Situation der Geflüchteten im Corona-Lockdown

Im Gespräch berichtet Martina Bickmann, Beauftragte für die professionelle und unabhängige Flüchtlingsberatung im Evangelischen Dekanat Kronberg, wie sie die Situation der Geflüchteten erlebt und wie sie weiterhin für sie da sein kann. Foto: Dekanat Kronberg

Main-Taunus (mtk). Die Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinträchtigen auch das Leben der Geflüchteten und erschweren ihr Ankommen in Deutschland. Im Gespräch berichtet Martina Bickmann, Beauftragte für die professionelle und unabhängige Flüchtlingsberatung im evangelischen Dekanat Kronberg, wie sie die Situation der Geflüchteten erlebt und wie sie weiterhin für sie da sein kann.

Wie erleben Sie die aktuelle Situation der Geflüchteten?

„Die größte Herausforderung ist wohl die Wohnsituation. Aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes im Rhein-Main-Gebiet wohnen viele Geflüchtete noch in Gemeinschaftsunterkünften, wo teilweise auch Küchen und Sanitäranlagen von vielen gemeinschaftlich genutzt werden. Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen sind so kaum durchsetzbar. Die Gefahr, sich anzustecken, steigt, Einzelquarantäne ist kaum möglich. Einige Unterkünfte mussten bereits im Ganzen unter Quarantäne gestellt werden. Dabei trifft es dann auch Menschen, die keine direkten Kontaktpersonen waren. Zudem besteht die Gefahr, dass aufgrund erneuter Ansteckungen, die Quarantänezeiten länger und wiederholt sind. Das ist für Schüler und Berufstätige natürlich ein besonderes Problem.

Aber auch ohne Quarantäne ist diese beengte Wohnsituation eine besondere Belastung. Zu Hause bleiben, ohne Möglichkeiten der Freizeitgestaltung etwa durch Fitnessstudios oder Sportvereine, fällt da besonders schwer. In vielen Gemeinschaftsunterkünften herrscht angesichts der besonderen Ansteckungsgefahr seit Monaten ein Betretungsverbot für Besucher, selbst für engste Freunde oder Familienangehörige. Ein großer Einschnitt in die Lebensqualität der dort wohnenden Geflüchteten.

Dass im sogenannten »Lockdown light« im Herbst zunächst die Schulen und Kindergärten weiter aufbleiben konnten, war sehr wichtig. Gerade Nicht-Muttersprachler brauchen Präsenzunterricht, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ich habe viele Lehrer sehr engagiert erlebt, dennoch bedeutet Online-Lehre, dass Technik und Internetversorgung gegeben sein müssen. Beides fehlt gerade in den Gemeinschaftsunterkünften. Und wenn die Eltern mangels eigener Schulbildung oder ausreichender Sprachkenntnisse nicht unterstützen können, fallen die Kinder ohne anderweitige Hilfe schnell zurück. Gleiches gilt für die Sprachlernangebote für Erwachsene. Die Deutschkurse sind essentiell, um Integration zu fördern und den Menschen in Zukunft eine Perspektive zu ermöglichen. Ich hoffe sehr, dass derartige Bildungsangebote auch nach den Ferien weiter stattfinden können – natürlich mit umfassenden Hygienekonzepten.“

Wie können Sie mit den Geflüchteten in Kontakt bleiben?

„Wo es möglich ist, berate ich per E-Mail, Telefon oder Videokonferenz. Vieles bedarf jedoch des persönlichen Kontakts, da häufig Unterlagen erstellt werden müssen und die sprachlichen Hürden im direkten Austausch viel niedriger sind. Und eine zielführende Beratung braucht eine starke Vertrauensbasis, die wiederum digital viel schwerer aufgebaut werden kann als in der direkten Begegnung. Daher war und ist die Möglichkeit der Präsenzberatung, natürlich unter strenger Einhaltung der Hygienemaßnahmen, unersetzlich. Und ich hoffe, dass – wie auch bei den Bildungsangeboten – nach der Weihnachtspause die Präsenzberatung als Option möglich bleibt.“

Was hilft den Geflüchteten durch diese Zeit?

„Trotz der besonderen Herausforderungen erlebe ich viel Solidarität und gegenseitige Unterstützung unter den Geflüchteten. Für die meisten sind die Umstände in der Pandemie schwierig, bringen Rückschläge mit sich, mühsam aufgebautes, geht vielleicht wieder verloren. Die meisten, die mir begegnen, versuchen dennoch ihren Weg in Deutschland weiterzugehen, so wie es derzeit möglich ist. Dabei erlebe ich viel gegenseitige Unterstützung; man hilft sich, bleibt im Austausch. Sowohl bei den Geflüchteten untereinander, als auch generell im Freundes- und Bekanntenkreises, den sie sich mittlerweile in ihrer neuen Heimat aufgebaut haben.“



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