Erntedank: „Gott will die Welt bewahren“

Pfarrer und Gläubige in Vorbereitung auf den Gottesdienst zum Erntedank vor einer Wand aus Strohballen auf dem Fohlenhof. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. In der steinalten St.-Georgs-Kirche fällt der Blick auf den Gottessohn am Kreuz und die berühmte Stumm-Orgel. Das war immer so und auch im vergangenen Jahr. Doch diesmal zeigte der Erntdank-Gottesdienst ein ganz anderes Gesicht. In Zeiten der Pandemie sagten die christlichen Gemeinden Dank in der geräumigen Lagerhalle des Fohlenhofs. St. Georg und St. Bonifatius luden am Sonntagnachmittag zum ökumenischen Gottesdienst ein, zwar im Zeichen des Kreuzes, aber mit Stroh- und Heuballen als prägende Kulisse.

Die evangelischen Gläubigen haben sich an das von Corona diktierte Ambiente seit März gewöhnt. Bei ihren katholischen Mitchristen sind im Gotteshaus an der Untergasse stille Andachten eingezogen. Die Protestanten kamen zur Predigt in den Wald, auch auf den Kirchhof, und sie vernahmen Videobotschaften von „Gott in Steinbach“, mal auf dem Streitplacken, mal am Apfelweinbrückchen oder im neuen Gewerbegebiet. Nunmehr öffneten Martina und Andreas Jäger ihre drei Jahre alte Halle für die Gläubigen und schafften Raum für mehr als 100 Besucher. Einige mussten aus Platzgründen von draußen zuhören. Der Landwirt hatte in den Tagen zuvor mit maschineller Hilfe 1500 Strohballen bis zu sechs Lagen hoch an den Wänden aufgetürmt und das Heu zu Sitzbänken aufgeschichtet. Für ihre Gastfreundschaft wurden die Jägers mit reichlich Beifall bedacht.

Die Sitzbänke waren gemäß den Corona-Abstandsregeln aufgestellt. An den beiden Eingängen notierten Mitglieder des Kirchenvorstands die Personalien. Auf das Abendmahl und auf gemeinsames Singen musste verzichtet werden, die Körbchen für die Kollekte standen am Ausgang. Die Spenden kommen Brot für die Welt zugute.

Blick auf den 4. Oktober 2050

Auf Plakaten – auch ungewöhbnlich für einen Gottesdienst – wurde eine Losung ausgegeben. Pfarrer Werner Böck und Pastoralreferent Christof Reusch versetzen sich in die Zukunft und klagten an dem fiktiven 4. Oktober 2050 über die ungewöhnliche Hitze. Eine theaterreife Szene mit den Seelsorgern, mit Ellen Breitsprecher, Tochter Natalie, Sabine Baumgart und Tochter Annika als Eröffnung von Erntedank, das hatte wahrlich Seltenheitswert. Dabei erfährt die Gemeinde, dass in 30 Jahrern „niemand mehr weiß, was Ernte ist und deshalb auch kein Erntdedank mehr gefeiert wird.“ Schmelzende Gletscher, steigender Meeresspiegel, überschwemmte Küstenregionen und im Ozean verschwundene Inseln – im Altarraum wurde ein ungeschminktes Szenario entworfen, das sich an den Prognosen der Klimaforscher ortientier. Der Mensch habe keinen Respekt vor Tieren und Pflanzen und Gottes Schöpfung verhunzt.

Gibt es überhaupt noch Hoffnung? Können wir das Steuer noch herumreißen?, lautet die bange Frage. Wir können das, aber nur mit Gottes Hilfe. und „Gott will die Welt bewahren“, lautet die Antwort der Kirchenmänner vorne, vor dieser mächtigen Wand aus Stroh.

Der vorausschauende Blick gibt auch Anlass zur Hoffnung, denn immerhin sind 2050 die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas ausgemustert, die Energiewende ist vollzogen und klimaneutraler Kaffee kommt mit dem Segelschiff von Mittelamerika nach Europa. Die Erderwärmung mache Weinbau auch in Nordschweden möglich, das sind Botschaften aus der Zukunft.

Musik am reich gedeckten Tisch

„Der gute Gott“, der in den Fürbitten um Beistand gebeten wird, hat es wieder „wachsen und gedeihen“ lassen, und so haben die Steinbacher den Tisch reichlich gedeckt. Mit Kartoffeln und Kürbissen, mit Maiskolben und Wallnüssen, mit einem Laib Brot und Sonnenblumen. In drei Tonkrügen stecken Ähren von den Steinbacher Feldern. Für diese Gaben Gottes sagen die Christen Dank.

In dieser 42 Meter langen und 30 Meter breiten Halle neben dem Taubenzehnten war Platz genug für ein Orchester mit Natalie Breitsprecher am Cello, Mutter Ellen am Klavier und Albert , den Trommler aus Burundi. Gesungen haben Annika und Sabine Baumgart.

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