Darauf beruhen Freiheit und Demokratie

Christoph Schlott vom „Neuen Königsteiner Kreis“, der hessische Justizminister Roman Poseck und Bürgermeister Steffen Bonk (v. l.) präsentieren stolz die Faksimile von Grundgesetz und hessischer Verfassung, die ab sofort im Steinbacher Rathaus gut sichtbar für Besucher ausgestellt sind. Foto: csc

Von Christine Šarac

Steinbach. „Wissen Sie, was genau am 1. Dezember 1946 war?“ Mit dieser Frage ließ Bürgermeister Steffen Bonk seine geladenen Gäste im Sitzungszimmer des Rathauses einen Moment ratlos dreinblicken. Doch diese befinden sich in bester Gesellschaft, denn so geht es wohl den meisten Menschen. Eine neue Vitrine im Rathaus könnte das in Zukunft ändern.

Des Rätsels Lösung: Am 1. Dezember 1946 trat die Hessische Verfassung per Volksabstimmung in Kraft. Ein weiteres Datum, das uns viel zu wenig geläufig ist, ist der 23. Mai 1949, der Tag, an dem das Grundgesetz verkündet wurde, quasi die Geburtsstunde der Bundesrepublik. Originale Abschriften, sogenannte Faksimile beider Dokumente, sind jetzt im Steinbacher Rathaus ausgestellt. Es ist die erste Stadtverwaltung in Deutschland, die solche Schriftstücke präsentieren kann.

In einer Vitrine im Eingangsbereich machen die Faksimile Geschichte erlebbar. Eine Informationstafel direkt darüber erklärt die geschichtlichen Hintergründe der Dokumente.

„In anderen Ländern würden diese Daten mit einem nationalen Feiertag begangen werden“, so Bonk. Warum sind sie nicht in unserem Bewusstsein? „Wir haben das Recht, stolz auf unsere Verfassung zu sein. Die Rechte und Freiheiten, die sie uns gibt, sind doch nicht selbstverständlich. Das alles ist fragil, und wir müssen uns darüber bewusst sein, dass wir keinen Anspruch darauf haben“, ergänzte Bonk während der Feierstunde eindringlich. Es war ein Plädoyer für die nationale Demokratiegeschichte, der sich auch Christoph Schlott, Historiker und Archäologe sowie Vorsitzender des „Neuen Königsteiner Kreises“, verschrieben hat, der Initiator der Veranstaltung. Wenn es nach Schlott ginge, dann wären jedes Rathaus, jedes Landratsamt und auch möglichst viele Schulen in Deutschland mit Faksimile-Exemplaren des Grundgesetzes ausgestattet. „Weil es etwas macht mit den Menschen. Man kann über die Dinge sprechen, aber so ein Exemplar des Grundgesetzes vor sich zu sehen, es anzufassen, das bleibt im Gedächtnis“, ist er sich sicher. Nach dem Auftakt im Steinbacher Rathaus erhielten am selben Tag auch das Oberlandesgericht in Frankfurt und die St.-Angela-Schule in Königstein Faksimile überreicht.

Doch wie konnte es dazu kommen, dass Steinbach die Ehre zuteil wurde, das erste Rathaus zu sein, in dem zwei solche Faksimile präsentiert werden können? Dazu musste Steffen Bonk zum 23. Mai 2021 zurückspringen. Er erzählte die Anekdote, wie er und Schlott sich per E-Mail über das Thema der römischen Villa Rustica und deren Präsentationsmöglichkeiten ausgetauscht hätten. Schlott war damals in die Ausgrabungen bei der Villa Rustica involviert. Beide stellten fest, wie wenig Beachtung diesem historischen Datum geschenkt wird. „Aus diesem Gespräch entstand die Idee, die Verfassung mehr ins Bewusstsein der Menschen zur rücken“, erinnerte sich Bonk.

Die rund 25 Gäste, darunter als Ehrengast der hessische Justizminister Professor Dr. Roman Poseck, Landrat Ulrich Krebs, Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Galinski, Stadträtin Claudia Wittek oder der ehemalige Stadtverordnetenvorsteher Manfred Gönsch nutzten die Chance, ein Stück Zeitgeschichte näher in Augenschein zu nehmen. Viele Hände strichen vorsichtig über den elfenbeinfarbenen Einband und die in Gold eingeprägten Buchstaben „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ und schauten sich die Unterschrift Konrad Adenauers an. Gleich daneben wurde die hessische Landesverfassung präsentiert. Sie kommt weniger edel daher als das Grundgesetz mit Kalbsledereinband und Büttenpapier. Der Text zum Artikel 41 beispielsweise wurde einfach durchgestrichen und der neue Text mit einem mit Schreibmaschine getippten Einleger ergänzt. Es spiegelt die Zeit wider, in der es entstanden ist. „Unser Grundgesetz ist extrem beständig, wurde nur wenige Male per Volksentscheid geändert, ganz im Gegensatz zum Grundgesetz, das weit über 100 Mal geändert wurde“, führte der hessische Justizminister Roman Poseck aus. Beide Dokumente seien nicht nur Unikate, sondern auch „ein Kompass in unsicheren Zeiten“.

Landrat Ulrich Krebs freute sich, als Christoph Schlott ihm ein Exemplar der hessischen Verfassung überreichte. Die zur Ansicht im Sitzungszimmer ausgestellten Exemplare zu Grundgesetz und hessischen Verfassung werden der Geschwister-Scholl-Schule im Hessenring übergeben, worüber sich Schulleiterin Sabine Schulze, die ebenfalls anwesend war, begeistert zeigte.

Weitere Artikelbilder



X