Verjüngungskonzept für den Stadtwald Oberursel

Über die Kalamitätsfläche, Abteilung 36, an den Altenhöfen oberhalb der Emminghaushütte bietet sich ein offener Blick auf die Skyline von Frankfurt. Foto: K. Kempf

Oberursel (ow). Der Oberurseler Stadtwald befindet sich – wie die meisten hessischen Wälder – nach trocken-heißer Witterung und Borkenkäferbefall in einem schlechten Zustand. Ursachen hierfür sind Trockenstress, Trockenschäden, Temperaturanstieg, Rückgang der Niederschläge, anders verteilte Niederschläge sowie extreme Wetterereignisse wie Sturm und Starkregen. Außerdem sind massive Trockenschäden an vielen Baumarten zu verzeichnen. Durch die Trockenheit in den Sommermonaten steigt auch die Waldbrandgefahr.

„Unsere Wälder sind im besonderen Maß vom Klimawandel betroffen und werden in Zukunft noch stärker von Witterungsextremen wie Trockenheit, Hitze und Schädlingen heimgesucht werden. Daher ist es wichtig, unseren Stadtwald für die Zukunft fit zu machen“, sagt Luis Kriszeleit, Forstingenieur, Wildtierbiologe und für den BSO als Förster für den Oberurseler Stadtwald zuständig. „Unser Ziel ist es, einen artenreichen, klimatoleranten, standortgerechten und stabilen Mischwald aufzubauen, in dem die Naturverjüngung ohne Entmischung durch Wildverbiss artenreich auftreten und sich der Wald somit in Zukunft selbständig verjüngen kann.“

Kriszeleit verfolgt mehrere kurz-, mittel- und langfristige Strategien, um die Flächen in ihrer Funktion zu erhalten und dem Klimawandel anzupassen sind. Der Oberurseler Stadtwald muss zuvorderst in Teilen weiter klimatolerant umgebaut werden. Dies bedeutet einen massiven Umbau der ehemaligen Fichtenreinbestandsflächen und den Aufbau eines klimatoleranten Mischwalds, der sich den Klimaveränderungen anpassen kann. Die waldbauliche Zielsetzung in Oberursel ist es, keine Reihenbestände mehr zu begründen und mindestens vier Baumarten in den zukünftigen Beständen zu etablieren. Dies bedeutet, gemischte und gestufte Bestände aufzubauen, wie auch die jagdlichen und betrieblichen Ziele dem Klimawandel anzupassen.

Durch die Risikostreuung des Vier-Baumarten-Konzepts setzt man auf verschiedene Baumarten, da in Zukunft noch nicht sicher ist, wie die einzelnen Arten weiter mit dem Klimawandel zurechtkommen. Zum größten Teil sollen standortangepasste, heimische Bäume verwendet werden, die zur natürlichen Waldgesellschaft passen. Bei der Aufforstung können auch nicht heimische und klimastabile Baumarten berücksichtigt werden, wie etwa die Douglasie.

Zu schnelle Aufforstungsmaßnahmen sollten nicht getroffen werden. Vielmehr sollte abgewartet werden, welches Potenzial die natürliche Verjüngung haben wird. Aufforstungsmaßnahmen sollten behutsam und wohlüberlegt durchgeführt werden, da hohe Risiken eingegangen werden und enorme Kosten anfallen. Zu den Risiken gehören außer dem Klimawandel auch Schädlinge (Insekten, Pilze, Mäuse), Wild, Konkurrenzvegetation (Brombeere, Adlerfarn). Es wird ein enormer Personalaufwand für die Pflege und den Schutz der aufgeforsteten Flächen anfallen.

Als Verjüngungsarten kommen grundsätzlich die Naturverjüngung (natürliche Verjüngung) sowie die Saat und Pflanzung (künstliche Verjüngung) in Frage. Die Naturverjüngung eignet sich, wenn standortgerechte und vitale, qualitativ gut veranlagte Baumarten (Mutterbäume) als potenzielle Samenbäume vorhanden sind. Die Naturverjüngung hat ökologische und wirtschaftliche Vorteile im Vergleich zu den anderen, künstlichen Verjüngungsarten. Es fallen keine hohen Kosten für die Baumschulpflanzen sowie die Pflanzung oder die Saat an. Dies spart Zeit und Geld. Außerdem findet dadurch eine geringere Störung im Ökosystem statt. Die jungen Bäume erleiden keinen Pflanzschock und sind besser an die örtlichen Verhältnisse wie Standort und Klima angepasst. Dadurch können sich die Wurzeln ungestört entwickeln und tiefere Bodenschichten erreichen. Das macht den zukünftigen Bestand stabiler. Zudem werden eine viel höhere Anzahl von Nachkommenindividuen auf die Fläche gebracht, als es mit einer Pflanzung möglich wäre. Vorteil der Naturverjüngung ist es, dass nicht alle Bäume gleichmäßig, sondern im Höhenwachstum differenziert wachsen. Sie werden feinastiger und stabiler.

