Das Ende eines Wissenschaftlers

Referent Eike Henning stellt dem interessierten Publikum das Leben von Herrmann Heller vor. Foto: Günter Pabst

Schwalbach (sbw). Einerseits war es ein Heimspiel für den emeritierten Professor der Politik, der seit Jahrzehnten in Schwalbach lebt, andererseits gab es viele neue Gesichter in der evangelischen Limesgemeinde zu dem Vortrag „Vertreibung und Vernichtung jüdischer Wissenschaftler am Beispiel Hermann Heller“ gekommen waren. Ausrichter des Abends waren die Kirche und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische-Zusammenarbeit.

Auf beiden Seiten war die Neugierde groß. Referent Eike Hennig gelang es, das Publikum in die tragische Lebensgeschichte eines herausragenden Wissenschaftlers zu entführen. Am Beispiel Hermann Hellers veranschaulichte er, welches Elend der Nationalsozialismus von Anfang an verbreitet hat, wie sehr er in Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten sich durchsetzt und wie viele „normale Bürger“ daran beteiligt sind. Er bereitete die verschiedenen Etappen des Lebens von Hermann Heller auf, seine wissenschaftliche Bedeutung und seinen am Ende erfolglosen Kampf um Demokratie und Rechtstaatlichkeit.

Hermann Heller (1891–1933) entstammte einer jüdischen Familie im österreichisch-ungarischen Teschen (Schlesien). Der Vater war Rechtsanwalt, die Mutter kam aus einer angesehenen Wiener Familie. Nach dem Abitur 1910 studierte Heller Rechtswissenschaften , unter anderem in Graz und Kiel bei Gustav Radbruch. Heller meldete sich freiwillig zum Krieg. Im Winter 1915 wurde er in den Karparten schwer verwundet, aus dem ein Herzleiden resultierte. In Graz promovierte er dennoch 1915, 1920 habilitierte er sich bei Gustav Radbruch an der Universität Kiel. In der Weimarer Republik profilierte er sich von Anfang an als konsequenter Verfechter der Demokratie. Heller hatte bereits als Schüler mit dem „Austromarxismus“ Bekanntschaft gemacht. Er betätigte sich in der Arbeiterbildung und trat in der SPD für den Verzicht auf dogmatische Revolutionsentwürfe ein. Von 1926 bis 1928 war er als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin tätig. Nach einer Professur in Berlin (1928) wurde er 1932 zum Ordinarius für „Öffentliches Recht“ an der Universität Frankfurt am Main berufen. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung musste Heller als Jude die Universität verlassen.

Vor allem in Berlin kam es zum Streit mit der Fakultät, was alle Beteiligten Kraft kostete. Neben der Frankfurter Professur vertritt Heller die SPD-Fraktion des preußischen Landtags gegen die „Gleichschaltung“ des Landes, gegen diesen wichtigen Schritt auf dem Weg zum „Dritten Reich. Er starb am 5. November 1933 mit nur 42 Jahren als Gedemütigter und ins Exil gehetzter Mann, an einem schweren Herzanfall.

Hennig zeigte eindrucksvoll Hellers kämpferischen Geist. „Heller irritiert, viele provozieren ihn, er provoziert viele, wird ‚Straßenredner‘ mit gesteigerter Lautstärke, Spiralprozesse schaukeln sich auf“, sagte Hennig. Für Carl Schmitt, seinen Antipoden in der Staatsrechtslehre, war er „der beste Kopf in Deutschland“. Heller, das stellte Eike Hennig heraus, „erkennt früh die faschistische Gefahr und er stellt das Bürgertum vor die Alternative „Sozialer Rechtsstaat oder faschistische Diktatur“.

Die Einzelheiten der langsamen Entrechtung nachzuvollziehen, macht betroffen. Es blieb dem kanadischen Wissenschaftler jüdischer Herkunft, David Dyzenhaus, vorbehalten, Hermann Heller als deutschen jüdischen Intellektuellen in all seinem Wirken zu würdigen.

Für Dyzenhaus sei klar gewesen, dass Heller ein jüdischer, politisch aktiver Sozialist gewesen ist. Er sein ein herausragendes Ziel der Nazis gewesen, als sie Ende 1932 die Macht schnupperten. Die „langsame Erosion des Rechtsstaates“ traf Heller und viele seiner jüdischen Kollegen und ihre Familien mit voller Härte. Mit dem verfassungswidrigen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurden sie entlassen, ihrer Bezüge beraubt, ihre Bücher verbrannt und zuletzt vernichtet. An den Universitäten, gegen Professoren jüdischer Herkunft, begann dies 1933, gleich nach der „Machteinsetzung“, toleriert von den konservativen Koalitionspartnern. Heller sei zwar noch rechtzeitig emigriert, starb aber später an seinen Verletzungen die er sich im ersten Weltkrieg zugezogen hatte.

Hellers Analysen sind, das zeigte Eike Hennig eindrucksvoll, auch heute wichtig. Es bedarf eines konsequenten Eintretens für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gleichheit. Auch heute, das zeigt das Wirken von Hermann Heller, muss sich das Bürgertum entscheiden. Es bedarf konsequenter Rechtsstaatlichkeit gegenüber „Gewaltideologen“ und des Einsatzes für Bildung und soziale Angleichung, Heller fasst dies als offene Verfassungspolitik im sozialen Rechtsstaat zusammen.Der Vortrag von Professor Eike Hennig ist in den nächsten Tagen auf der Webseite der CJZ www.cjz-maintaunus.de nachzulesen.



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