Runge und Trumpp in der Stichwahl

Wer darf auf dem Chefsessel im Rathaus Platz nehmen? In der Stichwahl am 28 März begegnen sich Antje Runge (SPD) und Carsten Trumpp (CDU) friedlich mit dem Bekenntnis zum fairen Wahlkampf. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel (js). Antje Runge und damit erstmals eine Frau oder Carsten Trumpp, das ist die Frage, die nun am 28. März geklärt werden muss. Die 51-jährige SPD-Kandidatin und der gleichaltrige politische Newcomer der CDU haben sich bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag im ersten Durchgang gegen sechs weitere Kandidaten durchgesetzt und messen sich jetzt in einer Stichwahl. Überraschend klar unterlegen im Kampf der Favoriten: der Erste Stadtrat Christof Fink (Bündnis 90/Die Grünen), mit nur 19,8 Prozent der Wählerstimmen deutlich abgehängt.

Es war neun Minuten nach Mitternacht, als Wahlleiter Frank Weil die Stimmenverteilung bei der Bürgermeister-Direktwahl als erstes Ergebnis des Superwahltags in der Nacht zum Montag für das Netz freigab. Ein Zweikampf an der Spitze, der sich über den gesamten Abend hinzog, aufatmender Sieger am Ende der Verwaltungswirt und städtische Beamte Carsten Trumpp, für den 5730 Oberurseler votierten (27,96 Prozent). Nicht minder strahlend die Diplom-Kauffrau Antje Runge über die Unterstützung von 4963 Menschen (24,22 Prozent) in der Stadt. Abgeschlagen hinter dem Drittplatzierten Fink die weiteren Kandidaten Michael Planer (FDP) mit zehn Prozent der Stimmen, Andreas Bernhardt (OBG, 9,36 Prozent) sowie die unabhängigen Bewerber Dirk Müller-Kästner (4,32 Prozent), Dennis Luxen (1,69 Prozent) und AfD-Mann Peter Lutz (2,63).

Zuversichtlich war Antje Runge ins Rennen gegen sieben mitstreitende Männer gegangen, hatte schon zwei weitere Wochen Urlaub bei ihrem Arbeitgeber, der Frankfurter Stadtverwaltung, beantragt. Nicht ihr Rückstand auf Trumpp, eher ihr großer Vorsprung von mehr als 900 Stimmen auf Christof Fink überraschte am Wahlabend. „Ich freue mich, dass ich so ein gutes Ergebnis erreicht habe“, sagte Antje Runge am späten Sonntagabend. Mit einem klaren Ziel vor Augen, an das sie glaubt. An ihrer Richtung wird sie mit Blick auf die Stichwahl nichts ändern, „ich bin offen für alle, die sich für mein Programm und meine Ideen einsetzen“, jetzt gelte es, diejenigen zu erreichen, die bisher andere gewählt haben. „Mit mir regiert das Wir“, es war ihr wichtigstes Wahlmotto, „gerecht, nachhaltig, wirtschaftsstark“ waren weitere wichtige Schlagworte. „Ich bin zuversichtlich, dass ich bald als erste Frau Bürgermeisterin bin.“ Knapp 20 600 Bürger haben ihr Stimmrecht wahrgenommen, das ist eine Quote von 60,2 Prozent, deutlich höher als bei der letzten Stichwahl, als sich der scheidende Amtsinhaber Hans-Georg Brum (SPD) 2015 gegen Thorsten Schorr (CDU) klar durchgesetzt hatte. Damals waren 48 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen.

