Musikalische Mühlenwanderung schmeichelt Körper und Seele

Im Hof des Ratskellers herrscht an Theken, Tischen und Bänken jede Menge Trubel, als „The Organic Soul Jazz Trio“ aufspielt. Foto: pit

Oberursel (pit). Mühlen, Mythen und Musik – unter der Überschrift „Jazz meets Mühle“ konnte, wer wollte, in Oberursels Innenstadt am Pfingstmontag von allem etwas haben. Und wollen wollten zu der „Mühlenwanderung mit Musik“ offenbar ziemlich viele Orscheler und Gäste der Brunnstadt. Insgesamt waren es rund 3000 Besucher, die an den verschiedenen Veranstaltungsorten gezählt wurden. Kein Wunder angesichts des heiteren Himmels, der geschichtsträchtigen Mühlen, der tollen Bands und des köstlichen kulinarischen Angebots, die zur Einkehr verlockten.

So verführten schon von Ferne die Pianoklänge, die aus dem Tor der Herrenmühle drangen, dazu, dort einmal hineinzuschauen. Gerade war es die Band „Interplay“, die „Spain“ von Chick Corea spielte, bevor sie mit „Englishman in New York“ aus der Feder von Gordon Matthew Thomas Sumner alias Sting zu einer weiteren, überaus gelungenen Interpretation eines weltbekannten Klassikers ansetzte und viel Applaus dafür einheimste.

In der Kürtellsmühle war es das „Mitja Skoberne Trio“ mit Heiko Hubmann, das die Zuschauer in seinen Bann zog. Es war aber auch zu schön, den Herren an Bass, Schlagzeug, Piano und Trompete zu lauschen, als sie etwa mit „Norwegian Wood“ eine wunderschöne Ballade von John Lennon und Paul McCartney zum Besten gaben.

An Ort und Stelle galt es auch, die Ausstellung alter Werkzeuge unter der Überschrift „Handwerk hat goldenen Boden“ zu entdecken. Ein besonderer Hingucker war der alte Werkzeugschrank des Firmengründers Adam Koch, dessen außen angebrachtes Inhaltsverzeichnis verriet, dass darin ein Satz Hobel, eine Garnitur Stemmeisen, vier Stecheisen, Fuchsschwanz und viele andere Dinge in zumeist einfacher Ausführung stets enthalten sein müssen, damit er vollständig ist.

In der Schuckardtsmühle, dem Haus der Naturfreunde“, bewiesen zunächst „LaVida’s Nawlinz Fonktion“, dann „Herby’s Musikladen“ und schließlich Boeßner, Erb, Jentzen, Zimmer zusammen mit Lisa Löwenthal und Wolfgang Zöll, dass genügend Raum für eine Band selbst auf der kleinsten Bühne ist. Höchstens neun Quadratmeter dürfte der Platz bemessen gewesen sein, auf dem Bassist, Pianist, Schlagzeuger, Sänger und Trompeter zeitgleich für tolle, nostalgische Rhythmen und Klänge sorgten.

Die 20 Teilnehmer der Mühlenführung, die hier passierten, lauschten allerdings lieber den Informationen, die Gästeführerin Anne-Maren Horn für sie parat hatte. Etwa über die vielen Scheren- und Messerschleifer, die einst am Urselbach ihr Tagwerk vollbrachten. Und einen Blick zurück auf vergangene Zeiten warf im Vortaunusmuseum auch Leiterin Renate Messer, als sie am frühen Nachmittag zu einer Führung durch die darin installierten Mühlen und zu einzelnen Exponate Orscheler Mühlen einlud. Etwa zu einigen Schaustücken, die zur Geschichte der Spinnerei und Weberei AG Hohemark gehörten: „1860 lief die Produktion an, und es war die erste Fabrik im Herzogtum Nassau.“ Viele der Arbeiter hätten zu verbilligten Mieten in den dazugehörigen Wohnhäusern gelebt: „Das waren überwiegend ungelernte Kräfte, die sich in der damals armen Taunusregion ein Zubrot verdienten – bei zehn Stunden ‚wenig schwerer Arbeit‘ pro Tag, wie es in einer Stellenanzeige von damals nachzulesen ist.“

Gerne wies sie aber auch im Verlauf der Führung darauf hin, dass es viele Märchen gibt, in denen ein Müller vorkommt. Der habe zumeist sowohl am Tage als auch in der Nacht gearbeitet, und der nächtliche Krach habe die Menschen immer wieder mutmaßen lassen, dass er mit dem Höllenfürsten in Verbindung stehe. Aus dieser Zeit stamme auch das Zitat: „Das Müllerleben hat Gott gegeben, doch das Mahlen bei Tag und bei Nacht hat der Teufel erdacht.“

Freude über „sehr regen Zuspruch“

Nicht dem Teufel, sondern dem „Organic Soul Jazz Trio“ war es derweil überlassen, dem Publikum an den Tischen, Bänken und Theken im Hof des benachbarten Ratskellers einzuheizen. Die Gäste freuten sich unübersehbar über die gute Stimmung und Unterhaltung an Ort und Stelle. Ebenso wie im Hof der Gaststätte „Zum Schwanen“ – hier vertraten „Yannick Monot & Helt Oncale Duo“ auf wunderbare Weise franco-amerikanische Musikkultur. An der Hospitalkirche goutierte das Publikum nach dem gelungenen Konzert des „Fehlgriff Orchesters“ den Auftritt des „Wilson-Oliveira-Quartetts“, das den „Tribute to Benny Goodman“ zusammengestellt hatte. Die Organisation an diesem Veranstaltungsort oblag dem Kulturkreis Oberursel, während der Verein „Frauen helfen Frauen“ und das Rilano Hotel für die Bewirtung sorgten: „Wir waren das erste Mal als Kooperationspartner dabei und freuen uns über den sehr, sehr regen Zuspruch, den ‚Jazz meets Mühle‘ hatte“, sprach Vereinsvorsitzender Klaus Glatthorn mit Sicherheit dem veranstaltenden KSfO sowie den vielen anderen Aktiven und tatkräftigen Helfern und Unterstützern aus dem Herzen.

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