Galinski zum ersten Bürger gewählt

Freuen sich auf die gemeinsame Arbeit in der neuen Legislaturperiode: Stadtverordnetenvorteher Jürgen Galinski (2. v. l.) und seine Stellvertreter Marion Stahnke, Sabine Schwarz-Odewald und Kai Hilbig (v. l.). Foto: HB

Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach (HB). Der Wechsel ist vollzogen: Jürgen Galinski steht seit vergangenen Montag an der Spitze des Stadtparlaments und ist damit die Nummer Eins in der kommunalpolitischen Hierarchie.

Bei der geheimen Wahl des Stadtverordnetenvorstehers wurden zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen abgegeben. Der 61-jährige Sozialdemokrat, einziger Kandidat, wertete die 24 Ja-Stimmen als deutlichen Vertraunensbeweis: „Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden“. Die gewählten Volksvertreter waren komplett anwesend und auf den Besucherstühlen hatten zwei Dutzend Zuhörer Platz genommen, als Bürgermeister Steffen Bonk der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) entsprach und die 19. Legislaturperiode der kommunalen Volksvertretung eröffnete. Der neue Magistrat wird erst im Juni gewählt und deshalb saßen die künftigen Stadträte auf ihren Fraktionsplätzen. Sie machen demnächst acht Plätze für Nachrücker frei, denn die Stadtregierung wurde um einen Sitz aufgestockt, damit die „Mehrheitsverhältnisse abgebildet werden“, so lautete die Begründung von FDP-Fraktionsführerin Astrid Gemke. Die HGO sieht dies ausdrücklich vor.

Die Koalition aus FDP und SPD erhält fünf von acht Sitzen. „Wir hätten es als positives Zeichen der Kooperation gewertet, wenn man die Anzahl der Mitglieder unverändert gelassen hätte“, kommentierte Christian Breitsprecher, der neue Fraktionschef der Union. Robin Müller-Bady von den Grünen warf der Koalition einem „sehr, sehr schlechten Stil“ vor, zumal sie verschweige, dass die Aufstockung des Magistrats eine fünfstellige Summe koste. SPD-Fraktionschef Moritz Kletzka erinnerte an das Jahr 1997, als CDU und Grüne die Zahl der Magistratssitze auf 13 angehoben hätten. Derartige Beschlüsse seien zur Absicherung des Wahlergebnisses keine Ausnahme sondern die Regel.

Der Bürgermeister übernahm die Rolle des Brückenbauers. „Ich reiche die Hand für eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Er wünsche sich „viele kreative Ideen“ und sagte eine „spannende Legislaturperiode“ mit wichtigen Entscheidungen für die Zukunft der Stadt voraus. Als Beispiele nannte er die Bauprojekte Feuerwehrstützpunkt in der Bahnstraße und Kita mit Familienzentrum Im Wingertsgrund.

Dann kam der Auftritt des Alterspräsidenten. Der 71-jährige Jürgen Euler, auf der SPD-Liste ins Plenum gelangt, durfte bis zur Wahl des Vorstehers wenigstens eine halbe Stunde die Parlamentsregie übernehmen. Er redete nicht nur, sondern hatte auch etwas zu sagen und stieß eine Parlamentsreform an. Er empfahl die Einführung einer Bürger-Fragerunde und eine Straffung der Debatten.

Um 19.45 Uhr war Eulers Rolle zu Ende. Jürgen Galinski nahm den Platz des Vorstehers vor der Fensterreihe im Saal des Bürgerhauses ein. Er wünschte sich ein „starkes und geschlossen auftretendes Parlament“ und begrüßte seine drei Stellvertreter, zu denen Kai Hilbig (FDP), Marion Starke (CDU) und Sabine Schwarz-Odewald (Grüne) per Akklamation gewählt wurden. Auf Manfred Gönsch, der sich aus der Kommunalpolitik verabschiedet hat, folgt ein Politprofi, ein profunder Kenner der HGO und der Geschäftsordnung des Parlaments. Galinski ist Träger der goldenen Verdienstmedaille der Stadt, die ihm für ein Vierteljahrhundert Parlamentszugehörigkeit verliehen wurde. Der gelernte Fernmelde-Handwerker war nahezu 30 Jahre freigestellter Betriebsrat bei der Telekom, wohnt seit 1986 in Steinbach und saß beinahe 20 Jahre der SPD-Fraktion vor. Jetzt hat er eine „ehrenvolle Aufgabe“ übernommen, die er mit der gebotenen „Überparteilichkeit“ wahrnehmen will. Engagement für das Ehrenamt ist für den in Frankfurt-Bornheim aufgewachsenen Kommunalpolitiker das Lebenselixier der Demokratie: „Sie lebt von Beteiligung“.

Galinski sorgte für positive Schlagzeilen, als er sich – bereits im Vorruhestand – zum Bundesfreiwilligendienst bei der Sozialen Stadt verpflichtete. Er bleibt Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt. In Zukunft wird er als erster Repräsentant der Stadt auftreten, unterstützt von seiner Lebensgefährtin Mechthild Jestädt. Galinski werden Fairness und Aufrichtigkeit attestiert. Vor diesem Hintergrund reagierte man in der Koalition mit Kopfschütteln auf die beiden Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Es wurde die Rechnung aufgemacht, dass Galinski alle 17 Stimmen von FDP und SPD erhalten hat, inklusive seiner eigenen. Demnach hat immerhin die Hälfte der Opposition – sieben von 14 Stadtverordneten – für ihn gestimmt.

Die CDU hatte in den Sondierungsgesprächen eine Politik der wechselnden Mehrheiten vorgeschlagen, fand damit jedoch keine Zustimmung. Sie hätte ihren CDU-Bürgermeister gerne in die Verbandskammer des Regionalverbandes geschickt, musste aber Alt-Bürgermeister Stefan Naas den Vortritt lassen und kam nicht einmal bei den Stellvertretern zum Zug. Schließlich bemängelte sie, dass ihr die Koalition den Vorsitz im Ältestenrat zugewiesen hat. Die Grünen werden den Haupt- und Finanzausschuss leiten.



X