Leben auf Schloss Königstein

Getreu dem Motto, dass man dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbieten soll, wäre es auch nur schwer vorstellbar gewesen, über das fröhliche Leben auf Schloss Konigstein zu sprechen, ohne sich wenigstens nachher noch auf einen Schluck Wein zu treffen – letzteres gehört in der Stadtbibliothek allerdings regelmäßig zum Ausklang eines Vortrages. Referentin Ellengard Jung in der Bildmitte, ganz rechts Bibliotheksleiterin Simone Hesse. Foto: Friedel

Nachdem zu Gunsten neu zugezogener Königsteiner und bisher weniger an Heimatgeschichte interessierter Alteingesessener die Einleitung zur Hofhaltung im Hause Eppstein-Königstein in voller Länge wiedergegeben worden ist, folgt nun der Kern des Vortrags „Das Leben auf Schloss Königstein“, den Lokalhistorikerin Ellengard Jung exemplarisch auf die Zeit der Eppsteiner (1418 – 1535) bezogen hat:

Königstein (hhf) – Man mag es heute angesichts der zerstörten Festung Königstein und der noch kleiner anmutenden Ruine Eppstein kaum glauben, doch gehörten „die Eppsteiner“ in ihrer Zeit zu den Großen und Mächtigen im Reich, eine rege Reisetätigkeit ähnlich dem heutigen „Jetset“ inklusive. Vergleichbar mit den Hollywood-Villen samt legendärer Partys oder hessischer Landesvertretungen in Brüssel gehörte sich auch damals ein repräsentativer Lebensstil in entsprechender Behausung. Damit wird auch klar, weshalb man nun statt „Burg“ in Königstein von einem „Schloss“ spricht, denn die Eppsteiner hatten kräftig in ihre Immobilie investiert. Das hoch aufragende Haupthaus über der Zugbrücke kurz vor dem „Hellen Bogen“ war nun deutlich mehr als der Wohnbereich einer einfachen Burg und strahlte, wie die Frontseite der Ruine noch heute, seine Pracht weit ins Land hinaus.

Das Eingangstor diente dabei zu allen Zeiten stets auch als Visitenkarte, statt Briefkasten mit Postadresse befand sich dort immer das Wappen der Burgherren. So findet sich auch am heutigen Eingang zur Burgruine, dem letzten Bauabschnitt von 1663, das in Moos und Flechten leider nicht mehr gut zu erkennende Wappen seines Erbauers, des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp Freiherr von Schönborn (1647-1673). Interessant ist dabei die Aufteilung in viele Felder, die sowohl von seiner weltlichen als auch von seiner geistlichen Macht künden. Begibt man sich vorbei an der Kasse ins Innere der Festung, so schreitet man über verschüttete Gewölbe hinweg, denn der Zugang ist um einige Meter aufgeschüttet. Der genaue Verlauf des alten Zuweges liegt hier im Ungewissen, er endete jedoch an der ersten Ausbuchtung der Außenmauer, wenn man am Eingang zum „Dunklen Bogen” vorbeigelaufen ist. Die Ausbuchtung rechts trug ein Wachhäuschen und ein links aus der ansonsten glatten Mauer herausragender Fels markiert die Lage des „Stolberger Tores”.

Ein Blick über die rechte Außenmauer verrät den Verlauf eines älteren Burgweges, vor einigen Jahren archäologisch ergraben und nun mit löchrigen Plastikplanen notdürftig gegen Nässe geschützt, befindet sich in der Tiefe ein altes Tor. Von hier führt zunächst ein steiler Weg burgan, der nach einigen als Pferdeställe genutzten Seitengewölben seit Mitte des 19. Jahrhunderts in eine bis heute begehbare Treppe übergeht. Diese mündet an einem eisernen kleinen Gittertor gegenüber dem Eingang zum „Hellen Bogen”. Der geräumige Platz markiert den ehemaligen Standort einer Zugbrücke, unter der man – wie andere Ausgrabungen ergeben haben – offenbar die Küchenabfälle aus der Kernburg den Burghang hinab entsorgte. Unzählige Knochen von Haus- und Wildtieren spiegeln hier das damalige Nahrungsspektrum wider.

Links in der Wand ist eine kleine Holztür zu erkennen, sie verschließt einen Schacht, der bis an die Mauer des tiefen Weinkellers der Kernburg führt und könnte der Anlieferung gedient haben.

