Lautstarker Empfang für Degenkolb

Von unterstützendem Applaus angefeuert strampeln die weltbesten Radsportler die Schräge des Marktplatzes hinauf, darunter Lokalmatador John Degenkolb (vorne Mitte) und der spätere Sieger Pascal Ackermann (rechts im weißen Trikot). Foto: Theuner

Oberursel (sth). Traditionsgemäß führte die Strecke des Radklassikers Eschborn-Frankfurt am 1. Mai auch diesmal über den Oberurseler Marktplatz, wo zahlreiche Fans ihren „local hero“ John Degenkolb frenetisch bejubelten. Bürgermeister Hans-Georg Brum betonte die Bedeutung des Rennens für die Stadt.

Die kleinen Hemmnisse des 1. Mai sind sie gewohnt in Oberursel. Rot-weiße Absperrgitter und Sicherheitsordner in gelben Westen gehören an diesem Tag zum Straßenbild wie tausende Hobby- und Profiradrennfahrer. Hannelore Fuchs und Irmgard Franke sind deshalb zu Fuß zum Markplatz gekommen, „mit dem Bus geht’s ja nicht, da alles gesperrt ist.“ Den Weg aus Stierstadt haben die beiden Seniorinnen aber gerne auf sich genommen. Für sie ist der traditionsreiche Klassiker ein besonderes Event – und wenn die weltbesten Radsportler durch die Heimatstadt strampeln, wollen sie hautnah dabei sein.

Sie sind nicht die einzigen. Gegen 13 Uhr ist der Marktplatz gut gefüllt, dicht an dicht drängen sich die Menschen an beiden Seiten der Streckenbegrenzung auf dem tückischen Kopfsteinpflaster, über das kurz zuvor bereits die U23 gefahren war. Angelockt von den warmen Temperaturen entpuppt sich die 57. Ausgabe des Profirennens auch für Harry Schettler und seine Familie als ideales Feiertagsprogramm. „Wir versuchen, das Rennen jedes Jahr zu gucken.“ Die Sportler live am Marktplatz zu sehen, sei auch für die Kinder schön. Zumal sie selbst alle „begeisterte Radfahrer“ sind, wie seine Frau ergänzt. Der weitere Tagesverlauf steht, noch bevor die Elite das Taunusstädtchen erreicht hat: „Erst Eis essen, dann nach Hause vor den Fernseher“, um den Rennausgang zu verfolgen, gibt einer der Söhne den Plan vor.

Zwei am Himmel kreisende Hubschrauber, die Luftaufnahmen für die Fernsehübertragung liefern, sowie die Schräge des Markplatzes hinaufbrausende Motorräder der Polizei kündigen das Fahrerfeld schließlich an. Die Stimmung zwischen Stadtbücherei und historischem Rathaus könnte auch ob des schönen Wetters nicht besser sein, Musik aus der Lautsprecherbox sowie Bratwurst und Bier sorgen für die ideale Streckenfestatmosphäre. Die möchte sich auch der Bürgermeister nicht entgehen lassen, er begrüßt die Radsportbegeisterten kurz vor Eintreffen der Fahrer – und fordert zum lautstarken Anfeuern auf, schließlich befindet sich unter den Siegfavoriten auch der Oberurseler Lokalmatador John Degenkolb.

Der Livekommentar der Fernsehübertragung des Hessischen Rundfunks wird zugeschaltet, wo Kommentator Florian Naß ganz im Sinne Brums die Werbetrommel rührt und Oberursel als sportlich engagierte Stadt mit seinen über 40 Sportvereinen hervorhebt. Doch haben die Orscheler nicht nur selbst Spaß an der Bewegung, sie fiebern genauso gerne mit. Dementsprechend laut wird es auf dem Markplatz, als dieser von der siebenköpfigen Ausreißergruppe passiert wird. Die hatte sich kurz zuvor auf der Feldbergstraße um die erste Sprintwertung des Tages duelliert. Unter johlen, klatschen und lauten Anfeuerungsrufen wird das Hauptfeld mit John Degenkolb wenige Augenblicke später von den Fans fast schon über das Kopfsteinpflaster „getragen“.

Nach einigen Sekunden ist das Spektakel vorbei, die Radler sind weiter in Richtung Feldberg gezogen. „Das war ein sehr guter Besuch heute“, sagt Bürgermeister Brum, während sich der Markplatz rasch wieder leert. Besonders freut er sich über den Werbeeffekt durch die TV-Übertragung, zudem gehöre Oberursel, das seit den Anfängen des Rennens Teil der Streckenführung ist, schon aus traditionellen Gründen einfach zum Klassiker Eschborn-Frankfurt dazu. Eine spezielle Besonderheit hat die erste Station des Taunus auch zu liefern, erinnert der Markplatz mit seinem Kopfsteinpflaster in den Augen Brums doch sehr an das berühmte Eintagesrennen Paris-Roubaix.

Ausgerechnet in Roubaix

Und dann ist da natürlich noch der Lokalmatador. „Wir haben mit John Degenkolb einen Top-Rennfahrer. Er ist nicht nur ein toller Sportler, sondern auch ein echter Sympathieträger.“ Brum ist stolz darauf, dass ein Bürger Oberursels zugleich zu den besten Radprofis der Welt zählt. Nach seinem Etappensieg bei der vorjährigen Tour de France – erzielt ausgerechnet auf dem Kopfsteinpflaster von Roubaix – trug sich Degenkolb im August bereits ins goldene Buch der Stadt ein. Den zweiten Heimtriumph nach 2011 hingegen verpasst er am Nachmittag um einen Wimpernschlag – und rollt an der Alten Oper in Frankfurt hinter Landsmann Pascal Ackermann als Zweiter über die Ziellinie.

„Am Ende hatte ich richtig krasse Krämpfe und musste voll fighten. Es hat leider nicht ganz gereicht, aber ich glaube, ich habe eine ziemlich gute Show abgeliefert, und bin happy darüber“, bilanziert der erschöpfte Degenkolb nach seinem insgesamt vierten Podestplatz bei Eschborn-Frankfurt. Seine Wahlheimat indes bleibt auch in den kommenden Jahren fester Bestandteil des Klassikers – zumindest, wenn es nach Bürgermeister Brum geht: Das Rennen „hat einen sehr hohen Wert für Stadt.“

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