Corona-Krise provoziert Solidarität

Zutritt verboten: Der Spielplatz am Steinbach ist gesperrt, um der weiteren Ausbreitung des Coronavirus Einhalt zu gebieten. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Am Samstagnachmittag wurden die Steinbacher mit einem ganz speziellen Gruß auf die Corona-Lage eingestimmt. Ein Lautsprecherwagen ging auf Tour durch die Stadt und rief zum kollektiven Gehorsam auf. Nunmehr müsse konsequent nach der Devise „Wir bleiben zu Hause“ gehandelt werden, wenn es in den Hochtaunus Kliniken Bad Homburg nicht zugehen soll wie in Bergamo in Norditalien. Der Appell fruchtete, denn an potentiellen Treffpunkten herrschte fortan gähnende Leere. Das Leben läuft auf Sparflamme.

Der Bürgermeister überzeugte sich in Geschäften und im öffentlichen Raum, dass die Bürger begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat. Er sah keine großen Gruppen, aber eingehaltene Sicherheitsabstände, Gedränge in Geschäften wurde durch Zugangskontrollen vermieden. „Die Situation hat sich deutlich verbessert,“ registrierte ein zufriedener Steffen Bonk.

Am Donnerstag waren auf Geheiß von Landrat Ulrich Krebs Spielplätze und Parkanlagen zu Tabuzonen erklärt worden. Am Grünen Weg und am Weiher wurden eilends Flatterbänder gezogen und die Allgemeinverfügung der Kreisverwaltung – freilich nur in deutscher Sprache – ausgehängt. Doch die Akzeptanz ließ zu wünschen übrig. Auf dem Spielplatz hinter dem Steinbach nahm ein Ehepaar unbekümmert auf der Bank Platz und zeigte sich auch verbal nicht auf der Höhe der Corona-Diskussion. Jenseits des Bachs war eine Handvoll Jugendlicher auf dem Hinderniparcour unterwegs, den Skater und Radakrobaten lieben. Der Stadtpolizist fand auf seiner abendlichen Patroullie die richtige Ansprache. Die Halbwüchsigen zogen davon, und auch auf dem eingezäunten Bolzplatz machte ein einsamer Kicker nicht mehr weiter. Dort hatte der Bauhof die Tore mit Gittern blockiert.

Solche Szenen haben sich an den Tagen darauf nicht wiederholt. Die Freizeitzonen präsentierten sich unter dem makellos blauen Himmel wie leergefegt. Die Ordnungspolizei musste keine Zwangsmittel anwenden, weder Bußgelder verhängen noch Anzeigen schreiben. Mittlerweile darf man ja nur noch zu zweit oder im Familienverbund durch die Steinbachaue spazieren. Auch das funktioniert. Die Virusattacke wird bei aller Bedrohung als große Chance begriffen, das Gemeinwesen durch solidarisches Handeln zu adeln. Aus Familien hört man mit Hinweis auf geschlossene Schulen und Kindergärten, endlich spiele man mal wieder Halma und Mensch ärgere Dich nicht.

Junge versorgen Alte

Einmal mehr übernahm das Büro der Sozialen Stadt die Initiative und schult nunmehr ein Team von jugendlichen Einkaufshelfern, das seine Dienste auf Flugblättern unter die Leute bringt. Adressat ist in erster Linie die „Risikogruppe“ der Senioren, die vor allem bei Vorerkrankungen Kontakte zu anderen Personen vermeiden soll. Bisweilen bekommen die älteren Mitbürger aber auch direkte Angebote von Nachbarn, in den Supermärkten Besorgungen zu erledigen.

Am Sontag abend haben auch Steinbacher Musiker die Europahymne „Freude schöner Götterfunke“ nach Schillers Text und Beethovens Musik vom Balkon erklingen lassen. Als Ausdruck des Zusammenhalts und des Respekts vor der Leistung des medizinischen Personals und des Pflegedienstes. Andere „Helden“ stehen in Supermärkten ihre Frau oder ihren Mann. Sie füllen die Regale auf, die von Kunden immer wieder leer geräumt werden. Mit solchen Befreiungsschlägen lässt sich das Virus allerdings nicht besiegen.

Plexiglas und Video-Predigt

Bodenkleber markieren an den Kassen einen Sicherheitsabstand von mindesten 1,50 Metern. Seit dem Wochenanfang rollen auch die Plexiglaslieferungen an, auch im Drogeriemarkt an der Eschborner Straße sind die Schutzblenden mittlerweile installiert worden. Einkaufswagen werden von Reinigungsunternehmen alle drei Stunden gesäubert.

Kontaktsperren haben auch die christlichen Gemeinden zur Absage aller Veranstaltungen gezwungen. St. Bonifatius öffnet die Kirche am Abend immerhin für eine Stunde zur inneren Einkehr und zur Bitte, der Herr möge der heimtückischen Invasion ein Ende bereiten. Die evangelischen Christen von St. Georg haben ihren Pfarrer Herbert Lüdtke erstmals als Video-Seelsorger erlebt, der zwar im Altarraum des Gotteshauses, aber vor leeren Bänken gepredigt hat.



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