Über die Freundschaft in all ihren Facetten

Ihre Vorträge liegen erfolgreich hinter ihnen, jetzt genießen sie eine gemeinsame Ruhepause auf der „Lesecouch“: Jochem Entzeroth, Gerda Zecha, Batoul Al Sayed, Mechthild Schneider, Manfred Gönsch, Carola Biermann und Edeltraud Yildiz (v. l.). Foto: HB

Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Der Sommer der Kultur legte einen vom Wetter begünstigten Start hin mit gleich zwei besonders stimmungsvollen Veranstaltungen. Neben dem Waldgottesdienst zog die Wandellesung die Besucher in Scharen an. Ein verheißungsvoller Start, mit dem die Kultur nun zurückkehrt.

Über dem Altkönig baute sich eine schwarze Wand auf. In diesem Moment schien es so, als müsse aus der Wandellesung eine Indoor-Veranstaltung werden. Doch dann lag der Avertinplatz im milden Licht der Abendsonne und der Steinbacher Sommer, der Marathon mit 70 Programmpunkten in zwei Monaten, konnte am Sonntagabend planmäßig „Open Air“ beginnen. Knapp 100 Besucher fühlten sich von den sieben Protagonisten prächtig unterhalten, denn so amüsant waren die Texte noch nie.

Es war die neunte Auflage der Lesereihe. Bürgermeister Steffen Bonk nannte sie „eine feste Institution im städtischen Veranstaltungskalender.“ Damit war ein dickes Lob an Quartiersmanagerin Bärbel Andresen und ihr Team aus dem Büro der Sozialen Stadt verbunden, das dieses Format zu einer Erfolgsgeschichte gemacht hat. Mit Barbara Köhler stand eine Moderatorin auf der Naturbühne, der kabarettreife Pointen gelangen und die auch noch Rainer Kunze mit seinem Gedicht „Rudern Zwei“ zu Wort kommen ließ. Der DDR-Dissident war ein passionierter Briefeschreiber, brachte schon mal 25 Seiten zu Papier und wechselte mit seiner späteren Frau, einer damals in Prag lebenden Ärztin, 400 Briefe.

Lese-Motto war diesmal „Freundschaft“, ein Thema das die älteren Semester mit Schillers „Die Bürgschaft“ in Verbindung brachten. Der frühere Stadtverordnetenvorsteher Manfred Gönsch hob die Ballade ins Programm, die das hohe Lied auf Freundschaft bis zum Tode singt. Begonnen hatte der Abend mit einer Satire über die fiktive Brieffreundschaft mit einem Chinesen namens Covid 19, die wechselseitig von Edeltraud Yildiz und Mechthild Schneider vorgetragen wurde und Anlass zum Schmunzeln bot. Die globale Heimsuchung, das personifizierte Virus, machte auch in Frankfurt Station, doch es gelang den Frauen Distanz zu wahren. Es gibt sogenannte Freunde, die darf man einfach nicht kennen lernen, lautete die Botschaft. Bisweilen macht Freundschaft, die sich in Liebe verwandelt, bekanntlich blind, sonst hätte sich ein Schwan nicht in ein weißes Tretboot verknallt. Die Geschichte aus dem Münsterland hat einen wahren Kern, den Carola Biermann ausgeschmückt und mit einem Happy End versehen hat. Das Tier findet wieder in die Spur und Gefallen an einem Artgenossen.

Persönliche Erfahrungen verarbeitet

Eigene Texte hatten diesmal Konjunktur. Das galt auch für Batoul Al Sayed, die „echte Freundschaft“ in Arabisch und Deutsch vortrug. Das betraf Gerda Zecha und ihr wundervolles Poesiealbum, in dem sich Lehrer, Pfarrer und natürlich Mitschüler verewigt haben, von denen sie nach all den Jahren gar nicht mehr weiß, ob sie wirklich oder nur ziemlich gute Freunde waren.

Bei Christian gibt es für Jochem Entzeroth nicht den geringsten Zweifel. Denn dieser Bund wurde bereits vor 50 Jahren in einem Münchener Wohnblock geschlossen und hat sich als überaus wetterfest erwiesen. Sein Vortrag offenbarte, wem Jochem die Wanderlust verdankt und warum er über jeden Findling im Taunus eine Geschichte erzählen kann. Er hat sich den Bergsteiger und Heimatkundler, den pensionierten Schuldirektor Christian zum Vorbild genommen. Gar nicht zufällig saß der in der dritten Reihe und bekam von seinen Freund ein Farbfoto überreicht, das die Kumpel auf dem Gipfel des höchsten Berges auf der Kanareninsel Teneriffa zeigt – immerhin mehr als 3700 Meter über dem Meer. Christian, ein leidenschaftlicher Sammler, hat ein Buch über seine Eierbecher-Kollektion geschrieben. Es heißt, er kenne die Eierbecher auf der ganzen Welt – mit Namen.

Rosen und Lieder als Finale

Sie hatten es alle verdient, dass der Bürgermeister zum Rosenkavalier mutierte und jedem die Königin der Blumen zum Dank für launige anderthalb Stunden in die Hand drückte. Ein Dankeschön galt auch den Frauen aus der Stadtbücherei, Nicole Kaluza und Annette Mollath, die an ihrem Tisch Freundschafts-Literatur präsentierten. Zum musikalischen Finale sang Carola Biermann mit Unterstützung des Publikums das schräge Lied vom „Novak, der mich nicht verkommen lässt.“ Dann verabschiedete sich Amelie Peters mit Reinhard Meys Evergreen „Gute Nacht Freunde“. Wenn es so weiter geht, wird der Steinbacher Sommer 2021 ein ganz besonderer. Morgen Abend geht es an gleicher Stelle mit einer nachhaltigen Modenschau der Interessengemeinschaft Nachhaltigkeit in Verbindung mit einem Familienfest weiter.

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