„Wir sind nach zehn Jahren gut in Königstein und Kórnik angekommen“

Königstein (hhf) – „Schon im Jahr 2000 habe ich mit dem damaligen Leiter der Ostakademie, Philipp Wiesehöfer, über eine Verbindung zum größten östlichen Nachbarn gesprochen“, erinnerte sich Klaus Schwope, Vereinsvorsitzender des Partnerschaftsvereins der Städte Königstein-Kórnik (neben seinem Vorstandskollegen Wiesehöfer) heute an die ersten Anfänge der Städtepartnerschaft, doch nicht nur das Laugengebäck in Form einer „10“ im Kranz aus dem Hause Hees ließ die Teilnehmer am regelmäßigen „Info-Treff“ des Vereins ahnen, dass aller Anfang schwer ist. Selbst Anzeigen in der KöWo motivierten nicht genügend Interessenten, sich zu melden und das Projekt dümpelte vor sich hin.

Eine „wunderbare Fügung“ brachte dann die erste Verleihung des Eugen-Kogon-Preises an den polnischen Außenminister mit sich, am Rande der Veranstaltung im Jahr 2002 ergaben sich Kontakte zum polnischen Generalkonsulat. Freilich dauerte es noch über ein Jahr, bis ein Brief aus Kórnik eintraf, in dem der Bürgermeister sein Interesse bekundete, mit einer „ähnlichen Stadt“ zusammenzuarbeiten. Nun wurde es dringend Zeit, einen Verein zu gründen und nach bangen, einsamen Minuten im Seniorentreff in der Kugelherrnstraße zeigte die neuerliche Anzeigenkampagne Wirkung, mit Verspätung tröpfelten schließlich 13 Personen ein und beschlossen, sich am 4. August 2004 zur Gründungsversammlung wieder zu treffen.

Den „Kenntnisstand über Polen verbreitern“ ist damals wie heute das Ziel der Partnerschaft, wobei sich ganz offensichtlich schon herumgesprochen hat, wie schön das Nachbarland und wie freundlich seine Bewohner sind. 66 Mitglieder hat der Verein aktuell, organisiert mindestens drei Treffen im Jahr (Fest der „weißen Frau“ – Burgfest – Weihnachtsmarkt) und hat mit Heinz-Gerhard Halberstadt auch ein „Scharnier“ zum Taunusgymnasium eingerichtet, dessen Geschichts-AG einen regelmäßigen Austausch mit dem Gymnasium in Kórnik pflegt. Scherzbolde denken gar über einen besonderen Knopf nach, wie ihn einst die Kap-Hoorn-Fahrer tragen durften, denn auch die Zahl der erwachsenen Teilnehmer an Reisen nach Kórnik und weiter durch Polen nimmt ständig zu (eine Äquatortaufe mit Kielholen auf der offenen Grenze ist im Übrigen nicht geplant).

Einer der heißesten Anwärter auf einen zweiten Kap-Kórnik-Knopf ist derzeit Stadtverordnetenvorsteher Robert Rohr, der neben diesem Amt auch als Vater des Burgfräuleins gute Gründe hat, im kommenden Mai wieder an Bord zu gehen. Er würde dann auch mit Nora gleichziehen, die bereits als Schülerin mit „Halbi“ die Partnerstadt besucht hat. Besonders die Herzlichkeit ist Vater Robert von seinem letzten Besuch in Erinnerung geblieben, der ohne DDR-Verwandtschaft eine Jugend mit „Westblick“ erlebt hatte. Privat gab er noch den Tipp, dass Wodka durchaus beim Überwinden von Sprachbarrieren helfen kann, ohne der Herzlichkeit zu schaden, als Vorsteher des Stadtparlamentes erinnerte er sich daran, dass es einst in der Kommunalpolitik einige gegen die Partnerschaft gegeben hatte und „dicke Bretter gebohrt“ werden mussten, bis die Partnerschaft dann aber einstimmig beschlossen wurde.

Dieser Beschluss fiel dann relativ kurz vor der Wahl von Leonhard Helm zum Bürgermeister, der heute den Dank von Klaus Schwope für „immer volle Unterstützung“ entgegennehmen durfte und sich freute, dass die Partnerschaft mittlerweile nicht nur auf verschiedenen Ebenen angekommen sei, sondern auch eine Selbstverständlichkeit darstelle. Ein Besuch mit Fußballspiel ist ihm zwar als ebenso hart wie schön in Erinnerung geblieben, doch versprach er, in den nächsten Jahren noch viel mehr zu tun, vor allem im Bereich der Jugend. Eine große Hilfe könnte dabei sicherlich Aleksandra Máckowiak werden, die zur Zeit in der Familie von Kommunalpolitikerin Katja Metz ein Sprachen-Jahr verbringt, um später in Frankfurt zu studieren – sie war an dem Jubiläumsabend selbstverständlich auch zugegen.

