Bäumen den Puls fühlen bei Waldführung

Der Fichtenzapfen-Zielwurf mag keine olympische Disziplin sein, doch die Teilnehmer an der Waldführung werfen mit wahrer Begeisterung die federleichten Zapfen in Richtung des Ziel-Eimers in acht Meter Entfernung. Das ist schwieriger als erwartet, schließlich landen nur zwei der vielen geworfenen Zapfen wirklich im Eimer. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Mit dem Förster durchs Revier streifen und den Stadtwald erkunden konnte ein Trupp Wanderwilliger bei einer besonderen Führung der VHS. Doch es gab nicht nur interessante Erklärungen, sondern auch etwas zum Fühlen und zum Mitmachen.

Den Stadtwald kennt jeder Steinbacher. Es gibt keine verborgenen Trampelpfade und kein undurchdringliches Dickicht. Der Wald ist wie ein offenes Buch. Aber in welchem Zustand ist er? Aus welchen Arten besteht er und wie stark macht ihm der Klimawandel zu schaffen? Antworten auf solche Fragen suchte ein Dutzend Teilnehmer vergangene Woche bei einer Führung, die zum Programm des Open-Air-Sommers gehörte.

Als Revierförster Martin Westenberger und die Waldpädagogin Mandy Gantz am Wald- rand eintrafen, warteten auf dem Parkplatz an der Phorms-Schule ausgewiesene Wanderfüchse, die Tagesmärsche von bald 20 Kilometern gewohnt sind. Malte war mit neun Jahren der jüngste und zudem der einzige Nichterwachsene. Er ist mit der Familie aus dem Odenwald in den Vordertaunus gezogen und „mit dem Wald groß geworden.“ Die Gruppe wollte keine Kilometer fressen, sondern mehr erfahren über die Waldgemeinschaft, die sie als Spaziergänger oder Radfahrer erlebt haben.

Die Führung konzentrierte sich auf das Gebiet zwischen Phorms-Schule und Hohenwald, auf ein Drittel des Stadtwaldes, der insgesamt 100 Hektar umfasst und überwiegend jenseits der Straße von Stierstadt nach Oberhöchstadt liegt, wo er sich bis ins Käsbachtal erstreckt. Westenberger ist in diesem Distrikt seit bald 25 Jahren für Hessenforst im Einsatz.

Eichen sind wohlig, Buchen kühl

Die Waldläufer sollten nicht nur zuhören, sondern auch beschäftigt werden. Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle ein Waldgottesdienst gefeiert, jetzt wurden hier die Handflächen warm gerieben und der Baumrinde auf den Puls gefühlt. Eiche und Esche fühlen sich wohlig, der glatte Buchenstamm eher kühl an. Die Buche wäre im Revier die einzige Baumart, wenn man den Wald der Natur überlassen würde, weiß der Revierleiter aus Kronberg.

Der Steinbacher Forst macht in Westenbergers Bezirk nur ein Zwölftel der Gesamtfläche aus. 80 Prozent sind Laubwald und davon Dreiviertel Eichenbestand. Aus dem Nadelwald wird die Fichte bald verschwinden. Sie wächst noch auf sechs Prozent des Waldbodens, leidet besonders unter Trockenheit und ist dem Borkenkäfer ausgeliefert. Waldpädagogin Gantz hat den kleinen Schädling in einer Dose mitgebracht und lässt ihn als Anschauungsunterricht die Runde machen.

Totholz fördert die Artenvielfalt

Derweil verharrt der Förster vor einer abgestorbenen Fichte, schneidet einen Placken Rinde ab, die den Holzkern ummantelt. Durch die Borke führen die lebenswichtigen Versorgungsleitungen von der Wurzel bis zur Spitze.Der abgestorbene Baum bleibt als Totholz stehen und bildet Nährboden für Ameisen, Spinnen und Insekten. Baumstümpfe und abgebrochene Äste verbleiben im Interesse der Diversität im Wald und sind kein Zeichen von schlampiger Forstwirtschaft, klärte Westenberger auf.

Wenn es um den Zustand des Waldes insgesamt geht, dann ist der Förster in diesem Gebiet, in dem ganz am Ende – neben der Hängematte – die südlichste Eiche im Taunus als Naturdenkmal steht, recht zufrieden. Die Buche wächst seit mehr als 100 Jahren und schwächelt auch in der Krone nicht. Die Bäume haben zwar keinen Kontakt zum Grundwasser, müssen also mit Niederschlägen auskommen, aber sie wurzeln auf einem nährstoffreichen Boden. Die nächste Waldgeneration, auch das eine erfreuliche Nachricht, wächst großflächig nach.

Im Waldstück jenseits der Kreisstraße hat der Borkenkäfer im staubtrockenen Sommer 2020 gewütet und zwölf Hektar Fichtenwald ruiniert. Bei der Aufforstung werden bevorzugt Buche und Birke gepflanzt. Das Fichtenholz ist reichlich auf dem Markt und die Preise deshalb im Keller. Wie ein Abgesang auf diese Baumart mutete das Zielwerfen mit den federleichten Fichtenzapfen an, bei dem der acht Meter entfernt stehende Eimer nur zweimal getroffen wurde.

Im heimischen Wald spielt die Holzwirtschaft zwar keine Rolle, doch einmal im Jahr schaut das Revier genau hin. Bei der „Durchforstung“, wie das Ausdünnen im Wald genannt wird, werden pro Hektar etwa ein Dutzend Bäume aussortiert und für die Motorsäge frei gegeben. Die sind nicht krank, hemmen aber das Wachstum in ihrer Nachbarschaft oder haben nicht mehr die notwendige Standsicherheit.

Im Wald wird auch geschossen. Der Jagdpächter legt vor allem auf Wildschweine an, die sich tagsüber jedoch nicht blicken lassen.

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