Am Eingang zum „Hellen Bogen” schließlich, der auf die Festwiese mündet, sind Widerlager für starke Riegel und Spuren der Aufhängung von Torflügeln erhalten geblieben, sie markieren das „Eppsteiner Tor“ und damit die Ausmaße ihres damaligen „Schlosses”. Gut erkennbar ist in diesem Durchgang aber auch, dass es sich dabei um einen Umbau des noch älteren Eingangs der Münzenberg-Falkensteiner handelt, der inmitten der Durchfahrt steht und das zugehörige Wappen trägt. Baugeschichtlich aussagekräftig ist nicht nur die Ausführung des Tores als Spitzbogen, sondern auch die starke Ähnlichkeit zum Stadttor unter dem Alten Rathaus. Deutlich sind hinter dem Falkensteiner Tor zwei Wachstuben zu erkennen und auch Steinmetzzeichen sowie die Führungen für ein Fallgitter sind erhalten geblieben. Der Grund für den nahtlos angefügten „Vorbau” in Eppsteiner Zeit könnte sich aus einer der Schießscharten erschließen, die als einzelnes kleines Loch nur für den Gebrauch von Feuerwaffen geeignet ist. Ein Bogenschütze braucht stattdessen mehr Bewegungsfreiheit, zum Beispiel, wie am Alten Rathaus zu besichtigen, eine „Schlüsselloch-Scharte” mit einem runden Loch zum Zielen und einem Schlitz darunter, um den Pfeil abzufeuern.

„Königstein war keine kleine Burg nebenher, sie wurde immer von Leuten verwaltet, die viel zu sagen hatten“, zum Beispiel auch im Reichstag, erinnerte Ellengard Jung an die Hintergründe der stattlichen Baumaßnahmen. Wer aber schon nicht wohnte wie ein verarmter Raubritter, der konnte sich natürlich ein „außen hui, innen pfui“ nicht leisten, das führten erst die Kurmainzer mit der Nutzung als Staatsgefängnis im 18. Jahrhundert wieder ein. 300 Jahre zuvor blieb das „Pfui“ spätestens am Schlosstor zurück, doch auch das Städtchen zu Füßen der Residenz hatte auf eine gewisse Sauberkeit zu achten, denn in den Gasthäusern im Ort stiegen immer wieder adlige Besucher ab, die auf dem Schloss nicht mehr (standesgemäß) untergebracht werden konnten und schließlich führte auch der Weg zur Burg mitten hindurch. In diesem Zusammenhang wird deutlich, warum das Stadttor unter dem Alten Rathaus auch als (unterste) Schlosspforte bezeichnet wird. Ganz im Einklang mit der Ermahnung „Ein jeder kehr‘ vor seiner Tür...“ war sogar die Sauberkeit hinter dem Stadttor im „Königsteiner Weistum“ juristisch eindeutig festgelegt, wie Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann im „Blauen Buch“ des Langewiesche-Verlages über „Königstein im Taunus: Geschichte und Kunst“ (2010) berichtet:

Im Jahr 1453 erließ Eberhard III. das ‚Königsteiner Weistum‘. Dieses Ortsrecht wurde 1863 von Professor Jacob Grimm – gemeinsam mit Bruder Wilhelm auch als Märchensammler bekannt – im vierten Teil der insgesamt siebenbändigen „Weisthümer“ veröffentlicht. Die zwölf Artikel enthalten Verordnungen aus dem spätmittelalterlichen Alltagsleben. So gebot Artikel 7 zum Beispiel, dass jeder vor seinem Haus Ordnung zu halten hätte. Alles, was zum privaten Grundstück gehörte, sollte mit Steinen befestigt werden. Artikel 10 besagte, dass jeder seine Hecken zu schneiden habe. Abflussrinnen für Schmutzwasser sollten weder auf eigenem noch auf öffentlichem Grund verstopft oder gar überbaut werden. Den Wirten wurde in Artikel 9 auferlegt, für jedes ausgeschenkte Fuder Wein dem Junker – also dem Landesherren – einen Gulden zu zahlen.

Aber auch bei Hofe galt es, diverse Hausregeln einzuhalten, so wurden zum Beispiel alle Pforten geschlossen, wenn gegessen wurde. Der Küchenmeister war der Vierthöchste im Rang der Angestellten. Er hatte keine Rezeptbücher sondern kannte alle Gerichte auswendig, weshalb Köche auch an andere Adlige verliehen wurden. Ein besonderes Utensil des Küchenmeisters war stets sein Waffeleisen, es war sein Siegel und wurde in der Familie weitervererbt.

Am Abend fiel dann dem Stubenheizer, der sich um rund 50 Öfen kümmern musste, eine wichtige Aufgabe zu: Zunächst jagte er die Hunde aus der Hofstube und führte sie noch ein letztes Mal Gassi (was sich wohl im Inneren der Burg abspielte mit allen erdenklichen Folgen), dann teilte er an die im Hause befindlichen Personen „Lichter“ aus. Dabei mag es sich für diejenigen, die ihre Gemächer im Gebäude hatten, um Kerzen samt Halter gehandelt haben, die anderen, die in der Vorburg, also der heutigen Altstadt, lebten, könnten auch Laternen erhalten haben. Tagsüber befanden sich zur Zeit Eberhards III. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schon ohne hohen Besuch täglich 50 bis 60 Personen auf dem Schloss: „Das war sehr viel für diese Zeit.“

Fortsetzung folgt.



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