Wenn aus dem „Ich“ ein „Wir“ wird

Die drei „B-Musketiere“ der „Sozialen Stadt“: Batoul Al Sayed, Bärbel Andresen und Bettina Altmeier (v. l. ). Mantel und Degen haben sie gegen Arbeitsutensilien getauscht. Foto: fk

Von Christine Šarac

Steinbach. Es muss an einem Nachmittag im vergangenen Jahr gewesen sein, als Quartiersmanagerin Bärbel Andresen der Gedanke kam. „Wir sind die drei B´s“, erzählt sie mit einem Schmunzeln und deutet auf Batoul Al Sayed und Bettina Altmeier. Batoul Al Sayed ist seit dem 11. August 2022 als Bufdi in der Gemeinwesenarbeit tätig, Bettina Altmeier hat über 1000 Ehrenamtsstunden im Stadtteilbüro geleistet. Gemeinsam hat das Trio viel bewegt.

Die drei Frauen sind nicht nur die drei B’s, sondern sogar die drei BA’s und fast so etwas wie moderne Musketiere. Denn deren Leitspruch lautet bekanntermaßen „Alle für einen, einer für alle“. Wo könnte er besser passen als hier? Sie selbst würden diesen Vergleich natürlich nicht anstellen. Bärbel Andresen freut sich schlicht über die „regen Steinbacher“, wie sie selbst sagt und die große Unterstützung, die sich die Menschen gegenseitig, als Gemeinschaft geben. Aber auch sie kann helfende Hände gut gebrauchen und nimmt diese Hilfe auch dankbar an. Wie gut das „B-Team“ zusammenarbeitet, ist spürbar. An der fröhlichen Stimmung im Büro der Sozialen Stadt, an der wertschätzenden Kommunikation miteinander, an der Art und Weise, wie sich jede von ihnen einbringt.

Batoul Al Sayed ist der dritte Bufdi der Sozialen Stadt. Die 48-Jährige hat eine Flucht aus ihrer Heimat Syrien nach Steinbach hinter sich. Das war vor sieben Jahren. Bärbel Andresen hat die aufgeschlossene Mutter einer Tochter bei der ersten Veranstaltung „Weihnachten anders“ 2016 kennengelernt. Hier verbringen Menschen den Heiligabend in der St. Bonifatiuskirche gemeinsam, die sonst vielleicht am Fest der Liebe allein wären. Später konnte Andresen Batoul Al Sayed für die „Wandellesung“ gewinnen, bei der sie ihre bewegende Geschichte mit dem Publikum teilte. „Ich wusste daher genau, was die Soziale Stadt so alles macht“, erzählt Batoul Al Sayed, die studierte Elektroingenieurin ist. „Als ich dann von einer Bekannten hörte, dass hier die Bufdi-Stelle frei wird, hat mich das sehr gefreut und ich habe mich beworben“, erinnert sie sich. „Ich will etwas zurückgeben und habe viel Freude und Spaß bei der Arbeit“, erzählt sie. Erfahrungen sammeln, mit Menschen umgehen, das seien für sie Dinge, die sie nicht missen möchte. Deshalb hat Batoul Al Sayed auch vor, nach ihrem Bufdi-Jahr weiterzuarbeiten, auch wenn sie wegen ihrer schulpflichtigen Tochter „nur“ einen Teilzeit-Job annehmen könne. Nicht nur, dass Batoul Al Sayed Ansprechpartnerin für alle Steinbacher ist, die im Büro der Sozialen Stadt in der Untergasse vorbeischauen. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem der Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Das bedeutet, Plakate aufhängen, das Schaufenster der Sozialen Stadt und den Schaukasten am Weiher-Spielplatz zu betreuen und zu aktualisieren. Auch bei allen Veranstaltungen ist sie dabei. Die Gemeinwesenarbeit bereichert sie mit ihren Arabischkenntnissen. „Außerdem gewinne ich durch Batoul viele Einblicke in kulturelle Gepflogenheiten und das ist für mich sehr wertvoll“, betont Bärbel Andresen. Batoul Al Sayed ist eine starke Persönlichkeit. Traumatische Fluchterfahrungen, Sprachbarriere, Neuanfang in einem fremden Land, Krankheit – nichts davon konnte sie in ihrer Tatkraft bremsen, die sie gemeinsam mit Bärbel Andresen und Bettina Altmeier nun für die Gemeinschaft einsetzt, in der sie lebt. „Es gibt keine ebenen Wege im Leben. Und wenn du das Gefühl hast, du steckst in einem geschlossenen Raum ausweglos fest, dann nimm dein Leben selbst in die Hand und mach dir eine Tür. Das hat mir auch der Kontakt mit der IG Barrierefrei noch einmal verdeutlicht“, sagt sie.

