Meister an Kamm und Schere

Ein stolzer Meister der Friseure ist Ismael Ahmadi (rechts), hier mit seinem Freund und Unterstützer Tilo Stössel, dem er viel zu verdanken hat. Foto: HB

Steinbach (HB), Der Mann sitzt im Kaffeehaus in der Bahnstraße. Man denkt, das Gesicht kennst du doch aus dem Fernsehen. Das ist doch ... Aber nein, wir haben es nicht mit dem Außerirdischen zu tun, nicht mit Christiano Ronaldo, dem selbstverliebten Weltfußballer aus Portugal, der nunmehr in Turin spielt. Ganz gewiss nicht. Das Gegenüber kickt ebenfalls, freilich nicht in der großen Arena sondern auf dem Bolzplatz. Doch auch der Doppelgänger-Ronaldo hat eine erstaunliche Vita. Ismael Ahmadi ist Flüchtling aus Afghanistan, aber mit nur 23 Lebensjahren schon Friseurmeister. Mehr Integration geht nicht.

Als er 2014 nach Deutschland kam, konnte er weder lesen noch schreiben. Er habe nie eine Schule besucht, sagt er. Die Defizite hat er in Windeseile kompensiert. Mit Unterstützung der Flüchtlingshilfe Steinbach und seines Wegbegleiters Tilo Stössel, eines nimmermüden Helfers und ebenso kundigen wie furchtlosen Streiters im Paragrafendschungel. Im September 2016 war er fit für eine Friseurlehre in Frankfurt, die er drei Jahre später mit dem Gesellenbrief abschloss. Jetzt wusste er, er hatte das Zeug zu mehr, und es gab kein Zögern, sondern sogleich die Anmeldung zum Meisterlehrgang bei der Frankfurter Innung. Ein halbes Jahr lang büffelte er Fächer wie Rechungswesen und Chemie, löste praktische Aufgaben an Pupppenköpfen, zeigte seine Fertigkeiten bei kniffligen Trendfrisuren mit mehrfarbigen Strähnen. Jetzt ist er Meister und darf den Nachwuchs ausbilden.

In normalen Zeiten hätte er den gelungenen Abschluss möglicherweise auf der Tribüne des Frankfurter Waldstadions, das jetzt Deutsche Bank Park heißt, gefeiert. Aber unter Pandemieregeln ist er schon froh, seinen Lieblingsverein im Fernsehen zu sehen. Er würde liebend gerne den Hinteregger, den Trapp oder den Kostic frisieren. Dafür wäre eine Anstellung hilfreich, die seinen Fähigkeiten entspricht, etwa in einem Salon mit einer kreativen Damenabteilung. Es kann aber auch sein, dass er seinen eigenen Laden aufmacht und dafür einen Start-up-Kredit beim Jobcenter beantragt. Er will aber erst einmal wissen, welche Investitionen bei einer Existenzgründung auf ihn zukommen.

An seinem Steinbacher Wohnort wird er sich wohl nicht niederlassen. Die Adresse in der Berliner Straße will er jedoch beibehalten. Egal, wo sein Weg hinführt, über seinen Aufenthaltsstatus muss er sich keine Gedanken machen, denn die Ausländerbehörde in Bad Homburg hat ihm eine besondere Integationsfähigkeit bescheinigt. Das ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.



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