Narrenschar wirft Brum aus dem Rathaus

„Nun mach schon endlich das Tor auf, du alter Rathauszornegickel!“ Mit geballten Kräften fordern die Narren den Einzug ins Rathaus, angeführt von Vanessa I. (3. v. l.) mit ihren beiden Pagen, Ex-Prinz Benjamin (2. v. l.), dem BCV-Kinderprinzenpaar Raphael I. und Tala I. (7. und 8. v. l.) und vielen anderen Gefolgsleuten. Foto: Streicher

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Auch wenn die Kanone scheute, sie waren nicht aufzuhalten. Angeführt von Großorschels Fastnachtsprinzessin Vanessa I. und dem Bommersheimer Kinderprinzenpaar Raphael I. und Tala I. eroberte feierlustiges Volk aus dem gesamten Hochtaunuskreis am Samstag das Zentrum der Macht und ernannte sich zu Herrschern bis Aschermittwoch. Keine Chance für Bürgermeister Hans-Georg Brum und sein Verteidigungsteam, sie mussten den Schlüssel zum Rathaus freiwillig herausgeben.

„Frauenpower an die Macht, ich bin die Chefin der Fassenacht“, das war mal ein klares Statement von Prinzessin Vanessa schon im ersten Vierzeiler des traditionellen Wortduells mit dem Mann hinter der Mauer. Dass er sein Reich gegen die Übermacht der Narren da draußen vor dem Tor verteidigen könnte, keiner mochte es mehr glauben. Der Bürgermeister in seinem schwarzen Wams und mit einem komischen Hut auf dem Kopf, dazu ein paar mickrige Ratsherren und ein, zwei Ratsfrauen im gleichen langweiligen Dress, das konnte nicht gut ausgehen. Mindestens als doppelte Hundertschaft kam das Narrenvolk gegen 11.11 Uhr am Rathaus an, nachdem es auf dem Weg durch die Altstadt unter Polizeischutz noch den einen oder anderen Mitstreiter befreundeter Garnisonen eingesammelt hatte. Böllerschüsse waren schon von fern zu hören, ein Sturm schien da auf das Zentrum der Stadtmacht zuzurollen. Vorneweg eine Abordnung der Karnevalsgesellschaft aus Niederhöchstadt mit der Kanone „De Alte Fritz“.

Donnerndes Kanonengeböller

Schluss mit lustig, so sah es schon nach kurzem Wortgefecht und dem ersten noch zaghaften „dreifach donnernden Orschel Helau“ mit Kanonengeböller als Untermalung für die eine Seite aus. Jetzt wird’s erst richtig lustig, frohlockten die Narren auf der anderen Seite der Mauer. Die Verteidiger des Oberurseler Rathauses hatten die vermeintliche Mauer kurzfristig aufgeschichtet, sie konnte die bunte Narrenschar indes nicht vom Sturm auf das Stadtpalais abhalten. Schon gar nicht des Bürgermeisters despektierliche Sprüche in Richtung der charmanten Prinzessin. „Jetzt muss ich mir vor lauter Lachen beinah in die Hose machen, regieren will ein Frauenzimmer, das glaube ich doch nie und nimmer!“ Damit und mit dem ersten Furz der Konfetti-Kanone hatte sich der Rathauschef auf Abruf das erste „Uiuiuiuiuiuiuiauauauau“ redlich verdient.

Und es folgten weitere, immer enger zog sich die Schlinge um die wackelnde Mauer, immer näher rückte das Narrenvolk. Unterstützt von einer zweiten Kanone der Bad Homburger Karnevals-Gesellschaft, von Prinzessin „Sodenia“, der 72. aus Bad Soden, von Tollitäten aus dem Hintertaunus und „Pitschetretern“ aus Staabach. Völlig respektlos der Nachwuchs aus Bommersheim vom BCV, allen voran Prinzessin Tala I. vom „KiPriPa“, die stets eine passende Antwort auf die Sprüche des „Alten“ da oben zwischen den Zinnen wusste. „Schießt den Opa schnell da raus, denn wir regieren jetzt das Haus. Wir meinen es ernst, du alter Watz, mach‘ dich fort von diesem Platz.“ Den zweiten Schuss der Narren gab das Protokoll an dieser Stelle vor, Ladehemmung aufgrund eines verkeilten Bolzens verzögerte den Sturm auf die Groß-Orscheler Bastille allenfalls um Momente. Der „alte Rathauszornegickel“ aber hatte keine Chance mehr, dem Drängen auf das Tor zu widerstehen.

Doch eins war natürlich mal wieder klar, „die Stadtkass‘ die ist leider leer, da findet ihr kein Euro mehr“. Stattdessen gab’s nur Süßkram bei der letztendlich freiwilligen Öffnung der Tore, diese wohlbekannten seltsam geformten sahnig-cremigen mit Schokoguss ummantelten Matschteile, deren Namen keiner auszusprechen wagt, aber alle gerne essen. Und natürlich den Rathaus-Schlüssel am Band für Vanessa I., die selbsternannte Chefin der Fassenacht. Über die Krone passte er nicht, „aber ich halte ihn fest, geb‘ ihn nicht mehr her“, versprach Vanessa I. sich selbst und ihrem stetig wachsenden Gefolge.

Party bis Aschermittwoch

Bis Aschermittwoch darf sie im fünften Stock auf des Bürgermeisters Sessel sitzen, den sie schon aus Kindertagen kennt, als sie selbst ein Teil des „KiPriPa“ war. Wie närrisch, bunt und lustig es da zugehen wird, davon gab die After-Sturm-Party im Sitzungssaal lärmend Zeugnis. Das „dreifach donnernde Orschel und die annern Helau“ war nach kurzen Vorführungen auf der improvisierten Bühne noch bis zum frühen Nachmittag des Öfteren zu hören.

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