„Wir müssen umparken im Kopf“

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, Steinbachs Bürgermeister Steffen Bonk, Landrat Ulrich Krebs, der Erste Kreisbeigeordnete Thorsten Schorr, und der CDU-Landtagsabgeordnete Jürgen Banzer (v. l.) beim Neujahrsempfang der CDU im Bürgerhaus. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Steinbach. Mit einem Auftritt von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein im Bürgerhaus haben sich dessen Parteifreunde aus den CDU-Stadtverbänden Steinbach und Oberursel, Kronberg und Königstein vorsichtig in das Wahlkampf-Jahr 2023 mit der Landtagswahl im Herbst hineingetastet.

Rund 200 Menschen waren bei der als öffentlich angekündigten Veranstaltung am Mittwochabend dabei. Viele davon Parteigänger aus Steinbach und den Nachbar-Kommunen, geladene Gäste aus der „Stadtgesellschaft“, so der Steinbacher CDU-Parteivorsitzende Heino von Winning bei der Begrüßung, aber durchaus auch interessierte Bürger, die dem Landesvater nach seiner Rede auch unangenehme Fragen stellten. Noch stehe im Grundsatzprogramm zu den entscheidenden Themen „ja nichts drin“, monierte etwa Oberursels CDU-Vorsitzender Thomas Poppitz. Wie soll man das an den Wahlständen kommunizieren? Ein anderer erhofft sich mehr Offenheit bei der Entscheidung über neue Gesetze zu Staatsbürgerschaft und Einbürgerung.

Mit flotter Musik im Hintergrund kam der Mann aus Wiesbaden pünktlich ins Haus der Bürger, viele standen auf und klatschten. Die draußen in kleiner Besetzung vorgefahrene Polizei hielt sich dezent im Hintergrund, ebenso die unauffälligen Herren vom Sicherheitspersonal im kleinen Begleittross. Alles ruhig in der neuen Stadtmitte, die mit viel Geld aus der Städtebauförderung von Land und Bund unter dem Schlagwort „Soziale Stadt“ umgestaltet wurde. Rund 20 Millionen Euro sind da in den vergangenen zehn Jahren nach dem verheerenden Brand im Bürgerhaus in dessen Sanierung, aber auch im Umfeld investiert worden. Bürgermeister Steffen Bonk spricht bei seinem Grußwort vom „Leuchtturmprojekt“ und verweist gleich auf das folgende Programm „Lebendige Zentren“. Da soll die „Historische Mitte“ revitalisiert werden, die Zusammenarbeit mit Wiesbaden sei hervorragend, sagt Bonk mit Dank für die Unterstützung. Boris Rhein war schon früh da, beim Empfang für Neumitglieder in der CDU vorab im Clubhaus war er mit von der Partie. Unten im Saal gehörten die Ehrenvorsitzende des CDU-Kreisverbandes Hochtaunus, Brigitte Kölsch, Landrat Ulrich Krebs und Ex-Minister Jürgen Banzer zu den vielen Ehrengästen in der ersten Reihe.

„Junge Stadt der offenen Herzen“, so hat Steinbach stets offensiv für sich geworben. Der seit knapp sieben Monaten amtierende neue Ministerpräsident kennt den in die Jahre gekommenen Slogan wohl, mit ihm steigt er in sein 40-minütiges Solo am Mikrofon ein. Überhaupt fühlt sich der „Frankfurter Bub“ Rhein der Kleinstadt nicht nur geografisch nah und komme immer mal wieder „auf dem Rennrad vorbei“, es gebe auch Nähe „in der Sache“. Mal abgesehen davon, dass er ja genauso alt sei wie die Stadt, also im Jahr der Stadtwerdung Steinbachs 1972 geboren worden sei. Die „Sache“ ist noch aktuell, da meint er die Pläne eines „gewissen Frankfurter Stadtrates“, die Main-Metropole auf Steinbacher Grund zu erweitern. „Gut, dass es nicht so kommt“, das bringt ihm Beifall.

Der Rest ist, abgesehen von Rheins Lob für Steinbachs Initiative in der Kinderbetreuung, Bundespolitik und Weltpolitik. Im Hintergrund am Bühnenvorhang hängt die Hessenfahne neben der Stadtfahne, ein riesiger Aufsteller vor der Bühne in CDU-Orange wirbt für „Das Beste für Steinbach“. Das Beste für die Republik ist für Rhein aber nicht die Berliner Koalition, da spricht er von andauerndem „Ampel-Gehampel“, dieses schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Beispiel Autoindustrie: „Man weiß nicht mehr, was die Regierung will.“ Klar für Rhein, es gelte „den Verbrenner weiterzuentwickeln statt abzuschaffen“. Grund für Zaudern, Zögern und Streit sei die „extrem heterogene Gruppe“, die da in der Ampel handeln wolle. Ein konkreter Plan fehle auch für die Energieversorgung. „Wir müssen Scheuklappen ablegen. Wir können nicht aus allem aussteigen, wir müssen auch wieder einsteigen.“ Für das Postulat „Einbürgerung und Staatsbürgerschaft darf es nicht für lau geben“, bekommt Boris Rhein viel Beifall. Er spricht da von einem aktuell „toxischen Cocktail“. Beifall auch für die Unterstützung der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. „Der Marder kann den russischen Bären zwar stellen, aber er kann ihn nicht vertreiben“, so Rhein. Der Krieg sei längst „bei uns angekommen. Wir werden umparken müssen im Kopf.“



X