Mit Frauenpower in die Zukunft

Seit 20 Jahren gibt es die Interessengemeinschaft Ober-Erlenbach (IGO). Bereits seit 2004 ist Sighild Drnikovic die Vorsitzende. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Umgehungsstraßen sind für die betroffenen Kommunen Fluch und Segen zugleich. In Mode kam die neue Trassenführung bereits Anfang der 1950er-Jahre. Umgehungsstraßen dienen der Entlastung von hochbelasteten Ortsdurchfahrten vom Durchgangs- und Fernverkehr. Sie verbessern die innerörtliche Verkehrsqualität, erhöhen die Verkehrssicherheit und senken die Lärm- und Schadstoffbelastung, wodurch die Lebensqualität für die Bevölkerung im Ort verbessert wird. Als Fluch erweisen sich Umgehungsstraßen vor allem für die Geschäfte und Gewerbetreibenden, denn ihnen brechen Kunden weg. Meist kann dieser Ausfall nicht durch die Ortsansässigen kompensiert werden.

In Ober-Erlenbach wurde die Umgehungsstraße 2003 fertiggestellt – mit den beschriebenen Folgen. Aus diesem Anlass hat sich am 20. August 2002 die Interessengemeinschaft Ober-Erlenbach (IGO) gegründet. Beteiligt waren die Aktionsgemeinschaft, Gewerbetreibende, engagierte Bürger und die Stadt. Initiator und Vorsitzender (2002 bis 2004) des gemeinnützigen Vereins war Reimund O. Boderke. Er hatte in der Zehntscheune ab 1993 eine Galerie für zeitgenössische Kunst des abstrakten und realistischen Expressionismus. Ziel der IGO war es, Besucher in den durch die A5 getrennten Stadtteil zu locken und auf die Geschäfte aufmerksam zu machen. Allein dies war schon eine Herausforderung, denn es gab und gibt keine Einkaufsmeile im östlichen Stadtteil der Kurstadt.

Um Menschen aus der Region zu animieren, Ober-Erlenbach „zu entdecken“ und den Stadtteil vorzustellen, rief die IGO im Herbst 2003 das „Bachkatzen-Festival“ ins Leben. Davon hörten auch Sighild und Drago Drnikovic, die in die IGO eintraten und sofort Aufgaben wie die Gestaltung des Plakats übernahmen. „Es war ein tolles Fest. Wir hatten ein Budget von 30 000 Euro. Die Hälfte der Summe hatten wir bei der Innenstadt-Offensive Hessen ‚Ab in die Mitte‘ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung gewonnen. Die andere Hälfte kam durch Sponsoren und Spender zusammen“, berichtet Sighild Drnikovic. Sie ist ununterbrochen seit 2004 Vorsitzende und „Gesicht“ der IGO.

Damals gab es noch von Vereinen ausgerichtete Stadtteilfeste. Die IGO trat in ihre Fußstapfen, als sich die Vereine aus der Organisation der Feste zurückzogen. Dem Bachkatzen-Festival folgte der erste Ostermarkt mit fünf Ausstellern, dann der Herbstmarkt, das Weinfest und weitere Veranstaltungen wie zwei Comedy-Abende mit Bodo Bach in der Erlenbachhalle sowie Lesungen, Vorträge, Konzerte oder Kasperltheateraufführungen. Im Zusammenhang mit den Festen und Veranstaltungen wird in den Bad Homburger Zeitungen, in den umliegenden Orten und in allen örtlichen Haushalten Werbung für alle Mitglieder der IGO gemacht. Teils sind diese auch mit Ständen bei den Festen vertreten. Seit 2010 unterstützt die Stadt Bad Homburg die IGO finanziell. „Das Problem ist die Finanzierung der Feste und Veranstaltungen und das Finder der benötigten Helfer. Keine Veranstaltung trägt sich selbst“, sagt die Vorsitzende.

Die IGO hat zurzeit 75 Mitglieder, davon sind viele aktiv seit der ersten Stunde. Die Bandbreite der Mitglieder ist groß. Sie reicht von Apothekern, Architektin und Goldschmiedin über Gaststätten, Kosmetikerin und Künstlern bis hin zu Ladeninhabern, Gewerbetreibenden, Unternehmensberatern und Versicherungen sowie Zahnarzt. Diese breite Palette an Mitgliedern zeigt, was es alles im Stadtteil gibt und wie breitgefächert das Aufgabengebiet der IGO ist. Dringend gesucht wird vom nach 20 Jahren rein weiblichen IGO-Vorstand ein Lager. Jeder der fünf Vorstandsfrauen bringt sich mit ihren Stärken ein. Nach zwei Jahrzehnten blickt die IGO auf viele schöne Feste von Bürgern für Bürger zurück, die bisher alle ohne große Probleme verlaufen sind. Nicht gelungen ist es, alle Geschäfte zu retten. „Unsere Poststelle und ein weiteres Geschäft schließen“, bedauert Sighild Drnikovic.

Eine „Jubiläumsfeier“ zum 20-jährigen IGO-Bestehen hat der Vorstand bisher noch nicht geplant. Fest stehen die Termine in diesem Jahr. Der IGO-Ostermarkt findet am 23. März, das IGO-Weinfest am 12. und 13. Juli und der IGO-Herbstmarkt am 21. September statt. Und eine besondere Lesung mit dem 97-jährigen Franz Schulz findet am Donnerstag, den 3. März, um 19 Uhr in der Heimatstube Ober-Erlenbach statt, wie Sighild Drnikovic informiert. Sie nimmt aktiv am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben des Stadtteils und der Stadt teil, ist Mitglied in vielen Vereinen, im Stadtparlament, in Ausschüssen und Gremien. Seit 2004 ist die gebürtige Berlinerin, die mit ihrem verstorbenen Mann im Januar 1980 nach Ober-Erlenbach gezogen war, nicht nur Vorsitzende der IGO, sondern auch des Gewerbevereins, organisiert und führt verschiedene Veranstaltungen durch.

„Woher ich meine Energie nehme, gute Frage! Manchmal frage ich mich das auch. Aber es sind halt alles Sachen, die ich gerne mache“, sagt die 82-Jährige. Sie hat sich schon als junge Frau engagiert. „Ich hatte manchmal zwei bis drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Mein erster Mann studierte noch, wir hatten ein kleines Baby und ich habe oft nachts gekellnert. Meine Freundin passte dann auf das Kind auf. Es war eine harte Schule.“ Sie war bis 2003 Abteilungsdirektorin bei der Berliner Handels- und Frankfurter Bank (BHF Bank) und übernahm zusätzlich zu ihrem Aufgabengebiet noch zwei kleinere Abteilungen, obwohl ihre Mutter im Pflegeheim und die Tochter monatelang im Krankenhaus war. „Ich hielt durch, ich habe einen starken Willen, und mein zweiter Mann hat mich sehr unterstützt, was wichtig war. Er hat mir viel Arbeit abgenommen, ich konnte ihn immer mit meinen Ideen anstecken.“



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