Die Dritte im Bunde, Bettina Altmeier, Diplom-Verwaltungswirtin und Certified Fraud Analyst, engagiert sich auch in der Gemeinwesenarbeit. Die gebürtige Unterfränkin lebt seit 1995 in Bad Homburg. Seit vielen Jahren hat die heute 56-Jährige bei der Telekom gearbeitet. Zuerst in der Finanzbuchhaltung, später im Anti-Fraud-Management im Bereich Sicherheit. „Als Beamtin war es mir möglich in den ‚Engagierten Ruhestand‘ zu gehen“, erzählt sie, wie sie als Ehrenamtlerin zur Sozialen Stadt Steinbach kam. „Voraussetzung dafür ist jedoch, das tausend Ehrenamtsstunden geleistet werden“, so Bettina Altmeier. Die Caritas Hochtaunus, mit der sie damals Kontakt aufnahm, um sich nach ihren Einsatzmöglichkeiten zu erkundigen, habe ihr das Engagement im Stadtteilbüro angeboten. Am 1. Februar 2022 fing sie an – Mitte November waren bereits die erforderlichen Stunden zusammen gekommen. Doch jetzt einfach mit der Arbeit aufzuhören, das kam Bettina Altmeier gar nicht in den Sinn. „Die Zwei haben sich infizieren lassen“, sagt Bärbel Andresen augenzwinkernd. „Hier fließt alles, diese Gemeinschaft lebt und atmetet, weil viele Menschen diesen Ort gestalten. Das steckt an“, ist sie überzeugt. Bettina Altmeier nickt. „Das hat mich selbst überrascht, wie sehr die Arbeit meinen Horizont erweitert und meine Sichtweisen verändert hat“, gesteht sie. Denn für diese ganz andere Tätigkeit musste Bettina Altmeier aus ihrer sicheren Komfortzone heraustreten. „Zahlen, Daten, Fakten, das ist normalerweise meine Welt“, sagt sie lachend. Nun gehörten plötzlich ganz andere Aufgabenzu ihrem Arbeitsalltag. „Die Erfahrung, mit vielen Menschen unterschiedlichster Kulturen und Nationen umzugehen, war für mich neu“, berichtet Bettina Altmeier. „Hier war es meine Aufgabe, Menschen dabei zu unterstützen, sich in das soziale Leben der Stadt einzubringen. Ich war Mädchen für alles, aber im positiven Sinn.“ Obwohl die tausend Stunden im November schon geleistet waren, hat Bettina Altmeier weitergemacht. Als Mini-Joberin ist sie dem Stadtteilbüro erhalten geblieben. „Aus was brauche ich, wird ganz oft ein: Was gebe ich anderen“, weiß Bärbel Andresen. „Gelingendes Ehrenamt ist, wenn Geben und Nehmen ausgewogen ist. Dabei müssen persönliche Freude und Erfüllung noch einen kleinen Tick größer sein, als der Gewinn für die Gemeinschaft. Dann ist es für alle wertvoll“, findet Bärbel Andresen und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Freiwillige sind übrigens immer willkommen, unabhängig von ihren Initialien“.



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