Gasmangellage: Hochtaunuskreis wappnet sich für alle Eventualitäten

Hochtaunuskreis. –Die Drosselung der Gaslieferungen aus Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs haben Befürchtungen aufkeimen lassen, es könne in diesem Winter nicht genügend Energie zum Heizen zur Verfügung stehen. „Dabei wird sehr viel spekuliert, leider aber nicht immer sachkundig, so dass eine spürbare Verunsicherung herrscht“, sagt Landrat Ulrich Krebs. Um dem entgegenzuwirken, will der Hochtaunuskreis einen Überblick geben, wie er sich auf den Winter vorbereitet.

Derzeit sind die Gasspeicher des Bundes zu 82 Prozent gefüllt. Das Speicherziel von 85 Prozent für Oktober scheint bereits für Anfang September in Reichweite. „Das gibt berechtigte Hoffnung, dass die Situation im Winter nicht so schlimm wird, wie von manchem vermutet“, so Landrat Ulrich Krebs. „Wir erleben zwar eine Gasmangellage, aber Gas wird auch von außerhalb Russlands nach Deutschland geliefert.“ Daher sei es unwahrscheinlich, dass die Gasspeicher komplett leer laufen. Dennoch seien Einschnitte in der Gasversorgung nicht gänzlich auszuschließen. Aus diesem Grund wolle man im Kreis für alle Eventualitäten gewappnet sein. „Wir gehen bei unseren Vorbereitungen von allen denkbaren Szenarien aus, auch von denen, von denen wir hoffen, dass sie nicht eintreten“, betont der Landrat. Deshalb habe er in den Sommermonaten viele Gespräche mit Energieversorgern geführt, um eine funktionierende Infrastruktur im Hochtaunuskreis sicherzustellen.

Wolfgang Reuber, Projektmanager für Sonderlagen im Hochtaunuskreis, ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes und arbeitet die Einsatzpläne für den Hochtaunuskreis aus. Bereits vor vier Jahren war er an einer Großübung auf Führungsebene beteiligt, bei der eine Gasmangellage im süddeutschen Raum angenommen wurde. Auf der Basis der dort gewonnenen Erkenntnisse hat er Pläne erstellt, wie im Fall der Fälle reagiert werden kann – angefangen von der Alarmkette, über die Information der Bevölkerung durch das Bürgerinformationstelefon, durch Informations- und Warn-Apps bis hin zu gezielten Lautsprecherdurchsagen. Bei Bedarf berät er auch bei der Einrichtung von Wärmeinseln in den Städten und Gemeinden, sofern dies erforderlich sein sollte.

Ein besonders wichtiges Ziel ist die Aufrechterhaltung der Patientenversorgung in den Krankenhäusern. Sichergestellt ist die Versorgung des Usinger Krankenhauses mit Holzpellets. Für die Bad Homburger Hochtaunus-Kliniken ist es gelungen, eine mobile Heizungsanlage auf Erdölbasis zu reservieren. Diese Anlage kann an das vorhandene Leitungsnetz angeschlossen und so eine Beheizung des Krankenhauses ermöglichen. Lediglich bei St. Josef in Königstein mit seiner Gasspeicherheizung könne es geschehen, dass das Krankenhaus geräumt werden müsse, dies solle aber so lange wie möglich vermieden werden.

Auch die Schulen sollen geöffnet bleiben. „Soziales Lernen kann das digitale Lernen, so wichtig das auch ist, nicht ersetzen“, ist Landrat Krebs überzeugt. Von den 59 Schulen im Hochtaunuskreis sind sieben Schulen (Philipp-Reis-Schule, Geschwister-Scholl-Schule, Grundschule im Weiltal, Buchfinkenschule, Wiesbachschule, Grundschule Am Sommerberg und Max-Ernst-Schule) unabhängig von Gas zu heizen. Weitere acht Schulen (Maria-Scholz-Schule, Hans-Thoma-Schule, Helmut-Schmidt-Schule und Paula-Fürst-Schule, Gymnasium Oberursel, Grundschule Am Kastanienhain, Grundschule Schloßborn und die Campusgebäude der Feldbergschule) sind in Kombination von Erdgas und regenerativen Energieträgern zu beheizen, berichtet Reiner Plomer vom Fachbereich Hochbau der Kreisverwaltung. In der aktuellen Lage ist ein sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen unabdingbar, mahnt Landrat Krebs. Deswegen plant der Kreis unter anderem eine Absenkung der Raumtemperatur auf maximal 20 Grad Celsius in seinen Immobilien. Gebäude aber ganz auskühlen zu lassen, könne keine Lösung sein, weiß Reiner Plomer. Denn dann sei das Wieder-Aufwärmen umso energiefressender. Außerdem soll das Warmwasser in den Sporthallen abgestellt werden. Durch sachgemäßes und regelmäßiges Leitungsspülen soll die Gefahr von Legionellen minimiert werden. Im Kreishaus wird es in den Teeküchen und an den Handwaschbecken ebenfalls kein Warmwasser mehr geben. Die Wassertemperatur im Taunusbad wird auf 26 Grad Celsius begrenzt. Zusammen mit weiteren kleineren Maßnahmen sollen auf diese Weise insgesamt 12 bis 15 Prozent weniger Energie in den kreiseigenen Immobilien verbraucht werden. Die Maßnahmen treten zum 1. September 2022 mittels Dienstanweisung in Kraft. Für die Zukunft wird der Hochtaunuskreis die Energiestandards für seine Immobilien überarbeiten. Der bereits begonnene Trend, auf fossile Brennstoffe zu verzichten, wird fortgesetzt. Klar ist aber auch, dass eine Umrüstung aller Gebäude nicht von jetzt auf gleich geschehen kann. Jedoch wird bei den laufenden Neubauten weitestgehend regenerative Energieerzeugung umgesetzt.

Ein gutes Beispiel, wie der Kreis bereits jetzt versucht, weg von den fossilen Brennstoffen zu kommen, ist die Integrierte Gesamtschule Stierstadt. Hier wird derzeit ein großer Eisspeicher gebaut, der im Zusammenhang mit Wärmepumpen zusammen mit einem Holzpelletkessel und einem Blockheizkraftwerk die neuen Gebäude beheizen wird. Der Eisspeicher hat eine Abmessung von 19 Meter mal 9 Meter mit einem Volumen von 1700 Kubikmeter. Die gesamte Wärmeleistung beträgt somit 810 kW, wovon etwa 90 Prozent durch regenerative Energie erzeugt wird. Zudem erhält das Gebäude eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 280 Quadratmetern und einer Nennleistung von insgesamt etwa 55 kWp. „Hier sind wir auf einem guten Weg, uns unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen“, so Landrat Krebs. „Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Weg in die Zukunft sein wird.“ Für die bevorstehenden Monate appelliert der Landrat an die Solidarität der Menschen im Taunus. „Wir haben in der Corona-Krise gesehen, was wir erreichen können, wenn wir zusammenstehen. Viele Härten konnten dadurch gemildert werden. Ich bitte Sie, diese Solidarität noch einmal zu zeigen und sorgsam mit Energie umzugehen. Jede eingesparte Kilowattstunde hilft, über den Winter zu kommen – und entlastet den eigenen Geldbeutel.“



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