Von Namenskämpfen und historischen Entwicklungen

Bei einer Wanderung mit dem Ur-Falkensteiner Hermann Groß erfuhren die Teilnehmer, wo der Klärchenweg aufhört und der Müllerhainweg anfängt. Foto: Stehle

Königstein (dea) – „Groß‘sche Geschichte“ war am vergangenen, heißen Sommersonntag in Falkenstein mit Treffpunkt Ehrenmal angesagt. Immerhin trafen sich zwölf Personen, um vom Meister der interessanten historischen Erzählkunst, dem Ur-Falkensteiner Hermann Groß, Interessantes, Informatives und Lustiges über die Anfänge von Falkenstein, die Entwicklung des Ortes während und nach dem ersten und zweiten Weltkrieg zu erfahren. Das „wandelnde lokale Geschichtsbuch Groß“ war ganz in seinem Element, als er von früher berichtete. Um die Vorstellungskraft seines Publikums zu unterstützen, zeigte er diesem auch Fotos, die anschaulich belegten, wie Falkenstein aussah, als oberhalb der Gaststätte „Zum Schorsch“ nur Äcker und Wiesen existierten. Auf dem Weg zum Müllerhainweg passierte das Grüppchen dann zuerst die Christkönigkirche, die damals – wie das älteste Foto, das er selbstverständlich auch zeigte – beweist, den Friedhof nebenan hatte und ansonsten mutterseelenallein in der Landschaft stand.

Weitere Erinnerungen wurden dann in Groß wach, als er sich an seine Kindheit erinnerte, die vom Ende des zweiten Weltkriegs geprägt war und wie er es mit seinen Freunden schaffte, an den Kontrollen der Amerikaner und Franzosen vorbei ins damalige Sperrgebiet im Reichenbachtal zu gelangen. Was Wikipedia nicht weiß: Der als Villengebiet bereits existierende Bereich gehörte zu dem Sperrgebiet und war unter anderem zeitweise die Residenz der Generäle Clay und König. Wenn Hermann Groß an General König denkt, so hat er immer den überdimensional großen Jeep vor Augen, mit dem König an ihm vorbeifuhr: „Sein Generalhut war so hoch, dass ich als Kind den Eindruck hatte, sein Jeep sei um die Mütze des Generals herumgebaut.“ Groß erzählte und erzählte, von Geschichten, die überliefert waren und von Geschichten, die er selbst erlebt hat. Was in den Bereich der Sagen und Mythen gehörte, trennte er aber klar von Fakten und persönlichen Gedanken. So bewies er seine Verbundenheit mit Falkenstein, unter anderem als Ortsvorsteher, der zu einer Zeit im Amt war, als die Stadt Königstein kurzerhand den Müllerhainweg in Klärchenweg umbenannte und damit Fakten schuf, die kaum ein Falkensteiner so hinnehmen wollte.

Alte Wunden wurden vielleicht aufgerissen, denn Falkenstein wurde im Rahmen der Gebietsreform in Hessen zum 1. August 1972 durch ein Landesgesetz nach Königstein einfach eingegliedert. Ein Protest der damaligen Gemeindevertretung, die einstimmig beim Landtag dagegen votierte, nutzte ebensowenig wie eine Bürgerbeteiligung und eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Doch so einfach ließ sich der Ur-Falkensteiner Hermann Groß nicht in die Schranken weisen. Da auch er politisch nichts gegen die Königsteiner Entscheidungsträger ausrichten konnte, besann er sich auf seine rednerischen Fähigkeiten. So löste er seine Zunge im Rahmen der Fassenacht als Narr in der Bütt‘ derart, dass man ein Einsehen hatte und dem Klärchenweg von Falkenstein nach Königstein wieder den alten Namen Müllerhainweg gab. Diesen Weg nahmen dann auch die Teilnehmer und verstanden, warum diese Namensgebung wichtig und vor allem richtig ist. Dazu Groß: „Hier standen mal zwei Mühlen, die zeitweise sogar Kronbergern gehörten und in Falkenstein eine wichtige Rolle spielten, waren doch die Müller immer reich, was sich im Besitz von Pferden zeigte.“ Wieso es dann auch wichtig war, dass der Klärchenweg beginnend von der Klinik Amelung bis hin zum Kurbad zu Recht seinen Namen trägt, auch das erzählte Groß. Daher weiß jeder der Teilnehmer heute mehr als die Straßensuchdienste im Internet, die alle noch falsch die tatsächlichen Namensbezeichnungen wiedergeben.

Das allseits mehr oder weniger beliebte „Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel“ wurde auch während des Naziregimes praktiziert. So wurde die Kirchgass‘ in Hermann-Göring-Weg einfach umbenannt. „Ganz Gallien wurde von den Römern erobert. Ganz Gallien? Ein unbeugsames Dorf ….“ Das trifft auf jeden Fall auf die Großmutter von Hermann Groß zu, der seine Chuzpe vielleicht sogar von ihr geerbt hat: „Meine Oma hat sich der Umbenennung nie gebeugt und immer die Kirchgass‘ als Adresse genannt.“ Umgewöhnen mussten sich die Falkensteiner den Hildablick betreffend. Gehörte dieser früher noch zur Gemarkung in Falkenstein, so ist er heute Königstein zuzuordnen. Überhaupt „menschelt“ es noch heute zwischen Königstein und Falkenstein, wenn es um den Höhenbach geht.

Über dessen historische Bedeutung würde Groß gerne ein Informationsschild anbringen, welches über die historische Rolle – des heute eher müde dahin dümpelnden Bächleins – für die Wasserversorgung von Königstein informieren könnte. „Doch hier scheint es den vielen beteiligten Interessengruppen leider unmöglich zu sein, einen Konsens erreichen“, bedauert Groß. Die Wissenswanderung war damit noch lange nicht am Ende. Hermann Groß gab sein Wissen weiter, wohl wissend, dass vieles verlorengeht, wenn er alles für sich behält.



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