Musikalische Poesie auf 13 Registern

Den bekannten Organisten Johannes Krutmann aus Hamm wollen viele Steinbacher sehen, aber vor allem hören. Die kleine St.-Georgs-Kirche war fast bis auf den letzten Platz gefüllt und der Applaus für den Musiker überwältigend. Foto: jbr

Von Jona-Bennet Rübner

Es kommt nicht auf die Größe an, – auch nicht bei der Königin der Instrumente, der Orgel. Das bewies auch Johannes Krutmann, Organist und Dekanatskirchenmusiker in Hellweg (Nordrhein-Westfalen) bei einem Konzert in der Steinbacher Georgskirche. Die dortige Stumm-Orgel aus dem Jahr 1767 umfasst gerade mal 13 Register, doch entlockte der Konzertgast aus Hamm dem historischen Instrument eine Vielzahl von Klangfarben und sorgte mit der vorwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammenden Musik für Begeisterung beim Publikum, welches die kleine Dorfkirche bis fast auf den letzten Platz gefüllt hatte.

Christina Freud und Ellen Breitsprecher begrüßten das Publikum zu dieser Ausgabe von „Musik für alle“, welche sich als Veranstaltungsreihe durch ihre familiäre Atmosphäre besonderer Beliebtheit erfreut. Denn es gab auch am vergangenen Samstagabend nicht nur bewegende Musik, sondern im Anschluss auch den obligatorischen Empfang mit Sekt und einer Auswahl von Speisen.

Johannes Krutmann begrüßte sein Auditorium mit einer kleinen Einführung zum Programm mit Werken aus England, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Mit „Jesu, du wollst uns weisen“ aus der Feder Heinrich Scheidemanns (1596-1663) eröffnete Krutmann die den musikalischen Abend und verbreitete schon von Beginn an eine Stimmung, die sich am besten wohl als „kleine Festlichkeit“ beschreiben ließe. Über dem Altar thronend, erklang die kleine, dafür jedoch sehr kräftig intonierte Orgel und ihre Mixtur, welche den typischen glänzenden Klang ausmacht.

Immer wieder erklang während des mit „Singet, springet, jubilieret“ überschriebenen Konzerts das markante Trompetenregister, welches durch sein für die Bauzeit übliches Schnarren in einem fast mittelalterlichen Gewand erschien. Sehr authentisch klangen daher die alten Weisen, wie die von Jan Pieterszoon Sweelinck, dessen Variationen auf eine italienische Tanzweise mit dem Titel „Ballo del Granduca“ eine gewisse Klangverwandtschaft mit den fast 400 später entstandenen Liedern von Angelo Branduardi aufzeigten.

Sehr ruhig saß Johannes Krutmann auf der Orgelbank, die aufgrund ihrer Sichtbarkeit von den Kirchenbänken aus für ein Konzert ideal ist, und haftete seinen ruhigen Blick auf die Noten.

Durch besonders virtuose Melodien erfreute der Organist die Zuhörer mit Pieter Cornets „Fantasia del primo tono“ (auf Deutsch etwa „Dorische Fantasie“), welcher in seiner Komposition, die der Interpret mit meisterhafter Leichtigkeit darbot, die große Welt der musikalischen Verzierungen zeigte und aus den eigentlich unkomplizierten Themen kleine, polyfone Kunstwerke schuf.

Ebenso zeigte sich das Steinbacher Publikum von den alten Tänzen des berühmten englischen Komponisten William Byrd beeindruckt, der auch zur Krönung von König Charles III. am selben Tag neben deutschen Größen wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel – in England wiederum, als George Frederic bekannt, nicht fehlen durfte.

Den unstrittigen Höhepunkt des Konzerts boten jedoch drei alte englische „Country Dances“. Leicht zu spielen, jedoch unglaublich mitreißend: oft reichen dem Publikum die einfachen Stücke, bei denen man kaum stillsitzen kann. Auf über 300 Seiten hatte John Playford um 1650 diverse Tanzweisen zu „The English Dancing Master“ zusammengefasst, aus welchem Johannes Krutmann die drei sehr passend arrangierten Stücke „Parsons Farewell“, „Goddesses“ und „Kettle Drums“ spielte. Wie aus einem Film über das elisabethanische Zeitalter schallten die Zungen der Stumm-Orgel über die Köpfe der mitwippenden Zuhörer hinweg.

Zum Schluss fand die kleine Reise durch die alte Musik ein Ende in Frankreich bei Jean-Philippe Rameau, dessen Stück „Le Tamburin“ Krutmann noch einmal mit dem vollen Werk (Tutti) präsentierte. Großer Applaus und Begeisterung begleiteten den Konzertgast von der Empore, welcher sich dann auch gerne zu einer ganz besonderen Zugabe breitschlagen ließ: Seine Ehefrau, die ihn bei seinen Konzerten vor allem auch als Registrantin unterstützt, spielte im Duett mit ihrem Mann: Querflöte und Orgel – ein Werk des Meisters aller alten Meister: Johann Sebastian Bach.



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