Verschnaufpause für den blauen Planeten

Während der „Earth Hour“ am Samstag gehen für eine Stunde die Lichter in der Stadt aus. Bei der Klimaaktion des WWF, an der sich die Stadt bereits zum dritten Mal beteiligt, bleibt auch die St. Georgskirche im Dunkeln. Foto: fk

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Um halb neun abends wusste die ganze Stadt, welche Stunde geschlagen hatte. Exakt um diese Zeit ließ der Magistrat die 900 Straßenlaternen der Stadt für eine Stunde abschalten. Die „Earth Hour“ hatte begonnen, und Steinbach stand während der Umweltaktion in einer Reihe mit den Metropolen dieser Welt. Wegen der Zeitverschiebung lag zunächst die Oper in Sidney im Dunkeln, danach das „Gate of India“ in Neu Dehli und schließlich der Saint- Avertin-Platz in der neuen Stadtmitte.

Die Klimaforscher sind sich weitgehend einig: Wenn die Treibhausgase nicht drastisch reduziert werden, dann wird es auf der Erde womöglich schon für immer zappenduster sein. Aus Solidarität mit dem gebeutelten Globus hat der World Wide Fund For Nature (WWF) im Jahr 2007 daher die „Earth Hour“ ins Leben gerufen. Daraus ist inzwischen eine Bewegung geworden, die mittlerweile 180 Länder umfasst. Steinbach war zum dritten Male dabei und hat in der dunklen Stunde 80 Kilowatt eingespart. Das Besondere an der diesjährigen „Earth Hour“ war jedoch, dass der WWF Deutschland mit seiner Aktion nicht nur auf die Klimaproblematik aufmerksam machte, sondern auch ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzen wollte.

Das Licht ging schlagartig aus. Der schmale Weg hinter dem Bürgerhaus wirkte auf einmal bedrohlich und unendlich. Die Industriestraße wie eine Straße im Hintertaunus – düster und gar nicht mehr so breit. In der Untergasse brachte eine einzige Taschenlampe, in einem Pulk Jugendlicher, immerhin ein wenig Licht ins Dunkel. Genauso wie ein Rollerfahrer, der aus der nachtschwarzen Steinbachaue auftauchte und kurz darauf im Praunheimer Weg verschwand.

Die Umweltbewegten hockten in ihren lichtlosen Wohnzimmern, schalteten den Fernseher trotz des Länderspiels gegen Israel aus und gönnten der Erde so eine klitzekleine Verschnaufpause. Doch es gab erstaunlich viele Steinbacher, denen die „Earth Hour“ scheinbar schnuppe war. Davon zeugten die Fassaden der Hochhäuser, deren beleuchtete Fenster überhaupt nicht zur Botschaft dieses Abends passen wollten. Am Saint-Avertin-Platz konnte man in dem neun Stockwerke hohen Haus vor dem „künstlichen Blackout“ sage und schreibe 33 Lichtquellen zählen. Während der „Earth Hour“ waren es jedoch noch genauso viele. Die dunklen Straßen wirkten offenbar wie ein sanftes Ruhekissen. Man war Teil der „Earth Hour“, aber eigentlich nicht dabei. Das galt auch für mindestens zwei Magistratsmitglieder, die unbeeindruckt vom Appell ihres Bürgermeisters im Hellen saßen.

Im Zentrum des Steinbacher Stadtlebens, in der unteren Bahnstraße, blieb auch alles beim Alten. In den Lokalen wurde gezapft und gebruzzelt, die Reklametafeln blieben an. Übrigens auch bei mancher Einrichtung, deren Schriftzug so kräftig leuchtete wie die roten Verkehrsampeln, die im Interesse der Verkehrssicherheit natürlich nicht vom Netz genommen wurden.

Am Boden fehlte zwar gelegentlich der ökologische Durchblick, wer aber in dieser Zeit nach oben schaute, wurde mit einem unverfälschten Ausblick auf das Firmament belohnt. Wenigstens für eine Stunde mussten die Sterne nicht gegen die Lichtverschmutzung anleuchten. Nur der Vollmond ließ sich nicht blicken. Vielleicht hatte auch er von der „Earth Hour“ gehört.



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