Kirchgasse wird zum Konfliktfall

Nach dem Abbruch der alten Scheune in der Bornhohl ist der Blick auf die St.-Georgs-Kirche frei. Das Haus Kirchgasse 3 (links) soll abgerissen und damit der Kirchplatz erweitert werden. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. An der Bornhohl hat die neue Zeit schon begonnen. Mit dem Abriss der Scheune im Hinterhof der Stadtbücherei wurde eine Blickachse zur altehrwürdigen St.-Georgs-Kirche geöffnet und damit ein erster Schritt zur Aufwertung des historischen Stadtkerns getan. Ob das ehrgeizige Projekt gelingen wird, aus der Kirchgasse eine Kulturmeile zu machen, hängt von der Aufnahme in das Bund-Länder-Programm „Lebendige Zentren – städtebaulicher Denkmalschutz“ ab. Vergangenen Montag hat das Stadtparlament endgültig grünes Licht für die Bewerbung gegeben.

Die neuen Gedanken über Alt-Steinbach fanden Raum, als im Juli vergangenen Jahres der Dachstuhl einer Scheune einstürzte. Nachbarin Beate Klumpf glaubte damals in der Bornhohl 4 an einen Donnerschlag, als sie gegen 5.30 Uhr durch einen Knall aus dem Schlaf gerissen wurde. Tatsächlich war in der Nachbarschaft das Ziegeldach wie ein Kartenhaus zusammengeklappt. Den Schuppen hatte die Stadt an Vereine vermietet. Mittlerweile ist das Grundstück freigeräumt, denn das Denkmalamt des Hochtaunuskreises befürwortete den Abrissantrag der Kommune, mit dessen Vollzug das älteste Gebäude der Stadt, die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirche, ins rechte Licht gerückt werden soll.

Mit der erwarteten Aufnahme in das auf zehn Jahre angelegte Förderprogramm zur Vitalisierung des Stadtzentrums, über den im Spätherbst entschieden wird, will sich die Stadt intensiv um die Kirchgasse kümmern. Bürgermeister Steffen Bonk sieht eine Chance, die historische Bausubstanz in den Fokus zu rücken – als Gegengewicht zu den Hochhäusern aus den 60er- und 70er-Jahren, die das Stadtbild dominieren. Die von den Geldgebern verlangte „Lokale Partnerschaft“ hat das Parlament nunmehr auf den Weg gebracht und damit Vereine und Verbände, Eigentümer und Bewohner mit ins Boot genommen. Die Stadt schickt sich an, nach der Sozialen Stadt das nächste städtebauliche Großprojekt in Angriff zu nehmen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es bei der Umsetzung des Förderprogramms politischen Streit geben wird. Der entzündet sich voraussichtlich an der Kirchgasse 3, in der junge Flüchtlinge eine Wohngemeinschaft bilden. Der Bürgermeister favorisiert den Abriss, um damit eine weitere Blickachse zur Kirche zu schaffen und den Kirchplatz zu vergrößern. Die Beseitigung von Wohnraum ist mit der SPD jedoch nicht zu machen. „Das Haus muss erhalten bleiben,“ fordert Ortsvereinsvorsitzender Moritz Kletzka,. der im Parlament als stellvertretender Fraktionsvorsitzender fungiert.

Steinbacher „Heimathof“

Zum Zankapfel droht auch die Kirchgasse 7 zu werden, zu der ein Wohnhaus und eine aus Backstein gemauerte alte Schmiede gehören. Das Anwesen ist an die städtische Bürgerstiftung vererbt worden, an deren Spitze der Bürgermeister steht. Der sagt, in das leerstehende Wohnhaus könne das im Keller des Backhauses untergebrachte Stadtmuseum einziehen. Das meint auch der FDP-Stadtverordnete Kai Hilbig, Vorsitzender des Geschichtsvereins, in dessen Obhut sich das Museum befindet. Das Ensemble zwischen Kirche und Quellenhof soll mit dem Etikett „Heimathof“ versehen werden. Moritz Kletzka pocht auch in diesem Fall auf den Erhalt des Wohnhauses. Für das Museum sei Platz im Backhaus. Konsens besteht hinsichtlich der Nutzung des Nebengebäudes, das sowohl für Familienfeiern als auch für Kulturveranstaltungen genutzt werden soll. Kletzka geht bereits ins architektonische Detail und möchte Teile der Backsteinmauern durch Glaswände ersetzen.

Mit der Aufnahme in das Förderprogramm, in dem die Finanzierung analog zur Sozialen Stadt zwischen Bund, Land und Stadt gedrittelt wird, will die Stadt auch den Kampf um die Erhaltung des leerstehenden Hofes am Ende der Kirchgasse aufnehmen. Der Eigentümer spricht zwar seit Jahren von einer Sanierung, tritt bislang jedoch auf der Stelle.

Das ins Auge gefasste Entwicklungsgebiet liegt im Viereck zwischen Feldbergstraße und Kronberger Straße, zwischen Wiesenstraße und Staufenstraße. Es schließt auch das Gasthaus Zum Schwanen ein, das die Stadt als Gastronomiebetrieb erhalten will, das aber seit bald einem Jahr leersteht und bislang nicht veräußert werden konnte.

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