Auf vielen Kalamitätsflächen in Oberursel kann auf die Naturverjüngung gesetzt werden, da der Oberurseler Stadtwald ein sehr breites Baumartenspektrum hat und somit viele potentielle Samenbäume bietet. Unter Naturverjüngung ist die Selbstaussamung wie Aufschlag (nicht flugfähige Samen wie Eiche, Buche und Esskastanie), Anflug (flugfähige Samen wie Fichte, Kiefer, Birke und Ahorn) oder die vegetative Vermehrung durch Stockausschlag oder Wurzelbrut zu verstehen. Dies trifft vor allem auf die tieferen, stadtnahen Lagen im Oberurseler Stadtwald zu. Zu späteren Zeitpunkten können weitere Baumarten durch Ergänzungspflanzungen eingebracht werden, um das Baumartenspektrum zu erhöhen. Außerdem ist eine Bepflanzung von Fehlstellen in der Naturverjüngung möglich.

Eine Besonderheit in Oberursel bildet die Esskastanie, die als mediterrane Baumart mit dem Klimawandel sehr gut zurechtkommt. Die Esskastanie ist wärmeliebend und wurde von den Römern in Mitteleuropa verbreitet. Auf den Flächen rund um den Schulwald stellt sich schon die erste Naturverjüngung ein. Die Esskastanie ist hier eine Baumart, die sich sehr gut verjüngt. Darüber hinaus sind schon weitere Baumarten aufgelaufen wie Eiche, Lärche, Kiefer, Fichte und die Pionierbaumarten Birke, Weide, Aspe und Vogelbeere. Auch ein Vorwald aus schnellwachsenden Pionierbaumarten bietet Schutz vor Frost und Hitze und ermöglicht später das Einbringen von Hauptbaumarten unter dem Schutz des Vorwalds (Schirm).

Auf großflächige Pflanzungen wird nur dort gesetzt, wo Baumarten als Samenbäume fehlen oder sich keine Verjüngung aus den gewünschten Baumarten einstellt. Dies zeigt sich vor allem in den höheren Lagen im Stadtwald. Dieses Frühjahr konnten bereits über 8000 Forstsetzlinge gepflanzt werden unter Leitung des BSO-Forstteams und mit Unterstützung professioneller Forstunternehmen, die auf Pflanzung spezialisiert sind.

Ein Großteil der Pflanzmaßnahme hat in Kooperation mit dem Bergwaldprojekt und der Commerzbank stattgefunden. Hier wurden 7500 junge, standortheimische Bäume, die im Rahmen des ökologischen Waldumbaus gesetzt wurden, gepflanzt. Es wurden 3000 Eichen, 1000 Winterlinden, 1000 Spitzahorne, 1000 Vogelkirschen, 1000 Bergahorne, 200 Esskastanien, 200 Speierlinge und 200 Elsbeeren gepflanzt.

Die Mehrheitsentscheidung fiel auf die Eiche, da es sich hier um eine bestandsstabilisierende Mischbaumart handelt, die eine günstige Klimaprognose zeigt und äußerst wärme- und trockenheitstolerant ist. Die Eiche ist die zweitwichtigste Laubbaumart nach der Buche. Sie ist eine ökologisch wichtige Baumart, die auch für den Naturschutz besonders relevant ist. Die Winterlinde als Schattlaubholz wird als dienender Nebenbestand zur Eiche und Esskastanie gepflanzt. Zu den Eichen, Esskastanien und Winterlinden wird sich Vogelbeere, Birke, Aspe und Weide als Naturverjüngung einstellen, die als Füll- und Treibholz dienen. Die Vogelkirsche, der Speierling und die Elsbeere gehören zum Wildobst und sind früchtetragende Edellaubhölzer. Das Wildobst dient Wildtieren wie Mardern, Dachsen, Igeln, Bilchen sowie Insekten (Bienenweide) als Nahrung und ist deshalb ökologisch sehr wertvoll. Das Wildobst ist wärmeliebend und lässt sich gut mit der Eiche vergesellschaften.

