Ein Leben lang getrieben vom Wunsch nach Freundschaft

Oberursel (js). Schön, wenn jemand von „wunderbarer Zusammenarbeit“ spricht, wenn kommunistisch-sozialistisch denkende Stadtväter aus einer Pariser Vorstadt auf christdemokratische Kollegen aus einem Vorort von Frankfurt treffen. Margarete Portefaix hat das so erlebt, sie war als Dolmetscherin und Ansprechpartnerin bei vielen deutsch-französischen Begegnungen stets eine gute Vermittlerin zwischen den Welten, getrieben vom Wunsch nach Frieden und Freundschaft, auch wenn sich die Nachfahren einstiger Erzfeinde begegneten. „Bei allem war mein Ziel und ist mein Ziel immer, die Menschen zusammenzubringen“, sagte die Ehrenbürgerin Oberursels am Dienstag bei einem Empfang zu ihrem 90. Geburtstag. Ihr Name wird seit mehr als 50 Jahren immer genannt, wenn es um die guten städtepartnerschaftlichen Beziehungen der Taunusstadt mit Epinay-sur-Seine geht. Mit Leidenschaft, Begeisterung und Herzblut lebt sie das Leben einer engagierten Europäerin. „Unverzichtbare Impulsgeberin“ nennt sie Bürgermeister Hans-Georg Brum in kleiner Runde, „unbeschreiblich“ sei, was sie für die Stadt geleistet habe.

Natürlich kann auch Hans-Georg Brum als der vorerst letzte in der Reihe der Bürgermeister, die mit Madame Portefaix zu tun hatten, einiges aus dem Nähkästchen erzählen, was sich um die längste Partnerschaft mit einer europäischen Kommune rankt. Vom ersten Schüleraustausch 1972 als „blutjunger Gymnasiast“ und dem Empfang am Gleis 1 des Pariser Gare de l’Est, der ihm nachdrücklich in Erinnerung blieb. Und dem folgenden „liebevoll strengen Regiment“ der Pädagogin, das ihm noch Jahre später, als er mit knapp 21 Jahren erstmals offizieller Delegierter seiner Partei bei einem Ausflug nach Epinay war, auch mal eine Rüge einbrachte, wenn der politische Novize ein wenig zu überschwänglich auftrat. Heute darf er Madame Portefaix duzen und liebevoll „Gretel“ nennen, wie es die meisten ihrer deutschen Freunde tun.

Zwei Staatsbürgerschaften

An Margarete Portefaix führte viele Jahre kein Weg vorbei, wenn es um deutsch-französische Freundschaft und speziell die Städtepartnerschaft mit Epinay-sur-Seine ging. Ohne sie wäre die Verbindung vermutlich bald wieder eingeschlafen, heißt es heute. Partnerschaften leben von solchen Motoren, die bei einem Stottern nicht gleich aufgeben, sondern unermüdlich weiter arbeiten. Als Anfang der 1960er-Jahre die ersten Kontakte zwischen den beiden Städten vor allem auf sportlicher Ebene angebahnt wurden, lebte Margarete Portefaix bereits in Frankreich. Seit 1962 mit Pierre Portefaix, dem Leiter der französischen Sektion der International Friendship League (IFL), verheiratet, zog es sie in die Heimat des Ehemanns, gewohnt hat sie in Epinays Nachbarstadt Saint-Gratien. „Gretel“ Portefaix hatte passend zu ihrer stets gefühlten Identität ab sofort die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft.

Vorurteile ausräumen

Man muss auch die frühe Lebensgeschichte der gebürtigen Margarete Jores kennen, um zu verstehen, aus welchem Umfeld die Idee von Frieden und Freundschaft in einem einigen Europa „nach bösen Zeiten“ geboren wurde, wie sie es umschreibt. Geboren 1929 in Köln, mit vier Jahren nach Bonn umgezogen, wo sie knapp 30 Jahre lebt. Schon als Gymnasiastin engagiert in der Internationalen Freundschaftsliga. Für das Schulgeld musste sie arbeiten, hat Gemüse verkauft, Nachhilfe gegeben, dankbar für die „Kraft und den Verstand, das Ziel Abitur zu erreichen“, als Deutschland in Trümmern lag. Als Lehramts-Studentin lernte sie ihren späteren Mann kennen, das Bonner Fernmeldeamt war die große Chance für die sprachgewandte junge Frau. Von der Oberpostdirektion wird sie als Sekretärin und Übersetzerin zum Französischen Commissariat abgeordnet, 1963 wird Frankreich ihre zweite Heimat. Die zwei Seelen in ihrer Brust, am liebsten vereint, haben sie durch ihr gesamtes langes Leben getragen, noch heute erzählt sie mit Begeisterung in der Stimme quicklebendig und mit viel Gestik und Mimik von ihrem Lebenstraum als Europäerin. „Mir ging es immer darum, Vorurteile zwischen beiden Seiten auszuräumen, und das setzt die persönliche Begegnung voraus“, ist ihre oberste Maxime, die sie mit Leidenschaft lebt. Die Freude der Menschen bei solchen persönlichen Begegnungen und die ewigen Erinnerungen daran sind auch ihr Lohn.

Seit Anfang der 1980er-Jahre lebt Margarete Portefaix ihre zwei Staatsbürgerschaften auch mit zwei Wohnsitzen in Saint-Gratien und Oberursel aus. Da hat sie schon die Partnerschaftsplaketten von Oberursel und Epinay bekommen, es folgen die Europaplakette des Instituts für europäische Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit (1999) und die Bürgermedaille der Stadt Oberursel (2003). Als Höhepunkt wird Madame Portefaix 2013 für ihre außerordentlichen Verdienste im kulturellen und sozialen Bereich das Ehrenbürgerrecht der Stadt Oberursel verliehen. Da lebt sie schon in ihrer zweiten Wahlheimat. Natürlich ist sie Ehrenmitglied des Vereins zur Förderung der Oberurseler Städtepartnerschaften (VFOS). Über die Ehrung im Rathaus ist sie sichtlich gerührt: „Danke für das Vertrauen in Oberursel.“

Der einst auch mal gerügte Polit-Novize und heutige Duz-Freund Hans-Georg Brum gratuliert der verdienten Europäerin Margarete Portefaix herzlich zum 90. Geburtstag. Foto: Streicher



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