Wie leben die Senioren in Steinbach?

Auf großes Interesse stoßen die Berichte der Senioren. Sie berichten nicht nur, auf welchen manchmal verschlungenen Wegen sie nach Steinbach kamen, sondern auch wie es ihnen hier ergangen ist. Oft ist dabei von Schicksalsschlägen, aber auch von viel Hilfsbereitschaft die Rede: Moderiert von Naila Janjua (ganz rechts) und Christof Reusch (ganz links) erzählen Doris Schellbach, Jürgen Schellbach, Norbert Voigt, Lucie Schmidt und Christine Lenz (von links) aus ihrem Leben. Foto: Andresen

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Lebenswege aus ganz unterschiedlichen Ecken Deutschlands und sogar aus der gesamten Welt treffen sich hier. Für die IG Senioren berichteten ältere Steinbacher aus ihrem Leben und machten damit nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern auch das Älterwerden in der Stadt sichtbar.

Im Saal des Bürgerhauses wurde vergangenen Freitag erst einmal gerätselt. Was hatte die Landkarte Hessens, auf der Steinbach als gelber Punkt auftauchte, mit der Präsentation der Interessengemeinschaft (IG) Senioren zu tun? Später kamen eine Deutschland- und auch eine Weltkarte hinzu, um die Frage zu beantworten, woher die Steinbacher eigentlich stammen. Pfeile zeigten in alle Himmelsrichtungen. Damit war das Rätsel gelöst.

Am Eingang des Bürgerhauses hatten rund 80 Personen, die sich für das Thema interessierten, ihre Geburtsorte aufgeschrieben und damit die graphische Umsetzung auf den Landkarten ermöglicht. Diese Steinbacher kommen aus Berlin, Dresden, der Lübecker Bucht, der Edelsteinstadt Idar-Oberstein und aus dem Schwarzwald. Auch aus Kenia und Großbritannien sind sie eingewandert. In der Kommune mit knapp 11 000 Einwohnern leben Menschen aus 130 Nationalitäten. Daher wird sie „Stadt der offenen Herzen“ genannt: Tolerant und hilfsbereit.

An diesem Abend, als sich im Rahmen des Projektes „Gesamtbeirat“ die vierte von sechs Interessengemeinschaften vorstellte, wurden Lebenswege nachgezeichnet, die allesamt nach Steinbach führten. Es wurde vieles über den guten Geist in der Stadt gesagt, in der es eigentlich keine einsamen Senioren eben dürfte. Und doch stand das Wort „Einsamkeit“ wie ein Hilferuf auf der Pinwand mit den Vorschlägen für eine Optimierung der Seniorenpolitik. Es wurden regelmäßige Sprechstunden angeregt, ein Seniorenbeauftragter ins Gespräch gebracht und die „Entlastung pflegender Angehöriger“ angesprochen. Mit den Anregungen wird sich die IG beim nächsten Plenum beschäftigen. Dann steht auch die Wahl der beiden Seniorenvertreter für den Gesamtbeirat auf der Tagesordnung, der sich Anfang des nächstes Jahres als Beratungsgremium für die Politik konstituieren soll.

Viel Hilfsbereitschaft erfahren

Lebenswege prägten die einstündige Talkrude, die von Naila Janjua, deren Eltern Pakistani sind, und dem Pastoralreferenten von St. Bonifatius, Christof Reusch, moderiert wurde. Nachbarn und Freunde waren zur Stelle, als Lucie Schmidt aus Kenia einen Unfall hatte, der sie zur Aufgabe ihrer Arbeit in einem Frankfurter Krankenhaus gezwungen hat. Von beispielloser Hilfsbereitschaft berichtete auch Christine Lenz, die im März 1992 auf tragische Weise ihren Mann verlor. Der begeisterte Fußballer starb während eines Spiels des FSV am plötzlichen Herztod. Lenz ist die Tochter einer Engländerin und eines deutschen Kriegsgefangenen. Sie wuchs unweit von Stratford upon Avon auf, dem Geburtsort Shakespeares. Auch sie ist in Steinbach mit offenen Armen aufgenommen worden.

Ein bemerkenswertes Beispiel für Bodenständigkeit lieferten Doris und Jürgen Schellbach, die beide aus Berlin stammen und sich seit 53 Jahren im Hessenring wohlfühlen. Doris hat schon in den neunziger Jahren bewiesen, dass Frauen auch für Handwerksberufe geeignet sind. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin und reüssierte danach mit einer Fahrradwerkstatt. Heute leitet sie die Velowerkstatt der Sozialen Stadt und geht mit Ehemann Jürgen regelmäßig auf Wanderschaft.

Ein gebürtiger Steinbacher erzählt

Der einzige gebürtige Steinbacher in der Runde war Norbert Voigt, vor 50 Jahren Mitbegründer und derzeit Vorsitzender des Geflügelzuchtvereins in der Steinbachaue. Er erinnerte an alte Zeiten, als er im heutigen Rathaus die Schulbank drückte und auf dem Schulweg immer wieder mal bei Schildkröte Amanda vorbeischaute, die vor zwei Jahren von Christine Lenz, in deren Garten sie sich so wohl gefühlt hatte, im Alter von 75 Jahren beerdigt wurde. Voigt hat viele Bürgermeister erlebt. Stefan Naas saß gelegentlich auf seinem Schoß, wenn er dessen Eltern Inge und Kurt besuchte, die ebenfalls Freude an der Taubenzucht hatten.

Die Präsentationen rund um den angestebten Gesamtbeirat gehen weiter: Am morgigen Freitag kommt die IG Familie an die Reihe und eine Woche später stellt sich die IG Jugend als letzte der insgesamt sechs IGs vor.



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