Sprachprobleme und Studium hat Dr. Andrej Kalusa vom Deutschen Poleninstitut (dpi) Darmstadt schon lange hinter sich gelassen, als regelmäßiger Referent hält er den Partnerschaftsverein über die Entwicklungen im Nachbarland auf dem Laufenden und hatte auch diesmal mit: „Polen und seine Nachbarn nach 10 Jahren Mitgliedschaft in EU und Nato“ den passenden Vortrag im Gepäck. „Ich war der Babysitter“ schmunzelte er in Erinnerung an die Gründungszeiten des Partnerschaftsvereins und griff die Worte seiner Vorredner auf, die auch von der Europa-Jugendpreisverleihung am selben Tag und den Siegern aus Kórnik berichtet hatten: „Worte sind gut, Bilder sind besser“, besonders auch für Menschen, die wie Robert Rohr mit „Westblick“ aufgewachsen sind: „Der Blick auf den Osten fehlte, aber der Osten sehnte sich nach Europa“, neben Polen vor allem auch die Tschechoslowakei und Ungarn. Besonders einzelne Buchautoren aus diesen drei Ländern belegen diese Sehnsucht schon seit den 1970er-Jahren, der Wunsch, in Wahrheit statt in Lüge zu leben, führte bald zur Gründung erster Bürgerrechtsbewegungen, in Polen auch zur bekannten „Solidarnosc“.

Gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bemühten sich unter anderem auch die Polen um eine Mitgliedschaft in EU und Nato, dabei galt es, beiderseitige Vorbehalte zu überwinden, denn etwa die selbe Angst, die Europäer vor polnischen Handwerkern hatten, trugen auch die Polen vor europäischen Immobilienhaien im Herzen. Und dann hatten die Bauern auch noch so einiges von verunglückten Agrarreformen gehört – hier musste allerdings erstmals zwischen etwa zehn Prozent Vollerwerbsbauern und der Mehrheit von solchen, die die Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben unterschieden werden, aus versicherungstechnischen Gründen waren sogar ganze Städte als Landwirte gelistet.

Dieses Zögern führte dazu, dass Polen mit ansehen musste, wie gerade Deutschland Ungarn und Tschechien als „Lieblinge“ behandelte, auch die technisch hochentwickelten Baltischen Staaten genossen hohes Ansehen, obgleich sie einige Risiken mit sich brachten, zum Beispiel große russische Minderheiten. Doch Zeit und Kapitalismus heilten etliche Wunden, mittlerweile gilt Polen als der größte Produzent von Möbeln europaweit (90 Prozent gehen in den Export) und die kumulierte Wachstumsrate der letzten fünf Jahre beträgt 20,1 Prozent, das ist die beste in der EU. Ihre Angst richtet sich derzeit deutlich gegen Russland, aber auch die Sozialsysteme bedürfen noch der Verbesserung und schließlich hat man sich auch zu manchem „Blödsinn“ im Namen Europas verleiten lassen: „Viele kleine Städte haben jetzt Flughäfen“, Kassel-Calden lässt grüßen.

„Die Gesellschaft heute ist nicht wiederzuerkennen“, seit den 80er-Jahren hat Polen einen Wandel vollzogen, der in Deutschland glatte 30 Jahre länger Zeit hatte – nun sind beide Länder dennoch so weit, sich gemeinsam fortzuentwickeln. Wer dabei welches Problem schon im Griff hat, ließ sich am eröffneten Bufett später trefflich weiterdiskutieren, so zum Beispiel die Behauptung Kalusas, dass die Männer in Polen ihre neue Rolle noch suchen, während die Frauen als Gewinnerinnen der Änderungen ihre schon längst ausfüllen.

Vereinsvorstand mit Referent: Dr. Philipp Wiesehöfer (li.), Klaus Schwope (Zweiter v. re.) und Rüdiger Meicherczyk (re.) nehmen Dr. Andrej Kalusa in ihre Mitte.

Foto: Friedel

Der Förderkreis der Städtepartnerschaft Königstein – Le Cannet hat aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Königstein und Kórnik dessen 1. Vorsitzenden Klaus Schwope eine von der Bäckerei Hees gebackene „10“ überreicht.

Foto: Riedel

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