Unterrichtsstunde in Demokratie mit dem Ministerpräsidenten

Franziska Hechler, Denise Janko und Christoph Gründer moderieren das Gespräch von Volker Bouffier mit den Schülern, das immer auf Augenhöhe verläuft. Foto: bg

Oberursel (bg). In aller Herrgottsfrühe hatte sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier auf den Weg nach Oberursel gemacht. Sein Ziel: die Hochtaunusschule (HTS). Dort diskutierte er mit fast 200 Schülern unterschiedlicher Schulformen und Jahrgangsstufen. Unter dem Titel „Politik zum Anfassen“ hatten schon in früheren Jahren hochrangige Politiker die HTS besucht und den Jugendlichen Rede und Antwort gestanden. Zum Konzept dieser Veranstaltungsreihe gehört es, dass die Fragen der jungen Leute im Mittelpunkt stehen. Volker Bouffier machte eine gute Figur. Schwierige Problemfelder wie der schnelle Internetausbau lassen sich nicht in einer Minute abhandeln, aber ihm gelang es auf die unterschiedlichen Themen in der gebotenen Kürze einzugehen und dabei klare Position zu beziehen.

Die Veranstaltung war geplant und gut vorbereitet worden von Schülern des beruflichen Gymnasiums aus den Klassen 12 und 13. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Dr. Cornelia Wagner und Barbara Finkeldey hatten sie für das Gespräch mit Volker Bouffier fünf Themen ausgewählt, zu denen sie ihn befragen wollten. Das waren „Artikel 17 EU-Recht zum Urheberrecht“, „Legalisierung von Cannabis“, „Internetausbau“, „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs“ und „Aktuelles“. Dafür gab es ein Zeitfenster von 90 Minuten, das exakt eingehalten wurde. Die Diskussionsleitung lag in den Händen von Franziska Hechler, Denise Janko und Christoph Gründer. Sie saßen mit dem Ministerpräsident an einem Tisch und präsentierten ihm die Fragen. Abwechselnd wurde nun eine Karte aus dem großen Stapel gezogen oder eine direkte Frage aus dem Plenum gewählt, die Volker Bouffier zu beantworten hatte. Das Gespräch mit dem Landesvater war eine Lehrstunde der Demokratie und verlief immer auf Augenhöhe.

Zum „Artikel 17 EU-Recht zum Urheberrecht“ unterstrich Bouffier, wie wichtig es sei, die Urheber EU-weit rechtlich zu schützen. Ausdrücklich warnte er vor den Gefahren von Canabis, erklärte sachkundig, woran es hängt, dass der Internetausbau so langsam vorankommt und warum es unklug wäre, den Markt für alle Anbieter zu öffnen. Die Telekom habe Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur und der Sendemast gesteckt, wenn andere Anbieter diese nutzen wollten, müssten sie Nutzungsentgelte zahlen.

Warum Nahverkehr so teuer sei, erläuterte Bouffier am Schülerticket, von dem jeder im Raum profitiere. Das löst aber längst nicht alle Probleme. Auf dem flachen Land sei man oft auf ein Auto angewiesen. Es müssten Querverbindungen geschaffen werden, wie durch die Regional-Tangente-West, die Taktzeiten müssen verbessert werden, Bürgerbusse, Sammeltaxis sollen nach seinen Vorstellungen helfen, die Situation im ländlichen Raum zu verbessen. Rad-Schnellwege würden gebaut, aber das Planungsrecht sei sehr kompliziert. Das Land habe dazu ein Programm aufgelegt, die Kommunen müssten es umsetzen und die Gelder abrufen. Bei jedem Vorhaben gebe es sofort Klagen von Bürgerinitiativen. „Wir leben hier in Freiheit in einer Demokratie, da ist vieles sehr kompliziert und langwierig.“

Das Tempolimit werde sehr emotional diskutiert, stelle Bouffier fest. Tatsache sei, dass es bereits auf 90 Prozent aller Straßen ein Tempolimit oder Richtgeschwindigkeiten gebe. Er sei kein Freund von Verboten und setze auf intelligente Verkehrsregelungen. Die E-Mobilität sieht Bouffier als Zwischentechnologie. Die technische Entwicklung müsse offen gestaltet, alternative Antriebsstoffe müssten entwickelt werden. Dabei verwies er auf Öko-Diesel, Kraftstoffe auf synthetischer Basis oder Hybrid-Motoren. Er berichtete vom neuen Kompetenzzentrum, das in der Nähe des Flughafens in Gateway Gardens entsteht.

Die Frage Bahn-Ticket oder Billigflieger beantwortete Bouffier aufrichtig, dass er sich für die billigere Variante entscheiden würde. „Wir können das Fliegen nicht verbieten, aber wir sind auf dem Weg der Umsteuerung“, etwa durch eine Halbuerung der Mehrwertsteuer für die Bahn. Gleichzeitig müssten Inlandsflüge höher besteuert werden. „Wir können den Klimawandel nicht ignorieren, der Prozess braucht aber seine Zeit“, so Volker Bouffier.



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