Komplexe Probleme der Kolonialgeschichte benannt

Louisa Sedjro berichtet über die Situation in Togo und stellt komplexe Probleme für die Zuhörer beim Arbeitskreis dar. Foto: Arbeitskreis

Schwalbach (sbw). Togo ist ein armes Land. Mit 32 Dollar Bruttoeinkommen pro Kopf gehört der afrikanische Staat zu den ärmsten weltweit. Togo war eines der wenigen Länder die vor dem ersten Weltkrieg von dem Deutschen Reich kolonisiert wurden. Heute ist es vor allem für seinen ausgezeichneten Kaffee, seine herrliche Landschaft und die für seine Größe unglaubliche Vielfalt an Völkern und Kulturen bekannt.

Die deutsch-französische Kolonialgeschichte und ihre Auswirkungen nahm nun auch der Arbeitskreis Avrillé in den Blick. Er hatte, gemeinsam mit dem Kulturkreis, Referentin Louisa Sedjro zu einem Vortrag eingeladen, die gleich in mehrfacher Hinsicht als Expertin gilt. Sedjro ist Deutsch-Togoerin, arbeitet als Juristin bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und war einige Jahre als Entwicklungshelferin in Togo tätig. Überdies engagiert sie sich für mehr ethnisch-kulturelle Diversität in der GIZ, um die Wirksamkeit der Internationalen Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe zu verbessern.

Louisa Sedjro stellte anhand ihrer verschiedenen Vornamen eine einprägsame Verbindung zur togolesischen Kultur und tradierten Glaubensvorstellungen her, die bis heute lebendig sind.

Der Staat ist ein Resultat der Aufteilung durch die Kolonialmächtekonferenz quer zu Stammes- und vor allem Spracheinheiten und Togo gehört gemessen an den sogenannten Entwicklungsdaten zu den ärmsten Ländern Afrikas. Nur wenige können Lesen und Schreiben, wobei sich die Aufsplitterung in unterschiedliche afrikanische Sprachen einerseits und das eher exklusive Französisch als Amtssprache andererseits zusätzlich negativ auswirkt. Geringe Lebenserwartung bei schlechter beziehungsweise teurer Gesundheitsversorgung und ganz überwiegend prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die Kennzeichen für das Leben in dem Land.

Politisch ist Togo ein Präsidialsystem und gehört erst seit der jüngerer Zeit um 2014 aus der Sicht der EU unter Menschenrechtsaspekten wieder zu den Reformpartnerländern und in den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Phase der deutschen Kolonialherrschaft wurde und werde, so die Referentin, vor allem auf Grund durchgeführter Infrastrukturmaßnahmen und „fehlender“ gewaltsamer Aufstände eher positiv gesehen, durchaus auch unkritisch, während Frankreich (Kolonialmacht bis 1960) eher abgelehnt werde. Nicht zuletzt auch wegen direkter politischer Proporzmaßnahmen zum Nachteil bestimmter Ethnien.

Die finanzielle Unterstützung, die von Seiten Deutschlands und der EU angekündigt und praktiziert werde, sei häufig überschätzt oder sei nicht immer wirksam. Louisa Sedjro meinte, die Strategie und Organisation der Zusammenarbeit sei zu sehr von „weißem Denken“ dominiert und sollte auch viel stärker die Eigenverantwortlichkeit der jeweiligen lokalen und regionalen Akteure berücksichtigen.

Das interessierte Publikum stellte viele Fragen, so dass sich ein lebendiger Dialog zwischen der Referentin und ihren Zuhörern ergab, der sich auch nach dem Vortrag in einzelnen Gesprächen fortsetzte. Die Arbeitskreisvorsitzende, Monika Beck, dankte Sedjro für ihre Informationen, stellte aber auch eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der Komplexität fest. Und das mit Blick auf ein gemeinsames Projekt des Arbeitskreises zusammen mit den französischen Partnern in Togo. Die Referentin sah jedoch in der kritischen Auseinandersetzung mit der Thema, der kolonialen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zumindest einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.



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