Verschwindet die Fichte aus dem Oberurseler Stadtwald?

Nachhilfeunterricht in Sachen Borkenkäfer für die SPD-Ferienfraktion (v. l.): Eggert Winter, Wolfgang Burchard, Angela Hertel und Silke Welteke. Foto: bg

Oberursel (bg). Ist der Wald noch zu retten? Wie kann die Politik helfend eingreifen? Um Antworten zu finden, machte sich die SPD-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Dr. Eggert Winter an der Spitze auf den Weg in den Stadtwald. Dort sind große Flächen durch die rasante Ausbreitung des Borkenkäfers bedroht. Hitze, Trockenheit machen vor allem der Fichte schwer zu schaffen, da hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. Begleitet wurde die Gruppe von Luis Kriszeleit.

Der Forstingenieur und Waldtierbiologe ist beim BSO für den Forstbetrieb zuständig. Große Bestände an Fichten, gut 3000 Festmeter, wurden bereits gefällt, um den Borkenkäfer zu stoppen. Eigentlich in der Taiga zu Hause, ist es für die Fichte in unseren Breitengraden zu warm und vor allem zu trocken. Wenn das Klima sich weiter aufheizt, wird die Fichte langfristig hier nicht zu halten sein, schätzt Kriszeleit. Er hat eine Baumkarte mitgebracht. „Wir stehen jetzt hier“, sagt er am Ende des Altenhöfer Wegs. Das Gebiet ist blau schraffiert, die Farbe steht für die Fichte, dunkelblau für besondere alte Fichtenbestände. Da wütet gerade der Borkenkärfer mit aller Macht. Um das Ausmaß der Schäden sich anzusehen, mussten die Wanderer nur ein kurzes Stück in Wald laufen. „Wir gehen jetzt zur Abteilung 3, das ist mit 25 Hektar die größte im Stadtwald, und hier stehen vorwiegend Fichten, die zwischen 80 und 120 Jahre alt sind.“ Der Stadtwald ist gut 750 Hektar groß, ein Viertel der Bäume sind Fichten. Wenn ein Baum vom Borkenkäfer befallen ist, muss er gefällt werden. Regelmäßig macht Kriszeleit Kontrollgänge und markiert die Bäume, die befallen sind.

Schwere Harvester fällen, entasten, und legen die geernteten Stämme am Rand ab. Der Förster weist auf Fichtenstämme am Wegrand, die zwölf Meter lang sind. Das ist die Container-Länge. Sie werden direkt auf Lkw-Container verladen, kommen über Aschaffenburg nach Rotterdam und werden als Seecontainer nach China verschifft. „Aus unserem Stadtwald sind durch den Schädlings-Befall schon rund 70 Seecontainer auf dem Weg nach China“, so der Waldkümmerer. Früher bekam man für einen Festmeter Fichtenholz fast 100 Euro, jetzt gerade mal 30 Euro. „Wenn wir die Kosten für den Harvester, Absperrmaßnahmen und Wegesicherung aufrechnen, machen wir nur Verluste.“ Er schätzt den Schaden auf 400 000 Euro.

„Eigentlich hätten die Fichtenbestände schon seit Jahren mit anderen Bäumen unterbaut werden müssen“, sagt er, „dann wären die Schäden nicht so dramatisch“. Eiche, Buche und Kastanien seien für die klimatischen Verhältnisse am besten geeignet. Aber beim Wald fahren die Ernte nachfolgende Generationen ein. „Aufforstung kostet Geld, einige Abteilungen unseres Stadtwaldes überlassen wir ihrem Schicksal und greifen nicht ein, es entstehen wieder Urwälder.“ Vor gut 100 Jahren wurden Mono-Kulturen angelegt. Die Fichte ist ein schnell wachsender Baum, der sich gut vermarkten lässt. „Damals wurde der Wald als reines Wirtschaftsgut betrachtet, heute spielt der Naherholungswert, die reine Luft eine große Rolle“.

Es ist ein großes Logistikproblem, alle befallenen Gebiete zu schnell wie möglich zu roden, um dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten, weil alle Forstbetriebe betroffen sind. Der Borkenkäfer, so erfahren die Wanderer, ist ein rindenbrütendes Insekt. Das Männchen legt einen „Rammelgang“ an und lockt die Weibchen herbei. Die legen im „Muttergang“ gut 100 Eier ab. Ist ein Baum befallen, gibt es keine Rettung mehr. Er muss weggeschafft werden auf eine Distanz von 500 Meter bis zur nächsten Fichte. Im gesamten Stadtgebiet sind die Fichten befallen, zu erkennen am Einbohrloch und an dem braunen Mehl, das am Fuß des Stamms zu sehen ist. Der Borkenkäfer bevorzugt die Waldränder, er frisst die Rinde und den Bast, bei Windstille kann man ihn sogar fressen hören.

Laut Kriszeleit, einem Orscheler Bub, der sich mit Herzblut für den Stadtwald engagiert und gemeinsam mit einem Kollegen versucht, dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten, ist es eine Herkules-Aufgabe. Ein dritter Mann wäre dringend notwendig, aber der Markt sei leergefegt. Öffentlichkeitsarbeit ist ihm ganz wichtig. Er möchte die Menschen für die Probleme des Waldes sensibilisieren. „Damit kann man nicht früh genug angefangen“, meint er und engagiert sich deshalb auch in dem Projekt Häschenschule, wo neben vielen Schulklassen auch schon Kindergartenkinder viel über den Wald erfahren.

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