Stadtparlament tagt trotz Ausgangsbeschränkungen

Oberursel (ach). Die Menschen sollen zu Hause bleiben, Kontakte meiden, Abstand halten, und sie dürfen sich nur im Familienkreis oder mit einer weiteren Person auf öffentlichen Plätzen aufhalten. Der Coronavirus hat das öffentliche und gesellschaftliche Leben fast vollständig zum Erliegen gebracht. Da erscheint es vielen anachronistisch, dass am Donnerstag, 26. März, die Stadtverordnetenversammlung zusammentritt. Bad Homburg, Steinbach und andere Nachbarstädte sagen die Sitzungen ihrer Kommunalparlamente ab. Geht es um das Schicksal der Stadt? Werden die Stadtverordneten zu Hause vor die Tür geschickt, damit ihre Familien oder Partner wenigstens ein paar Stunden durchatmen können? Oder sind es einfach unverbesserliche Wichtigtuer?

„Es gibt tatächlich Notwendigkeiten für die Sitzung“, sagt Stadtverordnetenvorsteher Gerd Krämer. „Die Stadt muss handlungsfähig bleiben.“ Und das ist sie nur mit einem gültigen Haushalt. Deshalb steht unter den Magistratsvorlagen als Punkt 6 auf der Tagesordnung II der „Beitrittsbeschluss zur Änderung der Haushaltssatzung 2020“. Es geht darum, dass die Kommunalaufsicht Änderungen am Haushalt fordert. „Alle Fraktionen sind dafür, dass diese Änderungen vorgenommen werden, aber dazu muss der erforderliche Beschluss gefasst werden, sonst haben wir keinen gültigen Haushalt“, erklärt Krämer. „Es ist unstrittig, dass das nicht passieren darf.“

Die Kommunalaufsicht habe auch Änderungen in den Haushalten von Bad Homburg und Steinbach verlangt. Doch in diesen Städten hätten die Ausschüsse nicht mehr getagt, und anders als in Oberursel gebe es dort keine Magistratsvorlagen. Das Gesetz verpflichtet den Stadtverordnetenvorsteher, eine Sitzung einzuberufen, wenn eine bestimmte Anzahl der Stadtverordneten, der Bürgermeister oder der Magistrat dies verlange. Und eine Beschlussvorlage des Magistrats sei als solches Verlangen des Magistrats zu verstehen, so Krämer. Der hessische Städtetag habe dies auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt. Und der Hochtaunuskreis habe in einer allgemeinen Verfügung klargestellt, dass für gesetzliche Gremien das Versammlungsverbot nicht gilt. Weil es eine Verordnung des Landes über eine Befreiung bei gesundheitlichen Gefährdungen nicht gibt, herrsche bei der Sitzung sogar Anwesenheitspflicht.

Um die Dauer der Sitzung und die Gefährdung der Stadtverordneten so gering wie möglich zu halten, hat man sich im Ältestenrat darauf geeinigt, dass nur unstrittige Tagesordnungspunkte ohne Aussprache abgestimmt werden. Alles andere – Mitteilungen, Fragestunde mit Zusatzfragen und ähnliches – wird schriftlich erledigt. Da sich die Fraktionen auf ein Pairing geeinigt haben, genügt die Anwesenheit von 23 der 46 Stadtverordneten aus, sodass jeder einen eigenen Tisch hat und der Sicherheitsabstand gewahrt wird. Trotz der besonderen Situation muss der Stadtverordnetenvorsteher die Öffentlichkeit herstellen. „Ich freue mich ja sonst über jeden Besucher bei den Sitzungen, aber diesmal sollte niemand kommen“, so Krämer. Falls doch: Auch bei den Zuschauerplätzen wird auf einen Zwei-Meter-Abstand geachtet. 

Da niemand weiß, wie es mit dem Coronavirus weitergeht, und ob die nächste Parlamentssitzung am 14. Mai stattfinden kann, bedient sich das Stadtparlament der von der hessischen Gemeindeordnung vorgesehenen Möglichkeit, dem Hauptausschuss weitgehend die Aufgaben und Befugnisse der Stadtverordnetenversammlung zu übertragen. Mit Ausnahme der Haushaltsaufstellung und der Wahl eines Ersten Stadtrats können die acht Mitglieder des Hauptausschusses bis hin zu Grundstücksgeschäften bis zu einem bestimmten Wert das Gesamtparlament vertreten. Krämer: „Es könnte ja sein, dass Mitglieder des Parlaments sich infizieren oder unter Quarantäne gestellt werden. Die Demokratie muss handlungsfähig bleiben.“

Das funktioniert notfalls auch ohne Bürgermeister. Denn Hans-Georg Brum wird an der Sitzung nicht teilnehmen. Seit er am Wochenende von seiner Brasilienreise zurückgekehrt ist, befindet er sich vorsorglich für zwei Wochen in häuslicher Quarantäne. Es geht ihm gut, und er hat die Arbeit im Homeoffice bereits aufgenommen. Während er von zu Hause aus arbeitet, wird Erster Stadtrat Christof Fink für weitere zwei Wochen die Amtsgeschäfte führen – mit Unterstützung des Bürgermeisters.



X