Orscheler Sommer? … aber sicher!

Spontane Werbung im Schulhof: Wir sind noch da und bereiten ein Sommerfest für euch. Kunstgriff-Vorsitzender Dirk Müller-Kästner (links) und ein Teil des Organisationsteams schwenken die freudige Ankündigung des „Orscheler Sommers“ auch in Corona-Zeiten. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Und es wird ihn doch geben, den „Orscheler Sommer 2020“. Mit Musik, Magie, Bewegung und Poesie. Es wird ein ungewöhnlicher Sommer, mit Überraschungen, mit Unwägbarkeiten, aber bestimmt auch viel Kreativität. Dafür steht der Verein „Kunstgriff“ seit vielen Jahren, das soll auch im Corona-Sommer nicht anders sein. Mit mutigen und treuen Partnern wagen die Veranstalter den Kunstgriff, dem geneigten Publikum einen schönen Kultursommer zu bieten. Startschuss ist am Sonntag mit flotter Musik zum Frühschoppen an einem völlig neuen Sommer-Spielort.

Mal wird er im Hof-Kino als Sommer in Orange daherkommen, mal bunt beim „Yoga im Park“, dann wieder spielerisch verzaubernd oder auch mal sportlich mit festem Tritt in die Pedale. Ein bisschen wie immer, aber doch völlig anders. Beliebtes und Bewährtes, und doch ein ganz besonderer Sommer nach Monaten des Corona-Shutdowns. Ohne publikumsträchtige Klassiker wie das beliebte Fischerstechen auf dem Maasgrundweiher und das Seifenkistenrennen durch die Altstadt, aber mit klassischem Pre-Opening wie alle Jahre wieder. Zumindest ein paar Kunstgreifer werden am Samstag bunt gekleidet auf Stelzen im Zentrum der Innenstadt unterwegs sein und die schnell noch gestrickten Programmhefte unters Volk verteilen und für den „Sommer“ werben. Da können die Akteure leicht in doppelter Hinsicht Abstand halten. Zwei Meter in der Höhe und zwei Meter in der Tiefe – natürlich mit Mundschutz.

Regeln müssen sein

Einen Vorteil hat der „Orscheler Sommer“. Wie er einst begründet wurde, kann er zur Not auch mit Einzelveranstaltungen die Kulturbühne bereichern, als geplantes improvisiertes Freispiel sozusagen. Auch wenn der Spontaneität beim nachgewiesen improvisationstauglichen „Kunstgriff“ in der Variante 2020 klare Grenzen gesetzt sind. Wenn der Kunstgriff-Vorsitzende Dirk Müller-Kästner nun von „Blindflug“ spricht, der „aber sehr interessant werden könnte“, meint er nicht die Organisation, die nie so straff gewesen sein dürfte. Allenfalls die Reaktion des Publikums auf das, was da bisher immer als schöne sommerliche Beigabe aufgetischt wurde. Laue Sommerabende und beim Frühschoppen auch mal Vormittage mit Mundschutz und Abstand, es wird eine Herausforderung für alle sein.

„Regeln sind nicht wirklich Ziele des Vereins Kunstgriff“, sagt Frontmann Müller-Kästner. „Im Sommer 2020 geht aber kein Weg an ihnen vorbei.“ Und sie können jederzeit aktualisiert werden und die Veranstalter zum Reagieren zwingen. Zum zentralen Stützpunkt des Bühnen-Geschehens wird der Hof der Grundschule Mitte auf der Altstadtseite an der Schulstraße. Ein Platz, ausgewählt in Kooperation mit dem städtischen Kultur- und Sportförderverein (KSfO) und Schulleiter Clemens Steden als Partner im Geiste. Weil er die Grenzen bietet, die im Regelbuch vorgeschrieben sind. Eingezäuntes Gelände mit kontollierbaren Ein- und Ausgängen, mit „Rezeption“ am Eingang Hoftor Schulstraße, wo jeder seine Online-Anmeldung für die jeweilige Veranstaltung vorzeigen muss und auf der Liste abgehakt wird. Und wo spontane unangemeldete Besucher sich noch auf der Gästeliste eintragen können, wenn der Hof noch nicht gemäß der jeweils aktuellen Regelung voll besetzt ist. „Wir sind gespannt, wie das funktioniert“, sagt Dirk Müller-Kästner. „Wir hoffen, dass die Leute akzeptieren, dass es Regeln gibt, die sie sonst von uns nicht gewöhnt sind.“

„Orscheler Sommer: irgendwie anders …“ So steht’s auf der letzten Seite des Programmhefts noch hinter dem Impressum. Mit dem Bild von drei Mund-Nase-Masken mit der Aufschrift „Orscheler Sommer“. Die gibt’s für ein paar Euro beim Eintritt, der natürlich wie immer frei ist. Diese Tradition hat auch in Corona-Zeiten Bestand, alles umsonst, live und draußen. Anmeldung aber muss sein, auf der jeweiligen Veranstaltungsseite im Internet unter www.orschelersommer.de Das funktioniert, bis die maximal zulässige Besucherzahl erreicht ist. Der Anmelde-Button wird sieben Tage vor der Veranstaltung freigeschaltet. Wer dann kurzfristig doch nicht kommen kann, möge sich bitte über das Buchungs-Plugin wieder abmelden, damit die Plätze neu vergeben werden können. Nahrungsangebote wird es erstmal nicht geben, nur antiseptisch verabreichte Flüssignahrung in Form von Flaschengetränken. „Nach jeder Veranstaltung werden wir uns zusammensetzen und schauen, wo wir nachjustieren müssen oder können“, so Dirk Müller-Kästner. „Das muss wachsen und sich entwickeln, ist halt ein Experiment.“

Der letzte Rettungsanker

Ein Experiment, das die Stadt wohlwollend und mit dem bisher auch üblichen kleinen Zuschuss unterstützt. Fast alle Parteien, die im Stadtparlament für ein Kulturangebot streiten, haben mit einer Anzeige und guten Wünschen im Programmheft ebenfalls ihre Unterstützung signalisiert. Nach der Absage von Brunnenfest und Weinfest, Theater im Park und zig anderen der üblichen Open-Air-Feste im Jahreslauf ist der „Orscheler Sommer“ sozusagen der letzte Rettungsanker für die nach Kultur und Kino, Musik und gemeinsamem Treiben unter freiem Himmel schmachtende Stadtgesellschaft. Mit einem „Jazzruck“ im Schulhof geht es am Sonntag gegen 11 Uhr los, großes Finale wird im sechsten Jahr in Folge das Afrika-Festival im September im Rushmoor-Park sein.

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