„Lieber früher handeln als bis zum bitteren Ende warten“

Im Zoom-Interview mit Sebastian Theuner (oben rechts) sprechen sich Cathleen Dempf (oben links), Nika Ristic (unten links) und Anneke Meinhardt (unten rechts) angesichts hoher Fallzahlen für den Wechselunterricht an ihren Schulen aus. Screenshot: sth

Hochtaunus. Das Ringen um geeignete Maßnahmen an den Schulen im Zuge der Corona-Pandemie sorgt für hitzige Debatten. Schüler- wie auch Lehrer- und Elternvertreter befürworten den Übergang zur Stufe drei des Vier-Stufen-Plans der hessischen Landesregierung. Diese sieht einen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht vor, die Hälfte der Klassen würde daheimbleiben und digital am Unterricht teilnehmen. Die Landesregierung jedoch sträubt sich bisher vor einer landesweiten Regelung. Derzeit gilt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 200 als Orientierungswert für das Umschwenken auf den Wechselunterricht. Im Hochtaunuskreis lag der entsprechende Inzidenzwert, also die Anzahl der mit Sars-Cov-2-Infizierten pro 100 000 Einwohner, am 1. Dezember bei 110,5. Ajay Brar (17), Cathleen Dempf (17), Anneke Meinhardt (17) und Nika Ristic (15), Mitglieder des Kreisschülerrats Hochtaunuskreis, sprechen sich dennoch für das Wechselmodell aus. Dass Homeschooling auch Schwierigkeiten mit sich bringen kann, zeigt sich im Zoom-Gespräch mit den vier Schülern. Bei Ajay streikt zwischendurch das Internet, er kann sich erst zum Ende des Interviews wieder zuschalten. Die Fragen hat für den Hochtaunus Verlag Sebastian Theuner gestellt.

Mit was für einem Gefühl geht ihr momentan in die Schule?

Nika Ristic: Ich würde nicht sagen, dass wir Angst vor einer Ansteckung haben. Aber es wäre blöd, wenn einer von uns das Virus weitergibt, ohne es zu merken. Dieses Risiko ist immer da. Vor allem aber ist das soziale Miteinander, das in der Schule sehr wichtig ist, eingeschränkt.

Ajay Brar: Auch die Ungewissheit ist belastend. Es kann sein, dass man plötzlich wieder in Quarantäne muss, oder die Schulen gar schließen, wenn sich mehrere Schüler infizieren.

Wie hat sich euer schulischer Alltag im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie verändert?

Cathleen Dempf: Man hat deutlich mehr Stress. Die Stimmung ist angespannt. Der Umgang mit digitalen Medien ist viel intensiver geworden, das ist positiv.

Nika Ristic: Bei uns ist der Klassenraum immer total kalt. Manchmal gehen die Fenster nicht richtig zu, die Heizung geht nicht an. Wenn man Arbeiten schreibt, ist das unangenehm.

Anneke Meinhardt: Bei uns gibt es „Fenster-offen-affine“, die sitzen am Fenster und stellen sicher, dass die auch offen bleiben. Da gibt es auch mal Beschwerden, weil es zu kalt wird.

Cathleen Dempf: Bei mir am Taunusgymnasium gibt es alle 20 Minuten einen Gong, der daran erinnert, dass wir fünf Minuten Stoßlüften.

Welche weiteren Maßnahmen gibt es an euren Schulen? Haltet ihr sie für gerechtfertigt?

Cathleen Dempf: Wir müssen mittlerweile drinnen und draußen Masken tragen, dürfen sie nur zum Essen und Trinken abnehmen. Momentan sind wir in Stufe zwei des Vier-Stufen-Plans. Das heißt, dass wir auch im Unterricht Masken tragen müssen und keine AGs stattfinden können.

Nika Ristic: Manchmal kommen einem die Regeln paradox vor. Wir haben Sportunterricht ohne Maske, dafür dürfen wir manchmal in den Pausen nichts trinken. Das ist fragwürdig.

Cathleen Dempf: Die Einhaltung der Regeln ist bei uns teilweise problematisch, weil sich gerade jüngere Schüler den Konsequenzen nicht immer bewusst sind. Deshalb sind wir im Kreisschülerrat der Meinung, dass ein Hybridmodell besser wäre.

Nika Ristic: Wir sind der Meinung, dass es besser ist, präventiv zu handeln anstatt bis zum äußersten zu warten und dann einen harten Lockdown in Kauf zu nehmen. Es wäre auch möglich, den Wechselunterricht erst ab der siebten oder achten Klasse einzuführen. In diesem Alter kann man auch alleine zu Hause sein, die Eltern könnten trotzdem arbeiten gehen.

Die Politik argumentiert, dass sich in den Schulen kaum Kinder und Jugendliche infizieren und möchte deshalb am regulären Unterricht festhalten. Könnt ihr das nachvollziehen?

Cathleen Dempf: Durch unser Alter ist es wahrscheinlich, dass wir es selbst gar nicht merken, wenn wir Corona bekommen sollten. Ich habe große Sorge, mich zu infizieren, es nicht zu bemerken und das Virus weiterzugeben. Die aktuelle Situation ist mit viel Stress und Druck verbunden. Daher wäre es besser, früher zu handeln und nicht bis zum bitteren Ende zu warten.

Wäre der Wechselunterricht so umsetzbar, dass keinem Schüler Nachteile durch das Homeschooling entstehen?

Anneke Meinhardt: Unsere Schule stattet Schüler aus, die aus sozial schwächeren Familien kommen, stellt ihnen Laptops zur Verfügung.

Cathleen Dempf: Wir leben in einer Zeit, in der es sehr selten ist, dass einer der Schüler weder digitale Geräte noch Internet zu Hause zur Verfügung hat. Bis jetzt habe ich es noch nicht einmal gehört, dass das Ganze bei jemanden nicht geklappt hat.

 

Was könnte bei der Umsetzung der aktuellen Maßnahmen noch besser laufen?

Ajay Brar: Beim Sportunterricht könnte man in den Theorieunterricht wechseln. Obwohl es immer kälter wird, haben wir immer noch draußen Sport.

Anneke Meinhardt: Uns wird oft nicht wirklich erklärt, warum wir etwas machen müssen. Es heißt meistens nur, dass die Zahlen eben gestiegen sind. Aber wir werden nicht gefragt, ob wir zum Beispiel wirklich draußen Sport machen möchten. Es wäre ja auch Theorieunterricht möglich. Am Ende sind wir es, die bei zwei Grad draußen rumhüpfen müssen.

Beeinflusst die aktuelle Situation auch die schulischen Leistungen?

Cathleen Dempf: Man hat momentan auf jeden Fall genug Zeit zu lernen, weil man sonst nichts anderes zu tun hat. Aber die Motivation leidet, weil der Ausgleich fehlt. Normalerweise ist man an den Wochenenden mit seinen Freunden unterwegs. Jetzt steht man früh auf, macht etwas für die Schule, macht vielleicht ein Workout, lernt nochmal, und geht wieder schlafen.

Anneke Meinhardt: Ein großer Aspekt ist die Lernlücke zwischen März und Juni. Viele von uns haben verlernt, wie man richtig lernt. Im Frühjahr war man die ganze Zeit zu Hause, hatte nicht diesen schulischen Druck. Wir haben sechs Monate keine Klausuren geschrieben. Da bräuchte es Zeit, sich wieder daran zu gewöhnen – nur haben wir diese Zeit in der Oberstufe leider nicht.

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