Mit „pimoo“ Verkehr der Zukunft planen

Vorbildliche Piste vom Bahnhof entlang der Nassauer Straße zu den Schulzentren von Gymnasium, Hochtaunusschule und Erich-Kästner-Schule am östlichen Stadtrand. Bis zur Ampelanlage in Höhe Zeppelinstraße ist der Fuß- und Radweg fast sechs Meter breit.Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Fahrrad oder Auto, der Verkehrsfluss soll für alle Verkehrsmittel der Zukunft gesichert werden. Fuß- und Radverkehr werden sicher auf durchgängigen Wegen geführt. Der ÖPNV in Oberursel ist attraktiv, Potentiale der Vernetzung der Verkehrsmittel und der Digitalisierung werden konsequent genutzt.

Das ist nur ein kleiner Auszug aus den sieben Leitzielen, die Oberursels Chef-Verkehrsplaner Uli Molter und sein Team als eine Art Essenz aus einem langen Vorbereitungsprozess gewonnen haben. Ziel: Die Entwicklung eines verkehrlichen Leitbilds für die Stadt, die offene Erarbeitung eines „Integrierten verkehrlichen Handlungsrahmens“. Das Papier „Oberurseler Verkehr 2030“ steht am kommenden Donnerstag, 15. Juli, in der letzten Sitzung des neuen Stadtparlaments vor der Sommerpause, zur Abstimmung.

Kein Zweifel, nach Beschluss im Magistrat und einstimmigem Votum im Bau-, Umwelt- und Klimaschutzausschuss (BUKA) in der vergangenen Woche wird auch das Parlament keine Hürde für das Papier sein. Niemand muss befürchten, auf einen unerwünschten Weg gedrängt zu werden, es wird damit „keine Umsetzung von Maßnahmen“ beschlossen. Flexibilität, Dynamik, Transparenz und Nachhaltigkeit sind Stichworte, die im zukünftigen Weiterverarbeitungsprozess immer wieder vorkommen werden. Kein Generalver- kehrsplan mehr, den Molter als überlebtes Beispiel einer anderen Generation der 70er-Jahre zeigt, „das funktioniert heute nicht mehr“. Weil sich auch die Verkehrsplanung an wandelnde Bedingungen anpassen müsse. Es gehe darum, gemeinsam Ziele zu formulieren und dann zu prüfen, ob sie funktionieren. Molter: „Rückwirkungen prüfen, was mache ich, was folgt daraus?“ Denn Ziel Nummer sieben klingt gut und soll eine wichtige Richtschnur sein: „Es macht Spaß, sich in Oberursel aufzuhalten.“

Ein zweijähriger Erarbeitungsprozess ist der Formulierung des Handlungsrahmens vorausgegangen. Ermöglicht durch Fördermittel des Bundes aus dem Programm „Mobilitätswerkstadt 2025“. Mehr als 50 Städte und Kommunen waren mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten in den Wettbewerb getreten, erarbeitet gemeinsam mit Bürgern, Forschungseinrichtungen und an anderen „relevanten Akteuren“, wie es im Abschlussbericht heißt. Oberursel wurde nach der ersten Phase als eine von bundesweit 14 Kommunen in eine dreijährige weitere Förderung für die „Projektphase 2“ von 2021 bis 2024 ausgewählt. Den Förderbescheid erwartet Projektleiter Uli Molter in Kürze, es geht um 380 000 Euro. Das Projekt „pimoo – Plattform für Integrierte Mobilität Oberursel“ soll in die Verkehrsplanungsgeschichte eingehen wie einst der Generalverkehrsplan, nur erfolgreicher.

Das Konzept bei der Erarbeitung der Ziele soll auch in Phase zwei angewendet werden. Die Menschen „in ihrem jeweiligen Umfeld“ und ihre Vorstellungen vom Verkehr in der Zukunft sollen ein wichtiges Glied in der Planungskette sein. „In der Stadtgesellschaft ist es hilfreich, gemeinsame Ziele zu vereinbaren, wohin sich das Verkehrssystem entwickeln soll, um darauf aufbauend fundiert und informiert über die Umsetzung verschiedener Maßnahmen zu entscheiden“, lässt sich Bürgermeister Hans-Georg Brum zitieren. Daher „allgemeine Leitziele, die in der weiteren Arbeit konkretisiert und operationalisiert werden müssen“.

Soweit die Theorie, die Praxis in Phase eins wurde mit Workshops, Befragungen und Aktionen mit Bürgern in unterschiedlicher Zusammensetzung durchgeführt. Zielgruppen waren etwa Familien, da wurden 1000 Postkarten in Kindergärten ausgelegt, 68 landeten auf dem Tisch der Verkehrsplaner. Kinder konnten Visionen ihrer Zukunftsmodelle im Minecraft-Wettbewerb und -workshop entwickeln, Wirtschaftsvertreter und Neubürger oder Alteingesessene in hybriden Videokonferenzen, andere bei Stadtspaziergängen und Befragungen, zum Pendlerverkehr gab es eine Postkartenaktion mit geringem Rücklauf. Die Begeisterung zur Mitgestaltung der Stadtgesellschaft im Projekt braucht allemal noch einen Schub, um den Weg zum Ziel – die Prozesse – und die Instrumente – die Produkte – so zu entwickeln, dass ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung hinter der Theorie der Zukunftsplanung steht.

Als „Herzstück“ der nächsten Phase sieht Verkehrsplaner Molter die Bildung eines „Tools“, in dem alle Ideen und Maßnahmenvorschläge gesammelt und bewertet werden können. Außerdem eine Art komplexe „Wissensplattform“ mit Verkehrsuntersuchungen, ausgewählten Fachpublikationen, Daten, Konzepten, Berichten. Vorgesehen sind regelmäßige Verkehrserhebungen wie Zählungen und Befragungen, Verkehrsversuche, die bei Misserfolg sofort wieder abgebrochen werden können. Alle zu beschließenden Ziele führen nicht zu zwingender Umsetzung irgendwelcher Maßnahmen, sie sollen nur der „Entscheidungshilfe“ dienen. Fazit: „Mit dem Beschluss des Leitbilds sind keine Verpflichtungen verbunden.“ Alle eventuellen Maßnahmen müssen weiterhin einzeln in den politischen Gremien beschlossen werden.

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