Neues Klärwerk entsteht im laufenden Betrieb

Ortsbesichtigung mit Fachleuten und Experten: OB Alexander Hetjes und Tiefbau-Fachbereichsleiter Markus Philipp (Mitte) an einem Klärbecken, in dem gerade ein Taucher in trüber brauner Mühe ohne jegliche Sicht Reparaturarbeiten durchführt. Fotos: js

Bad Homburg (js). Der Fortschritt der Bad Homburger Wasseraufbereitung „Am Sauereck“ beginnt mit einem ziemlich großen Loch. Mit einem riesigen Loch sogar, 56 Meter lang, 47 Meter breit und acht Meter tief. Gut, dass die Stadt auf dem Gelände der alten Kläranlage Reserveflächen nutzen kann, altes Feuerwehrgelände etwa und Flächen des früheren Wertstoffhofs. Denn der Umbau der Kläranlage Ober-Eschbach aus dem Jahr 1948 muss sozusagen im laufenden Betrieb erfolgen. Als wolle man ein Haus einer Komplettsanierung unterziehen, die Möbel sollen aber drinbleiben. Diesen anschaulichen Vergleich bemüht Diplom-Ingenieur Martin Schmidt-Bregas, einer der Chefplaner beim derzeit größten geplanten Bauprojekt der Kurstadt zwischen Ostring, dem Eschbach und dem Massenheimer Weg. Insgesamt sechs Jahre sind dafür eingeplant, über die geschätzten späteren Gesamtkosten mag man gar nicht spekulieren angesichts der zeitlichen Spanne und der Lage am Baumarkt.

Die ersten 3,5 Millionen Euro seit dem ersten Spatenstich am Nikolaustag 2022 wurden sozusagen im Boden versenkt, für die Becken der biologischen Reinigung, die so genannten Belebungsbecken. Knapp 23 000 Kubikmeter Erdaushub mussten mit endlosen Lastwagen-Touren aus dem großen Loch abgefahren werden, die Baugrube anschließend mit einer Bohrpfahlwand gesichert werden. Exakt 287 Pfähle haben Markus Philipp, Technischer Direktor der Stadtwerke, und Projektleiter Dirk Herrmann notiert, 15 Meter tief mussten die Löcher gebohrt werden, rund 3700 Meter Pfahllänge betoniert werden.

Es geht voran auf dem Betriebsgelände der alten Kläranlage. Der Fortschritt der Wasseraufbereitung beginnt mit viel Beton, von dem man später nicht viel sehen wird. Im Juni 2025 sollen die Belebungsbecken fertig sein. Ein „Herzstück“ wird die neue Membrananlage sein, Garant für hohen Reinigungswert, die Fachwelt spricht vom „Membranbioreaktor“. Eine Idee, die aus Nordrhein-Westfalen mit bereits laufenden Anlagen übernommen wurden, für Bad Homburg entwickelt mit wissenschaftlicher Unterstützung der Technischen Hochschule Darmstadt und mehreren Ingenieurbüros.

Durch Aktivkohleeinsatz in der Membrananlage wird das Wasser noch besser gefiltert, die Wasserqualität noch weiter verbessert. Die Abwasseraufbereitungsanlage wird allen aktuellen gesetzlichen Vorgaben der EU genügen, OB Alexander Hetjes nennt sie eine der modernsten Anlagen und spricht gar vom Modell für Deutschland und Europa bei der Vorstellung des Projekts nach dem ersten Bauabschnitt.

Stichwort dabei ist etwa die erwartete klimafreundliche Wasser- und Wärmegewinnung. Heute werden am Sauereck etwa fünf Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr gereinigt, geplant ist eine Steigerung der Kapazität auf sieben Millionen Kubikmeter. Als Pendlerstadt muss Bad Homburg beim Thema Wassernutzung außer den 55 000 Menschen in der Stadt auch rund 28 000 täglich Einpendelnde berücksichtigen und will auch möglichem Wachstum der Bevölkerung gerecht werden. Etwa 500 000 Kubikmeter sollen dann als so genanntes „Klarwasser A“ für Garten-und Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden.

Städtische Grünanlagen könnten in Trockensommern ausreichend bewässert werden, neue Grünanlagen könnten geschaffen werden, die wiederum das Stadtklima positiv beeinflussen würden. Am Ablauf der Kläranlage werde eine Groß-Wärmepumpe zum Einsatz kommen, die dem Wasser Wärme entziehe. Damit werde dem Gewerbegebiet am Massenheimer Weg über ein effizientes Wärmenetz ausreichend Wärme zur Verfügung gestellt und das in den Eschbach geleitete Wasser abgekühlt. Die Kläranlage ist „Quelle des Eschbachs im Sommer“, so Dirk Herrmann. Kalkuliert wird durch den Wärmetransfer mit der Einsparung von 190 000 Tonnen CO2 binnen 20 Jahren.

Das Pendant zum großen Loch auf der Seite Richtung Massenheimer Weg ist derzeit die bereits in Höhe und Breite gewachsene nahezu fertige Fahrzeug- und Lagerhalle längs des Eschbachs, 33 mal 15 Meter und zehn Meter hoch, die geschätzten Baukosten belaufen sich nach Angaben der Stadt auf etwa 3,8 Millionen Euro. Das Dach wird bestückt mit Photovoltaikpanelen. Bald können die alten Möbel, also die bisherigen Lagerflächen etwa, ausgeräumt werden, sie befinden sich verteilt auf dem Betriebsgelände, stehen im Baufeld der zukünftigen Maßnahmen. Die alte Lagerhalle wird abgerissen, ebenso das heutige Betriebsgebäude.

Mit der Lagerhalle und der Baugrube für das neue Technikgebäude 1 inklusive Rohrkanal zur biologischen Reinigung soll noch in diesem Jahr begonnen werden, die 18 Mitarbeiter müssen noch etwas länger an alter Wirkungsstätte ausharren. Mit dem Bau des neuen Betriebsgebäudes auf dem ehemaligen Wertstoffhofareal wird nach Stand der Planung nicht vor 2025 begonnen, die Herzstück-Membrananlage soll Ende 2028 fertig sein.

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