Es wurden zwei große, gezäunte Forstkulturen angelegt. Die Pflanzflächen befinden sich in der Waldabteilung 32 (obere Hünerbergwiese und unterhalb der Emminghaushütte) des Oberurseler Stadtwaldes, die besonders von der Borkenkäferkalamität betroffen sind. Der Zaun ist zwei Meter hoch und dient zum Schutz vor dem Wild. Auf großflächige Pflanzungen wird nur dort gesetzt, wo Baumarten als Samenbäume fehlen oder sich keine Verjüngung aus den gewünschten Baumarten einstellt. Dies zeigt sich vor allem in den höheren Lagen im Stadtwald Oberursel.

Zusätzlich wurden Weißtannen und Douglasien im Einzelschutz trupp- bis gruppenweise (30 bis 50 Stück) auf geeigneten Standorten durch die Forstwirte des BSO eingebracht. Die Weißtanne, die auch Edeltanne genannt wird, ist eine Baumart, die eine hohe Wurzelenergie aufweist und mit ihrer Pfahlwurzel in der Lage ist, Wasser in tieferen Schichten zu erreichen. Die Tanne bietet sich als Misch-baumart zur Buche und Fichte an und ist in den hören Lagen des Stadtwalds als Ergänzungspflanzung gepflanzt worden, um eine weitere Baumart einzubringen. Da die Weißtanne sehr anfällig für Wildverbiss ist, kann sie nur im Einzelschutz gepflanzt werden. Die Douglasie ist die wichtigste, fremdländische Baumart, die über sehr gute Wuchsleistungen verfügt und zudem wesentlich trockenheitsresistenter ist als die Fichte. Da die Douglasie sehr empfindlich auf die Pflanzung reagiert, wird sie in sogenannten Wuchshüllen gepflanzt. Bei den Wuchshüllen handelt es sich um lichtdurchlässige Röhren, die ein günstiges Innenklima schaffen und zudem noch vor Wildverbiss schützen.

Eine weitere Variante der Verjüngung von Waldbeständen stellt die Wildlingsgewinnung dar, die im Stadtwald dieses Jahr ebenfalls zum Einsatz kommen wird. Die natürliche Verjüngung der Wälder bietet einen unerschöpflichen Vorrat an jungen Pflanzen. Doch nicht überall läuft die gewünschte Verjüngung auf, da die Samenbäume fehlen. Deshalb werden Wildlinge aus Naturverjüngung gewonnen und an den gewünschten Stellen wieder eingesetzt. Die Wildlingsgewinnung stellt im Vergleich zur Baumschulpflanzenware eine kostengünstige und herkunftsgerechte Alternative dar.

Eine Reihe von Vorteilen spricht für die Wildlinge: gesicherte Herkunft, pflanzfrisch, ständige Verfügbarkeit und die Kostenreduktion. Hierbei dürfen nur Wildlinge aus dem eigenen Forstbetrieb verwendet werden, da sie nicht dem forstlichen Vermehrungsgutgesetz unterliegen. Es werden Wildlinge aus den tieferen Lagen des Stadtwalds, etwa von der Esskastanie und der Küstentanne, ausgepflanzt, die in den höheren Lagen fehlen. Außerdem wurde das gesammelte und abgegebene Saatgut von den Oberurseler Bürgern sowie Schulklassen vom BSO ausgebracht.

Auch dieses Jahr werden „kleine und große Saatgutsammler“ im Herbst als Waldhelfer gesucht. Hier können Oberurseler Bürger wie auch Schul- und Kindergartenkinder helfen, die Samen und Früchte der Bäume (Eicheln, Esskastanien und Bucheckern) zu sammeln und auf den Schadflächen auszubringen oder dem BSO zur Verfügung stellen, der dann das Saatgut ausbringt. Ziel ist es, durch das Verteilen der Samen fehlende Mischbaumarten auf die Fläche zu bringen. Auf den Schadflächen fehlen die Baumarten Eiche und Esskastanie.

Im Herbst ist eine weitere, große Pflanzmaßnahme in Kooperation mit der Raiffeisenbank Hochtaunus in Planung. Hier soll eine Forstkultur mit Eiche, Winterlinde und Hainbuche angelegt werden. Darüber hinaus haben sich verschiedene Oberurseler Handwerksbetriebe bereit erklärt, den Stadtwald bei der Wiederaufforstung zu unterstützen. Zudem erhält das BSO-Forstteam im August Unterstützung von drei Auszubildenden im Lehrberuf Forstwirt.

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