Literaturtage fragen danach, was uns an Europa bewegt

In Oberursel auf den Spuren ihrer „Ahnen“: Anne Weber. Foto: Torsten Greve

Oberursel (ow). Unter dem Motto „Was uns bewegt“ richtet der Verein „LiteraTouren“ in Kooperation mit der Kunstbühne Portstraße und dem Kultur- und Sportförderverein Oberursel (KSfO) vom 23. bis zum 26. Mai die ersten „Oberurseler Literaturtage“ aus. Mit fünf Lesungen für Jung und Alt präsentiert sich Oberursel unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Hans-Georg Brum als literatur- und lesebegeisterte, diskussionsfreudige und offene Stadt in der Mitte Europas. Genau in diesen Tagen werden Bürger in 28 Ländern der Europäischen Union an die Urnen gehen. Was liegt da näher, als darüber nachzudenken, was an Europa bewegt und aus welchem Grund. Der Blick zurück ist dabei genauso wichtig wie die Einschätzung der Gegenwart. Gabriele Tergit, Manja Präkels, Jaroslav Rudiš und Anne Weber erzählen in ihren Romanen sehr persönliche Geschichten, die Europa aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus beleuchten.

Eröffnet werden die Oberurseler Literaturtage am Donnerstag, 23. Mai, mit einer literarischen Wiederentdeckung. Die jüdische Journalistin und Schriftstellerin der Weimarer Republik, Gabriele Tergit, hatte bereits in den 1930er-Jahren an „Effingers“ gearbeitet. Erschienen ist der Roman, der das vielfältige jüdische Leben in Berlin zwischen der Reichsgründung 1871 und seiner nahezu vollständigen Auslöschung zu Beginn der 1940er-Jahre anhand der Geschichte der Familie Effinger beschreibt, im Jahr 1951. Lange war „Effingers“ vergriffen. Nun hat die Literaturwissenschaftlerin Nicole Henneberg den Roman im Frankfurter Schöffling Verlag neu herausgegeben. Birgitta Assheuer wird aus „Effingers“ lesen, Kata Bohus vom Jüdischen Museum Frankfurt führt das Gespräch mit der Herausgeberin. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr) im Amselweg 1. Der Eintritt kostet zwölf Euro.

Manja Präkels Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ führt die Besucher am Freitag, 24. Mai, in die ostdeutsche Gegenwart. Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung bricht sich unter den Jugendlichen einer brandenburgischen Kleinstadt Bahn, was sich jahrelang an Orientierungslosigkeit und Frust angestaut hat. Aus der Wut wird blanker Hass und rechte Gewalt. Manja Präkels, die für „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ den deutschen Jugendliteraturpreis 2018 erhalten hat, wird aus ihrem Roman lesen und kommt mit Michaela Büttner vom hessischen Literaturforum ins Gespräch. Beginn ist um 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr) in der Kunstbühne Portstraße, Hohemarkstraße 18, Der Eintritt kostet zwölf Euro, Jugendliche haben freien Eintritt.

Der Samstagnachmittag, 25. Mai, gehört ab 15.30 Uhr (Einlass 15 Uhr) in der Kunstbühne Portstraße, Hohemarkstraße 18, den Kindern ab sechs Jahren. Der Frankfurter Kinderbuchautor Martin Ebbertz liest aus seinem vergnüglichen neuen Gedichtband „PRIMA HOL ZOFEN PIZZA. Gerichte für Rinder? Gedichte für Kinder!“. Mit viel Sprachwitz, meistens kinderleicht, ab und zu auch bedeutungsschwer, erzählen die Gedichte vom Glück und manchmal auch von den Sorgen, die jedes Kind in Europa kennt. Dazwischen zeigt das Trio „Vagabondoj“, wie die Klarinette lachen und wie wieselflink die Gitarre spielen kann. Ganz zu schweigen von der gutmütigen dicken Tuba. Erwachsene zahlen zehn Euro Eintritt, Kinder und Jugendliche sind frei.

Am Samstagabend, 25. Mai, geht die Reise weiter nach Osteuropa. Der Verein „LiteraTouren“ hat den tschechischen Schriftsteller Jaroslav Rudiš mit seinem neuen, preisgekrönten Roman „Winterbergs letzte Reise“ eingeladen. Darin geht es um die Geschichte des Berliner Altenpflegers Jan Kraus und des hochbetagten, lebensmüden Wenzel Winterberg. Kraus, darauf spezialisiert, Schwerkranke in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten, wird zu Winterberg gerufen. Als Winterberg erfährt, dass sein Pfleger, wie er selbst, aus Böhmen stammt, erwachen plötzlich wieder seine Lebensgeister: Kurzerhand verpflichtet Wenzel Winterberg Jan Kraus als Reisebegleiter durch Mitteleuropa. Denn Winterberg jagt seinem Leben, das dunkle Geheimnisse birgt, hinterher – nicht ahnend, dass sein Pfleger auch ein Getriebener seines Schicksals ist. „Winterbergs letzte Reise“ stand auf der Shortlist des Leipziger Buchpreises 2019. Jan Wiele, Literaturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, führt nach der Lesung das Gespräch mit dem Autor. Beginn der Veranstaltung ist um 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr) in der Kunstbühne Portstraße, Hohemarkstraße 18. Der Eintritt kostet zwölf Euro, Jugendliche sind frei.

Rang stirbt 1924 in Oberursel

Der letzte Tag der ersten Oberurseler Literaturtage, Sonntag, 26. Mai, ist zugleich der hessenweite „Tag für die Literatur“, der von HR2 Kultur im Rahmen von „Literaturland Hessen“ organisiert und vom hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird. Im Rahmen dieses Projekts liest Anne Weber in einer Matinée aus ihrem Zeitreisetagebuch „Ahnen“. Darin geht es insbesondere um die schillernde Persönlichkeit Florens Christian Rang, der sich in der Zwischenkriegszeit vom Nationalisten zum Denker eines vereinten Europas wandelte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in der hessischen Provinz im intensiven Austausch mit Geistesgrößen seiner Zeit, darunter Walter Benjamin und Martin Buber. Rang starb 1924 in der Klinik Hohe Mark in Oberursel. Die Schriftstellerin Anne Weber ist Florens Christian Rangs Urenkelin. In „Ahnen“ spürt sie der eigenen Familiengeschichte nach. Das Gespräch führt Gudrun Dittmeyer vom Verein „LiteraTouren“. Die Lesung beginnt um 11 Uhr (Einlass 10.30 Uhr) in der Kunstbühne Portstraße, Hohemarkstraße 18. Der Eintritt kostet für Erwachsene acht Euro und ist für Jugendliche frei.

Karten für alle Veranstaltungen sind in der Buchhandlung Marion von Nolting, Kumeliusstraße 3, per E-Mail an mail[at]literatouren-oberursel[dot]de und an der Abendkasse erhältlich.

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