Ein Leben voller Musik für Chopin und die Menschen

Rolf Kohlrausch freut sich nach seinem Konzert in der Stadthalle am 15. Juli 2014 über Blumen von Ilse Schwarz-Schiller, ohne zu ahnen, dass er ihre Nachfolge antreten wird. Foto: bg

Oberursel (bg). Gerne zitiert sie Arthur Schopenhauer, die Ehrenpräsidentin der Chopin-Gesellschaft Taunus: „Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die Musik, eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt.“ Nach 34 Jahren erfolgt ihr Finale: Bis zum 31. März ist Ilse Schwarz-Schiller noch als künstlerischen Leiterin tätig und hat – wie könnte es anders sein – noch einmal alle Kräfte mobilisiert für ihre letzte Chopiniade. Beim traditionellen Konzert zum Geburtstag ihres Hausheiligen Fryderyk Chopin tritt der international renommierte Pianist Kevin Kenner in der Stadthalle auf. Danach zieht sie sich von der aktiven Arbeit zurück. Sie hat ihr Feld gut bestellt. Seit 1. Januar ist das Vorstandsmitglied Rolf Kohlrausch bereits offiziell Präsident der Chopin-Gesellschaft Taunus. Der renommierte Pianist übernimmt nach ihrem Rückzug die künstlerische Leitung.

Die festlichen Bachwochen in ihrer fränkischen Geburtsstadt Ansbach beeindruckten sie schon als Kind. In diese Welt voller Musik und Glanz eintauchen, das wollte sie schon damals. Dieser kindliche, nichtsdestotrotz tief empfundene Wunsch, ließ sie ihr ganzen Leben nicht mehr los. Er war innere Richtschnur und lenkte sie oft nicht erkennbar und auf seltsam verschlungenen Pfaden zu ihrer eigentlichen Bestimmung: der Förderung junger Pianisten. Ihnen bot die Klavierpädagogin eine Plattform, eine Bühne, auf der sie sich vorstellen und präsentieren konnten.

Ab ihrem siebten Lebensjahr erhielt sie professionellen Klavierunterricht, ging aber auch zum Ballett. Ihre Eltern legten Wert auf eine gründliche, solide Ausbildung, zu der auch ganz praktische Dinge gehörten, die für den Broterwerb nützlich sind, wie maschinenschreiben oder stenografieren. „Das Ballett habe ich später zugunsten des Klaviers aufgegeben“, erklärt Ilse Schwarz-Schiller lachend. Aber über Jahrzehnte, auch als Ehefrau und Mutter zweier Kinder, perfektionierte sie ihr Klavierspiel. Täglich übte sie oft bis zu sechs Stunden, ihre Familie hatte dafür großes Verständnis. „Durch die Tätigkeit meines Mannes mussten wir oft umziehen. In den 1970er-Jahren kamen wir in den Taunus, da wollte ich ursprünglich eigentlich gar nicht hin“, gesteht sie schmunzelnd. Überall ergriff Ilse Schwarz-Schiller aber die Gelegenheiten, die sich ihr boten, sofort beim Schopf. Gerade in Oberursel angekommen, knüpfte sie erste Kontakte zur Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt und startete dort ihre pianistische Weiterbildung. Durch die Meisterkurse bei Professor Leonard Hokanson und den Kontakt mit den Studenten kam sie auf die Idee, Hauskonzerte zu veranstalten. Leonard Hokanson war dabei ein wichtiger Impulsgeber für sie.

In der Musikmetropole Wien absolvierte sie Meisterkurse bei Jörg Demus. Dort hörte sie von dem polnischen Konzertpianisten und Chopin-Experten Maciej Lukaszczyk, der in Darmstadt eine Chopin-Gesellschaft leitete, und kam mit ihm in Kontakt. So knüpfte sie scheinbar mühelos und nebenbei ein Netzwerk, das später für sie sehr wichtig werden sollte, und auf dessen Protangonisten sie immer wieder zurückgreifen konnte. Durch ihre Tätigkeit als Klavierpädagogin erkannte sie, wie wichtig es für angehende Pianisten war, sich mit ihren erlernten Programmen einem sachkundigen Publikum vorstellen zu können. Ihr Mann, der ihr Eintauchen in die Welt der Musik immer nach Kräften unterstützte, stand ihr hilfreich zur Seite, als sie begann, Hauskonzerte zu organisieren. Das erste Konzert fand 1979 noch in einem kleinen Reihenhäuschen in der Lorsbachstraße statt. Danach war die Kurzmainzer Straße 27 die Adresse für musikalische Abende, die allen Gästen unvergesslich blieben. Aus den bescheidenen Anfängen entwickelte sich im Laufe von über 30 Jahren eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.

Durch Maciej Lukaszcyk trat das Musikgenie Fryderyk Chopin in ihr Leben, seine Musik ergriff sie und löste etwas in ihr aus. Ein wunderbares Konzert, das sie zum 175. Geburtstag von Chopin in der Kurmainzer Straße 27 am 3. März 1985 veranstaltete, erschien ihr als Sternstunde. Es erfolgte die Gründung der Chopin-Gesellschaft Taunus. Sie hatte sich das Ziel gesetzt, das musikalische und geistige Erbe des großen polnischen Komponisten, Pianisten und Weltbürgers Fryderyk Chopin zu bewahren und zu verbreiten.

