Vom Samba-Psalm in St. Ursula zum kaukasischen Wiegenlied

Christian Grosch an der Orgel und Markus Rust mit der Trompete verstehen es immer wieder, das Publikum zu überraschen und in ihren Bann zu ziehen. Foto: Pfeifer

Hochtaunus (pit). Markus Rust und Christian Grosch benötigen keine 80 Tage, um ihre Zuhörer auf eine Reise rund um die Welt mitzunehmen. Ihnen genügen Trompete, Orgel und höchstens 80 Minuten, um zu verschiedenen Ethnien und unterschiedlichen Zeiten in der Geschichtsschreibung zu entführen. So geschehen in der St. Ursula-Kirche anlässlich der Konzertreihe „Klangreich Taunus“, die für diesen Termin unter dem verheißungsvollen Titel „Musik alter Kulturen und Jazz – eine musikalische Entdeckungsreise“ stand. Und der versprach nicht zu viel.

Schon mit den ersten Tönen wurde deutlich: Wir haben Europa verlassen. Durch sanfte Töne von Trompete und Orgel entstand ein schwebender Klangteppich, der ein arabeskes Muster trug und durch hervorragend eingesetzte Jazzelemente und quirlige Läufe an der Orgel ganz eigene Kapriolen schlug. Dankbar nahm nach dem abrupten Ende dieser Darbietung die Zuhörerschar die Erläuterung durch Markus Rust, der alle Stücke kommentierte, entgegen: „Das war eine alte Melodie aus Palästina.“ Dabei war diese nur eines der Beispiele im Verlauf des Konzerts, die verdeutlichten, wie eigenwillig die verschiedenen Kulturen in ihrem Bemühen sind, „dem Absoluten zu begegnen“.

Ein Fluss aus Orgel und Trompete

Von Palästina aus ging es in die von dort nur unweit entfernte, israelische Kultur: „Beide sind sehr verwandt miteinander.“ Um sie vorzustellen, hatten die beiden Musiker, die sich an der Hochschule für Musik in Dresden vor zehn Jahren während ihres Studiums kennenlernten, mit „Karew Jom“ ein Stück aus dem mystischen Zweig des Chassidismus ausgewählt, eine Melodie, die mit schwungvollen und heiteren Rhythmen aufwartete. Mit der instrumentalen Gestaltung eines religiösen Gesangs indischer Christen, das auf dem 61. Psalm basiert, entstand kurz darauf das Bild eines sanften Flusses, über den während des Tages die hellen Schellenklänge eines Tamburins wehen, bevor wieder ruhigere Klänge den Anbruch der Nacht ankündigen.

Das weniger bekannte Gospel „I’ve Got A Home In That Rock“ öffnete daraufhin ein Fenster in den Süden der Vereinigten Staaten während der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dabei entstand ein unterhaltsames Duett aus mal feierlich-jubelnder, dann wieder tiefer und schwerer Orgel mit überwiegend fröhlichen, fast lustigen Trompetenklängen, bevor es in die Welt der griechisch-orthodoxen Christen ging. Es war an Organist Christian Grosch, das Stück, das auf Psalm 135 basiert, zunächst zu summen, bevor er das Thema auf der Orgel gedämpft weiterspann. Mit Unterstützung von Markus Rust wurden die überaus harmonisch eingebauten Elemente des Jazz auch hier wieder unüberhörbar.

Es folgte ein großer Sprung, denn mit „Ehre sei Gott“ erklang eine christliche Komposition, wie sie die Peruaner in den Dörfern der Anden zu singen wissen. Die eingängige, schon leutselige Melodie folgte einem gleichmäßigen, agilen Rhythmus, wobei die Trompete ganz offensichtlich die Darstellung einzelner Vogelrufe übernahm. Viel Vergnügen bereitete auch der Ausflug zum Zuckerhut und damit in die brasilianische Form der musikalischen Umsetzung des Psalms 98. Unverkennbar die Samba-Rhythmen, die den „Cancai ao Senor“ begleiteten.

Schließlich mit „Weißt Du, wie viel Sternlein stehen“ der Blick in die eigene Kultur, auf alte Schätze. Denn auch dieses Kinderlied basiert auf einem biblischen Motiv, wobei es sich erst allmählich aus Trompeten- und Orgelspiel herausschälte, um letztlich verspielt in die Traumwelt einzutauchen. Wieder zu Hause angekommen, wollten sich die beiden Musiker mit „Ich will den Herrn loben alle Zeit“ aus der gregorianischen Musik eigentlich verabschieden. Doch da machte das Publikum mit seinen Zugabe-Forderungen nicht mit. Gut gelaunt und voller Spiellaune gab das Duo kurzerhand nach. Und so erklang mit „Somebody Knocking At Your Door“ noch ein Gospel und mit „Bajuschki Baju“ ein Wiegenlied aus dem Kaukasus. Und die kühle Temperatur in St. Ursula fühlte sich plötzlich ein paar Grad wärmer an.

!Das nächste Konzert der Reihe, die für außergewöhnliche Hörerlebnisse in unterschiedlichen Spielstätten des Hochtaunuskreises sorgt, findet am Sonntag, 24. März, um 17 Uhr in Friedrichsdorf statt. In der evangelischen Kirche, Hugenottenstraße, werden unter dem Titel „Neue Töne, neuer Klang – Frühling mit dem Alphorn“ Balthasar Streiff (Alphorn) und Stephan Thomas (Orgel) aus der Schweiz erwartet. Sie spielen unter anderem Werke von Girolamo Fantini und Homilius.



X