„Wenn wir nicht entschlossen handeln, versinkt Lüneburg“

Hochtaunus (ab). Als einzige Kandidatin, die für diese Artikelserie angesprochen wurde, nahm sich Verena David die Zeit für ein persönliches Interview. Der Interview-Leitfaden gab die Struktur des Gesprächs vor, sodass es um die gleichen Fragen ging, die von den anderen Kandidaten schriftlich beantwortet wurden. David gibt an, dass das Thema Klimaschutz eines ihrer vier Schwerpunktthemen im Falle einer erfolgreichen Kandidatur darstelle. Weitere Prioritäten setze sie bei Grundrechten, Europäischer Verteidigungspolitik und „Sozialer Marktwirtschaft 4.0“.

Die Realität des menschenverursachten Klimawandels bestätigt David. Sie verweist auf die übereinstimmenden Experteneinschätzungen. Die EU habe deshalb mit anderen Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen ausgehandelt. Für die Juristin ist das Thema auch eine persönliche Sache: „Ich stamme aus einer Familie von Berufsgärtnern. Dass sich das Klima seit Jahren verändert, ist bei vielen Familientreffen ein Thema aus eigenem Erleben“, sagt sie. Und ergänzt: „Genauso lange werden dort die Maßnahmen der EU kontrovers diskutiert, etwa die schrittweise Verschärfung beim Einsatz von Pestiziden.“

Global sieht die CDU-Kandidatin die Folgen des Klimawandels als umfassend und verheerend an. Der Verlust von Lebensräumen, Tier- und Pflanzenarten, die Zunahme bewaffneter Konflikte und klimatisch erzwungener Migration sowie Wetterextreme – die Liste lässt sich fortsetzen. Für das Rhein-Main-Gebiet, wo ihr Wahlkreis liegt, erwartet sie vor allem mehr Wetterextreme wie Hitze und Dürren. Eine weitere Folge berührt sie persönlich: „Ich stamme aus Lüneburg und das liegt 17 Meter über dem aktuellen Meeresspiegel. Wenn infolge des Klimawandels der Meeresspiegel bis zu 60 Meter ansteigt, wird meine Heimatstadt mit vielen anderen norddeutschen Städten in der Nordsee versinken!“ Daher begrüßt David die „Fridays-for-Future“-Bewegung der streikenden Schüler. Allerdings bleibe abzuwarten, ob die von der Jugend geforderten Konsequenzen auch von allen mitgetragen werden. Sie betrachtet es als fair, dass die Automobilindustrie die finanzielle Verantwortung für den Dieselbetrug übernimmt. „Die machen so große Gewinne…“. Politik und die Verwaltung müssten auch bei den Konzernen das geltende (Umwelt-)Recht durchsetzen.

Weltweit seien höchste Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasen gefordert sind. David sieht die Industrienationen negativ vorn bei den Emissionsmengen, aber auch technologisch, um wirksam gegenzusteuern. Ein Beispiel aus ihrer Erfahrung in der Frankfurter Kommunalpolitik sei der Neubau des Klinikums in Höchst, das als erste Passivhaus-Klinik weltweit errichtet wird. „Anfangs war das sehr umstritten, jetzt kommen Fachleute aus aller Welt, die sich das anschauen wollen.“ Auch die Region habe Potential, vor allem was den Ausbau des Radverkehrs und des ÖPNV angehe. „Die Regionaltangenten sind so wichtig, ich kann nicht verstehen, dass Kommunen wie Eschborn sich dabei so lange gesträubt haben. Das Bewusstsein der Bürger ist jedenfalls hoch.“ Auch die Tarifpolitik des RMV und die klimasensible Qualifizierung von Lehrern seien sehr wichtig.

David fordert schnelle und starke Reduzierungen der Treibhausgase – „auch wenn es unbequem ist. Wir verbrauchen globale Ressourcen, die nicht endlos verfügbar sind.“ Weltweites Handeln sei erforderlich, um etwa den Kohleausstieg umzusetzen. Jedoch: „Die CDU tritt an, um Arbeitsplätze in den Branchen zu bewahren, etwa indem die Beschäftigten umqualifiziert werden.“ Da erkennt sie Übereinstimmung mit den Gewerkschaften, die Umschulungssubventionen für die Regionen fordern, in denen der Kohleausstieg Arbeitsplätze gefährdet.

Braucht es mehr strenge Verbote oder reichen Freiwilligkeit und guter Wille für den erforderlichen Wandel in Produktion und Konsum? David ist unentschieden. Einerseits verweist sie auf die Öko-Design-Richtlinie der EU, die bei vielen Alltagsgegenständen bereits zu effektiven Einsparungen führt – von Glühlampenverboten bis hin zu Duschköpfen, die weniger Wasser verbrauchen. Andererseits sagt sie: „Verbote greifen zu kurz, noch mehr Regularien sind nicht erforderlich. Vielmehr brauchen wir Innovationen.“ Damit meint sie, dass technische und wirtschaftliche Entwicklungen erforderlich seien, aus denen ökologische Fortschritte folgen sollen. Etwa Forschungsförderung in Sachen Batteriezellen für E-Mobilität. Auch hofft sie, dass infolge der fortschreitenden Digitalisierung Treib-hausgase reduziert werden. So könne es in Zukunft gelingen, Wirtschaftswachstum und Ökologie miteinander zu versöhnen.

Zum Thema „Verursachergerechte Kosten“ sagt David: „Die umfangreichen Agrarsubventionen machen für die Verbraucher die Preisbildung von Nahrungsmitteln schwer erkennbar. Generell aber ist es so, das hochwertige Nahrungsmittel ihren Preis haben.“ Subventionsstrukturen auf EU-Ebene seien sehr komplex und umstritten, daher sei sie vorsichtig, was die Subventionierung ökologischer Projekte angeht: „In Ostdeutschland wurden viele Windkraft- und Solaranlagen gefördert, die nach Auslaufen der Subventionen nicht kostendeckend waren und in die Insolvenz gingen.“ Hingegen seien Passivhäuser für die Eigentümer zumeist lohnende Investitionen. Um den klimafreundlichen Umbau zu finanzieren, hält David einen Maßnahmenmix für sinnvoll und sieht den größten Hebel in einer Umsteuerung der Subventionslogik, wenn Steuermittel statt in klimaschädliche Produkte in klimafreundliche umgelenkt werden.

Was empfiehlt die Wahl-Frankfurterin der Wählerschaft in Rhein-Main? „Jeder sollte das eigene Verbraucherverhalten prüfen und vermehrt auf regionale Produkte umsteigen.“ Zur Europawahl lautet ihr Plädoyer: „Wählen gehen! Europa ist auch in Sachen Klimaschutz so wichtig wie noch nie. Die Natur kennt keine Wahltermine und Fristen, und jetzt ist die letzte Chance, um auf europäischer Ebene effektiv gegenzusteuern.“



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