Oberursel wird Chopin-Metropole

Gefeiert wurde diese Gründung im März 1986 mit einem Konzert in der Stadthalle, beim dem Maciej Lukaszczyk spielte. Durch so bedeutende Pianisten wie Jörg Demus, Alexander Jenner und Leonard Hokanson, die alle in Oberursel auftraten, erwarb sich die junge Gesellschaft rasch ein hohes Renommee und viel Anerkennung in der Musikwelt. Im Jahr 1991 plante die Stadt Oberursel ihre 1200-Jahr-Feier. Plötzlich kam eine Anfrage aus dem Rathaus vom damaligen Stadtrat Peter Schneider, ob die Chopin-Gesellschaft einen musikalischen Beitrag leisten könne, erinnert sich die Ehrenpräsidentin. Jetzt bewährte sich das Netzwerk, das sie in vielen Jahren geknüpft und aufgebaut hatte. Ihr gelang es, den berühmten Kammersänger Hermann Prey für einen Auftritt in der Stadthalle zu gewinnen. Begleitet wurde der großartige Sänger bei seiner Darbietung am Flügel von Leonard Hokanson. „Der Stadtrat war bei meinem Vorschlag im ersten Moment eher skeptisch, er hat mir das wohl gar nicht zugetraut. Ja, das war damals wirklich ein Highlight“, bemerkt Ilse Schwarz-Schiller schmunzelnd.

Zum zehnjährigen Bestehen der Chopin-Gesellschaft Taunus folgte ein weiterer Paukenschlag, mit dem die junge Gesellschaft großes internationales Aufsehen erregte. Nach einem künstlerischen und organisatorischen Großeinsatz, der sich über drei Jahre erstreckte, wurde in Oberursel das Gesamtwerk von Fryderyk Chopin 1995/1996 zyklisch aufgeführt auf der Grundlage des Werksverzeichnisses von Krystyna Kobylanska. Die kleine Taunusstadt etablierte sich damit als aufsehenerregender Fixstern am Chopin-Himmel. Keine der 40 weltweit existierenden Chopin-Gesellschaften hatte sich bis dato an dieses Projekt herangewagt. Ebenfalls im Jubiläumsjahr wurde Ilse Schwarz-Schiller als Vorstandsmitglied in die Internationale Föderation der Chopin-Gesellschaften gewählt. Dadurch eröffneten sich viele Möglichkeiten, namhafte Pianisten und Preisträger bedeutender Chopin-Klavierwettbewerbe in Oberursel präsentieren zu können.

Internationale Anerkennung

1995 und 2009 fanden die Tagungen des Vorstands der Internationalen Föderation im historischen Rathaus von Oberursel statt. 20 Delegierte aus neun Nationen nahmen daran teil. „Die Treffen sind stets ein wichtiges Beispiel für die menschen- und völkerverbindende Wirkung von Chopins Musik“, so Ilse Schwarz-Schiller. Die Liste berühmter Musiker, die durch den engagierten Einsatz der Chopin-Gesellschaft mit Ilse Schwarz-Schiller an der Spitze in Oberursel aufgetreten sind, liest sich wie ein „Who ist who“ renommierter und weltweit bekannter Pianisten. Auch dieses Jahr erklingt am Geburtstag von Fryderyk Chopin in Oberursel seine unsterbliche Musik. Die traditionelle Chopiniade findet seit 1999 statt als kultureller Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung und Freundschaft unter der Schirmherrschaft des polnischen Botschafters. Für ihren außergewöhnlichen Einsatz zur deutsch-polnischen Verständigung wurde Ilse Schwarz-Schiller mit dem Kavalierkreuz des Verdienstordens der Republik Polen ausgezeichnet. Weitere Ehrungen erfolgten durch das Land Hessen und durch die Woiwodschaft Wielkopolska für ihr besonderes Engagement. Sie erhielt den Bürgerpreis 2006 der Taunus-Sparkasse, die Ehrenplakette der Stadt Oberursel im Jahr 2008 und 2011 den Hessischen Verdienstorden am Bande.

Wenn sie auf ihr Lebenswerk zurückschaut, staunt sie selbst, wie sich aus den ersten bescheidenen Anfängen heraus alles entwickelt und zusammengefügt hat. Es war wohl ihre Bestimmung, davon ist sie überzeugt. „Dabei wollte ich eigentlich nie in der Öffentlichkeit stehen, aber es kam anders“, bekennt Ilse Schwarz-Schiller nachdenklich. Mit großer Freude und Dankbarkeit kann sie auf ein Lebenswerk schauen, das seinesgleichen sucht.

Angetrieben von der Liebe zur Musik, zu Chopin und den Menschen hat die Grande Dame der Chopin-Gesellschaft Taunus schier Unglaubliches erreicht. Die Taunusstadt, die ihr zur zweiten Heimat wurde, verdankt ihr viele bewegende, aufsehenerregende Konzerte mit international bekannten und renommierten Künstlern. Der Name Oberursel ist als bedeutender Konzertort in der klassischen Musikwelt fest verankert und vor allem unter den Chopin-Freunden weltweit bekannt.

!Die Chopin-Gesellschaft Taunus lädt für Freitag, 8. März, um 20 Uhr zu einem Konzert mit dem Pianisten Kevin Kenner in die Stadthalle. Ab 19 Uhr besteht die Gelegenheit zum Besuch einer Konzerteinführung. Auf dem Programm stehen Werke von Fryderyk Chopin und lgnacy Jan Paderewski. Karten zum Preis von 20 bis 30 Euro – Mitglieder, Studenten und Schüler zahlen zehn Euro – sind erhältlich bei Frankfurt-Ticket, Telefon 069-1340400 oder im Internet unter www.frankfurt-ticket.de, bei Tourist Info+Ser-vice Bad Homburg, Im Kurhaus, Louisenstraße 58, Telefon 06172-1783710, im Ticketshop Oberursel, Kumeliusstraße 8, oder im Internet unter www.chopin-gesellschaft-taunus.de/termine, Restkarten gibt es an der Abendkasse.



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