ORT:
Berlin/Schwalbach (MS). Ende 2023 hat das Bundeskartellamt Verfahren gegen insgesamt sieben Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von 2021 bis 2023 eröffnet. Das Schwalbacher Fernwärmenetz ist eines der neun Gebiete, die ins Visier der Behörde geraten sind. Jetzt gibt es einen ersten Zwischenbericht.
Das Kartellamt prüft dabei insbesondere die konkrete Anwendung von sogenannten Preisanpassungsklauseln. In Schwalbach hat diese Klausel für fast alle Kundinnen und Kunden erhebliche Preiserhöhungen zur Folge gehabt. Einige musste zwischenzeitlich das Vierfache für Heizung und warmes Wasser zahlen. Allerdings hatten sich im Jahr 2022 durch den Ukraine-Krieg die Heizkosten auch für Gas- und Ölheizungen dramatisch erhöht.
Rechtswidrige Preisklauseln
Bei vier der neun untersuchten Netze ist das Bundeskartellamt nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen der Auffassung, dass sich der Anfangsverdacht erhärtet hat und zu Ungunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher rechtwidrige Preisanpassungsklauseln verwendet wurden. Ob das Schwalbacher Fernwärmenetz zu diesen vier Netzen gehört, geht aus der Mitteilung des Kartellamts nicht hervor.
Die betroffenen Versorgungsunternehmen erhalten nun die Gelegenheit zur Stellungnahme. Bis zum endgültigen Abschluss der Verfahren will das Bundeskartellamt aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht über weiteree Details informieren. Präsident Andreas Mundt erklärt: „Fernwärmeversorger verfügen in ihren jeweiligen Netzgebieten über eine Monopolstellung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können den Anbieter nicht wechseln. Deshalb unterliegen die Versorger auch dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot.“
Die bisherigen Verfahrensergebnisse machten deutlich, dass eine intensivere behördliche Befassung mit dem Fernwärmesektor in der Zukunft geboten ist. Angesichts der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Netze wäre eine echte Regulierung de facto unmöglich. Andreas Mundt fordert gesetzliche Konkretisierungen, um die Versorgungsunternehmen besser kontrollieren zu können. „Wir brauchen Transparenz nicht nur über die Preise, sondern vor allem über die Kosten der Unternehmen, klare Vorgaben zur Preisgestaltung und eine Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht in diesem Bereich.“
Für die Ausgestaltung von Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen mit privaten Endkundinnen und Endkunden gibt es bereits jetzt rechtliche Vorgaben, worauf auch die Schwalbacher Interessengemeinschaft (IG) Fernwärme immer wieder hinweist. Danach dürfen die Klauseln nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch den Versorger (sogenanntes Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (sogenanntes Marktelement) angemessen berücksichtigen. Kostenelement und Marktelement müssen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Preisanpassungsklausel grundsätzlich gleich gewichtet sein.
Nach den bisherigen Ermittlungen ist das Bundeskartellamt bei bislang vier der geprüften Netzen zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, dass das Marktelement entgegen den rechtlichen Vorgaben zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher zu niedrig gewichtet ist – ein Vorwurf, den die IG Fernwärme gerade für das Schwalbacher Netz immer wieder wiederholt.
E.ON weist Kritik zurück
Das Versorgungsunternehmen E.ON, dass das Heizkraftwerk in der Adolf-Damaschke-Straße zwischen 2021 und 2023 weist diesen Vorwurf allerdings genauso häufig zurück. Und auch die Süwag, die seit dem vergangenen Jahr für die Schwalbacher Fernwärme zuständig ist, hält die Preisänderungsformel für in Ordnung und für rechtskonform. Auf ihrer Internetseite erläutert das Unternehmen in einem Video, wie die Preise zu Stande kommen.
Neben der Preisklausel moniert das Bundeskartellamt bei drei der beanstandeten vier Netzen außerdem auch, dass die jeweiligen Versorger auch die tatsächlichen Kosten für die Wärme-Erzeugung nicht korrekt dargestellt haben. Auch hier ist nicht bekannt, ob das Schwalbacher Netz dazugehört.
Abschließend weist das Bundeskartellamt in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass private Fernwärmekunden unabhängig von den Verfahren des Kartellamtes mutmaßliche Verstöße gegen die Abrechnungsvorschriften auch auf dem Zivilrechtsweg geltend machen können.
Das Heizkraftwerk in der Adolf-Damaschke-Straße versorgt große Teile von Schwalbach mit Fernwärme. Über die Preise gibt es seit Jahren Streit.Foto: Schlosser
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