„Der erste Verlierer“

„Ich bin wohl der erste Verlierer“, musste der 46-jährige hauptamtliche Stadtrat der Grünen, Christof Fink, am späten Sonntagabend kon- statieren, als es kaum noch einen Hoffnungsschimmer für ihn gab. Der erste große und für viele Beobachter überraschende Verlierer. Enttäuschung, Überraschung, fast Unglauben nannte Fink in einem ersten Statement in seiner gewohnt sachlichen Analyse. „Ich hatte mir schon mehr ausgerechnet“, so Fink, auch Stimmen erhofft „über das grüne Wählerpotenzial hinaus“. Am Ende lag er sogar weit darunter, wenn man auf die Trendergebnisse bei der Stadtverordnetenwahl und der Kreiswahl blickte. Da kratzten die Grünen zwischenzeitlich sogar an den 30-Prozent-Marken, ihren Spitzenmann ließen die Wähler zum Teil links und rechts des Weges liegen. Er sei wohl „zu sachlich geblieben“ und habe den Wahlkampf „zu wenig emotional geführt“, analysierte Fink selbstkritisch. In einem Wahlkampf, der unter Corona-Bedingungen „schwer zu führen war“ und in dem fast alle Kandidaten versucht hätten, sich darin zu überbieten, „wer der grünere Grüne“ sei.

Mit gestärkter Brust geht Tagessieger Carsten Trumpp in die Stichwahl in knapp zehn Tagen. Für den neuen Hoffnungsträger der Christdemokraten nach 18 Jahren „SPD-Herrschaft“ im Rathaus hat die CDU eine intensive Wahlkampagne gefahren. Trumpp, der erst einen Tag vor Bekanntgabe seiner Kandidatur in die Partei eingetreten ist, war gefühlt die präsenteste Figur im plakativen Wahlkampf, seinen Sieg in der ersten Runde bezeichnete er am Wahlabend angesichts mehrerer „harter und starker Kandidaten“ als „keine Selbstverständlichkeit. Das hätte auch knapp anders ausgehen können. Ich bin zufrieden.“ Sein Wahlergebnis passt zum Trendergebnis bei der Gemeindewahl, er habe „die CDU-Wählerschaft erreicht“, freute sich der stets gelassen wirkende Verwaltungsmann, der den Sprung vom Einwohneramt im ersten Stock in das Bürgermeisterbüro im fünften Stock des Rathauses anstrebt. Am Sonntag hat er noch einen „schönen Mittagsschlaf“ gehalten, danach im Kreis der Familie die Auszählung der Stimmen am Bildschirm verfolgt. Trumpp kündigt „zwei intensive, arbeitsreiche Wochen“ an, nach dem Ausscheiden von Christof Fink spekuliert er unter anderem auf dessen Klientel. Trumpp: „Ich habe auch grüne Themen, der geneigte Grünenwähler kann auch mich wählen.“ An neue Koalitionen im Parlament denke er noch nicht.

„Mehr erwartet“

„Man träumt natürlich von mehr“, sagte Michael Planer (FDP) angesichts seiner zehn Prozent Wählerstimmen. Etwa von 17,4 Prozent, die er in „seinem Ortsteil“ Oberstedten erreicht hat, da bekam der Begriff Persönlichkeitswahl für ihn Bestätigung. „Eine realistische Wertung im gesamtpolitischen Umfeld“ nennt der 45-jährige IT-Projektmanager sein Ergebnis, seine Ideen will er weiterhin im Stadtparlament einbringen. „Gute Ideen können sich durchsetzen“, vor allem am Traum von der Kleinmarkthalle auf dem Epinay-Platz wird er festhalten. Und hat dafür auch schon Fürsprecher aus anderen Parteien.

„Ein bisschen mehr erwartet“, hat auch Andreas Bernhardt (OBG). Angesichts „ähnlicher Vorstellungen“ bei vielen Themen im Vergleich mit CDU und FDP sei es schwer gewesen, „die Unterschiede aufzuzeigen“. Da habe die jeweilige Partei im Hintergrund eine größere Rolle gespielt als die Person. „Eine große Partei im Hintergrund“ hat auch dem unabhängigen Kandidaten Dirk Müller-Kästner gefehlt. Knapp an der „Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, die hätte ich schon gerne gehabt“, so der Redakteur, der sein Engagement nun wieder ganz auf die Kultur- und Vereinsarbeit in der Stadt konzentrieren wird, für die ihm von allen Respekt und Anerkennung gezollt wird.



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