verordneter Arbeitsstunden mit kunsttherapeutischer Arbeit eine Chance zu bieten, ihnen Unterstützung zu geben und ihnen dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten zu entdecken.

Schon beim Betreten der Bildhauerwerkstatt fällt die große künstlerische Formen- und Materialvielfalt der ambitionierten Kunsttäter ins Auge. Die Bandbreite der Materialien reicht von Holz über Steine und Specksteine bis zu Metall, Alu, Draht und Fundstücken. Skulpturen und Köpfe, Tiere und Märchenfiguren, aber auch abstrakte Arbeiten aus Holz, teils in Kombination mit anderen Materialien, laden zum Betrachten ein. Specksteinarbeiten mit und ohne Titel sowie Kunstwerke aus Speckstein, Alabaster und Metall, kombiniert mit Draht und Holz, ergänzen die künstlerische Ausdrucksbreite.

Mit Ideenreichtum und Hingabe haben die delinquenten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre Werke geschaffen. Teils allein, ab und zu in der Gruppe. So haben sieben Kunsttäter in einer Gemeinschaftsarbeit ein Mosaik-Schachbrett mit Specksteinfiguren geschaffen. Ohne Druck und Stigma konnten sie in einer Gruppe ihre Fähigkeiten entdecken, ausloten und ausprobieren. Und ganz nebenbei Kunst als Ausdrucksmittel für sich entdecken. Womit ein weiteres Ziel der Kunsttäter erreicht ist. Durch die Bearbeitung eines Materials wussten etliche Kunsttäter nach ihrer Zeit in der Bildhauerwerkstatt auch schon einmal, welchen Beruf sie ergreifen wollten.

In der Gruppe interessiert es keinen, ob jemand seine Arbeitsstunden wegen Schwarzfahrens, Drogenkonsums, Diebstahls oder versuchten Totschlags ableisten muss. Keiner muss sich vorstellen, von sich berichten. Oft tun die Kunsttäter dies nach einiger Zeit von sich aus. Mit der Arbeit an ihren Kunstwerken und dem neu gewonnenen Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten wächst oft das Bedürfnis, sich auszutauschen.

Im Rahmen der Atelierfeste konnten schon viele Arbeiten einen neuen Besitzer in Gärten, Wohnungen oder Büros finden. „Der Erlös aus dem Verkauf fließt wie immer direkt in unsere Arbeit“, informiert Andreas Hett. Im öffentlichen Raum des Rushmoor-Parks zu sehen ist seit elf Jahren als Auftragsarbeit der Stadt Oberursel der Januskopf „Der Verdrehte“. Aber auch die 2015 aufgestellte Plastik „Die Nadel“ am Bahnhof. Das exakt die geografische Lage markierende Kunstwerk wird im Volksmund als „der Oberurseler Satellit“ bezeichnet, wie Hett schmunzelnd verrät.

Ergänzt wurde die Ausstellung mit den neuen Kunsttäterskulpturen durch neue Filme anlässlich des 20-jährigen Vereinsbestehens im vorigen Jahr. Musik vom Plattenspieler von den 70ern über die 80er bis zu den 90er-Jahren gab es gratis zur Entdeckungsreise in der Bildhauerwerkstatt dazu. Anstelle von Kürbissuppe gab es wegen Corona „original schwedische Plätzchen“ zum Mitnehmen.

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