Fairer Handel auf dem Wochenmarkt

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Die Eine-Welt-Gruppe ist ein kleiner, aber hochmotivierter Kreis. Am Samstag ist sie mit den Vögeln aufgestanden, und pünktlich um 7 Uhr war der Stand auf dem Plateau des Avertinplatzes aufgebaut. Vorne warteten wie gewohnt Blumenhändler, Bäcker und Metzger auf Kundschaft, und dahinter gab es unter einem mit Sandsäcken gesicherten Zelt das besondere Angebot. Erzeugnisse aus Mittelamerika vor allem, landwirtschaftliche Produkte die ordentlich bezahlt werden. Die Konsumenten wissen das. Es wird nicht über Preise genölt, man akzeptiert sie und hat ein gutes Gewissen.

Die Stimung beim Personal ist so gut wie das Wetter. Es wird gefrotzelt, gescherzt und gelacht. An dieser Verkaufstheke kann man, muss man aber keinen Umsatz machen. Der Wein aus Südafrika wird als Ladenhüter eingestuft. Es werden Wetten abgeschlossen, wann die erste Sieben-Euro-Flasche über den Tresen geht. Es war um 11.15 Uhr, und in den verbleibenden 45 Minuten wurden noch ein paar mehr verkauft. Am Ende waren nur noch drei für die nächste Verkaufsaktion übrig. Dann wird er genauso aus dem Sortiment genommen wie der Honig aus Nicaragua. Die Ökobilanz ist einfach zu verheerend.

Im vergangenen Sommer war diese Gruppe eigentlich mausetot. Veteranin Ingrid Fries, mittlerweile fast 80 Jahre alt, musste nach mehr als 20 Jahren im Dienst der einen Welt mit dem sang- und klanglosen Ende einer ehrenamtlichen Initiative rechnen, die großen Respekt genießt. Doch dann sorgten Newcomer Thilo Stössel und seine Frau Gisela für Aufbruchstimmung. Der examinierte Jurist hat Verkaufstalent. In seiner Kindheit half er im Frankfurter Nordend bei einem Ladenbesitzer aus. Beim Steinbacher Flohmarkt ist er Dauergast und beeindruckt mit einem schier unerschöpflichen Sortiment aus einem Vorrat an Tassen und Tellern. In der Flüchtlingshilfe ist er in Rechtsfragen unentbehrlich, hat sich zudem als Deutschlehrer sehr erfolgreich um Schulabschlüsse und Ausbildungsplätze gekümmert.

Nächster Termin: die „Rallye“

Er einigte sich mit neun Gleichgesinnten , darunter Margret Koschel und Pastoralreferent Christoph Reusche von der katholischen St.-Bonifatius-Gemeinde, auf fünf Verkaufstermine pro Jahr. Am Weihnachtsmarkt 2019 stand die Holzhütte am Eingang zum Quellenhof. Und auch am Weltgebetstag Anfang März wurden fair gehandelte Produkte planmäßig im evangelischen Gemeindehaus verkauft. Doch die Termine beim Stadt- und Frauenfest mussten wegen Corona storniert werden. Die „Rallye“ der Sozialen Stadt kann im September möglicherweise wie vorgesehen mit der Eine-Welt-Gruppe stattfinden.

Die kauft in Frankfurt ein und bezieht die Produkte von den Handelsorganisationen Gepa, DWP und El Puente, die allesamt als Fairtrade-Partner zertifiziert sind. Der 68-jährige Stössel möchte das Sortiment mit kunstgewerblichen Artikeln ergänzen, die ebenfalls in Frankfurt bezogen werden . Diesmal ist er auf einer aus buntem Papier gepressten Schale aus Mittelamerika für 20 Euro allerdings sitzen geblieben.

Von den 40 Kunden, die am Samstag gezählt wurden, waren 95 Prozent Frauen. Sie haben Schokolade mit hohem Kakaogehalt bevorzugt. Tee und Kaffee werden gerne gekauft – Cashewkerne aus Honduruas zählen zu den hochpreisigen Artikeln. Bolivanische Qinoa ist ebenfalls zu haben. In der Kasse landen bis Ladenschluss um 12 Uhr mittags rund 300 Euro, die von der katholischen St.-Ursula-Gemeinde in Oberursel nach Südafrika transferiert werden. Dort wird das Projekt „Sophiatown“ untersützt, das sich auf die Beratung traumatisierter Frauen und zerrütteter Familien spezialisiert hat. Für das Warendepot der Steinbacher Eine-Welt-Händler stellt St. Bonifatius in der Untergeasse einen Schrank zur Verfügung.

Barbara Köhler (rechts) nutzt gern das Angebot des Eine-Welt-Stands und kauft fair bei Brigitte Wink ein. Foto: HB



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