Droht Klage? Diskussionen zu Quartier Weidenblick

So soll das Quartier Weidenblick von der Wiesbadener Straße aus einmal aussehen. Foto: S&G Development

Königstein (as) – Die vergangene Stadtverordnetenversammlung erforderte nicht nur bei der Diskussion um das Gutachten zum Vorvertrag für das Halloween-Spektakel (die KöWo berichtete) fortgeschrittene Kenntnisse in der Juristerei. Denn auch der ausgehandelte und abstimmungsbereit vorliegende Durchführungsvertrag für den „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ des ehemaligen Donath-Geländes in Schneidhain, wo das gemischte Quartier Weidenblick gebaut werden soll, ist noch einmal von Anwälten in die Mangel genommen worden. Drei Tage vor der Versammlung hatte die Stadt ein Schreiben der Kanzlei Heuking, die die benachbarte Produktionsfirma Seeger-Orbis vertritt, erreicht. Demnach sei die Firma, die Sicherungs- und Sprengringe für die Automobilindustrie und den Maschinenbau produziert, nicht ausreichend über das Verfahren zwischen dem Vorhabenträger, der Bauentwicklungsgesellschaft S&G Development GmbH, und der Stadt Königstein eingebunden und informiert gewesen. Hintergrund ist offenbar, dass sich Seeger-Orbis durch die künftig angrenzende Wohnbebauung in möglichen eigenen Expansionsplänen, die sich auf den Lärm- und Emissionspegel der Produktion auswirken könnten, behindert sieht. Eine Normenkontrollklage wurde mithin in dem Schreiben angedroht, was zu einer Verzögerung des gesamten Projekts führen würde.

Die Stadt, „von der Dynamik des Schreibens überrascht“, wie Erster Stadtrat Jörg Pöschl (CDU) in Vertretung von Bürgermeister Leonhard Helm in der Stadtverordnetenversammlung sagte, hatte sich daraufhin selbst „auf die Schnelle“ juristisch beraten lassen und war zu dem Schluss gekommen, dass Seeger-Orbis bei allen Schritten des Verfahrens frühzeitig beteiligt gewesen sei, was durch entsprechende Protokolle belegt sei. Damit sei der Beschwerdegrund nichtig, so Pöschl, zumal die Kanzlei Heuking gegenüber dem Königsteiner Magistrat hatte durchblicken lassen, dass die Klage offenbar auf einem anderen (falschen) Kenntnisstand ihres Mandanten beruhe.

Gleichwohl hatte die ALK bereits zu Beginn der Sitzung einen Antrag eingereicht, die beiden Tagesordnungspunkte zum Thema Donath-Gelände/Weidenblick von der Tagesordnung zu nehmen und um eine Sitzungsperiode zu verschieben und zurück in die Ausschüsse zu verweisen. Die Zeit gelte es zu nutzen, um die offenen Punkte in Gesprächen mit allen drei Beteiligten, also auch mit Seeger-Orbis, abzuräumen. „Es geht uns nicht um eine Verzögerung um Monate, es geht uns primär um den möglichen Schaden. Wir sind dankbar, Seeger-Orbis zu haben, sie sind einer unserer größten Gewerbesteuerzahler“, sagte die ALK-Fraktionsvorsitzende Nadja Majchrzak. Ihre Parteikollegin Runa Hammerschmitt untermauerte dies und betonte, dass sich die ALK ein Gespräch mit schriftlicher Fixierung zwischen den betroffenen Parteien gewünscht hätte.

Da die Aktionsgemeinschaft aber bereits in den Ausschüssen und im Ortsbeirat Schneidhain gegen das Projekt in der vorliegenden Form gestimmt hatte und sich weiterhin für ein reines Gewerbegebiet anstelle des Mischgebiets mit Wohn- und Gewerbeflächen, einem Drogeriemarkt, einer Kita und womöglich Arztpraxen ausspricht, wurde ihr von anderen Fraktionen vorgeworfen, das Anwaltsschreiben taktisch zu nutzen. „Ich wundere mich nicht, dass die ALK diesen Punkt aufgreift, um das sehr transparente Verfahren zu stören“, entgegnete FDP-Fraktionschef Ascan Iredi. „Wir haben hier ein sehr gutes Ergebnis erzielt, das den Stadtteil aufwerten wird.“ Entscheidend sei, dass das Emissionsgutachten vorliege. CDU-Amtskollege Alexander Hees sah ebenfalls das Anwaltsschreiben als „in vielen Punkten bereits entkräftet“ an; er verwies auf die Vorteile, eine Verdoppelung der Gewerbefläche gegenüber Donath und zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Felix Lupp (SPD) sprach von einem guten „Deal für die Stadt“, von einer solchen Versorgung könnten andere Stadtteile nur träumen. Cordula Jacubowsky (Klimaliste) bezeichnete das Anwaltsschreiben gar als „bodenlose Frechheit“, ihren eigenen Antrag – der sich um den fehlenden Entwässerungsplan im Bebauungsplan drehte und der den Braubach schützen soll – stellte sie sogar zurück, um das Verfahren nicht weiter zu belasten. Auch die Grünen hatten nichts mehr gegen die Pläne einzuwenden. Fraktionschefin Bärbel von Römer-Seel betonte die nachhaltige Bauweise des Quartiers, das mit Photovoltaik und Zisternen ausgestattet werden soll. Zudem werde bezahlbarerer Wohnraum geschaffen zum Beispiel für städtische Bedienstete, die nicht wohnscheinberechtigt sind. Die Stadt hat einen Mietvertrag mit S&G Delvelopment für Gebäude A (eines der vier geplanten Wohngebäude) geschlossen, deren zehn Wohnungen für einen Quadratmeterpreis von 14,25 Euro zuzüglich Betriebskosten vermietet werden sollen. Die Wohnflächen liegen zwischen 46 und 90 Quadratmetern.

„Wir haben einen Rechtsstaat. Wenn jemand klagen will, dann ist es so, dafür haben wir Gerichte“, brachte Grünen-Parteisprecherin Patricia Peveling die vorherrschende Stimmung im Parlament, das Verfahren nicht noch einmal aufmachen zu wollen, auf einen Nenner. So wurde der Antrag der ALK auf Zurückstellung des Themas mit 12:22 Stimmen deutlich überstimmt. Den beiden strittigen Tagesordnungspunkten zum Abschluss des Durchführungsvertrages zwischen der Stadt Königstein und S&G Development sowie zum Bebauungsplan selbst stimmten die Stadtverordneten dementsprechend mit 22 Ja-Stimmen bei 11 Nein-Stimmen und einer Enthaltung zu.

Die weiteren Themen

Die außerordentliche Stadtverordnetenversammlung zur Verabschiedung von Bürgermeister Helm und zur Einführung der neuen Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko wird am Freitag, 24. Mai, im HdB stattfinden.

Pöschl teilte mit, dass das Wahlamt zur Unterstützung bei der Europawahl am 9. Juni aufruft. Wahlhelfer würden für praktisch jeden Wahlbezirk benötigt, es habe noch nie so viele Absagen gegeben. Sonst bliebe der Stadt nichts anderes übrig, als Wahlbezirke zusammenzulegen, was angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht einfach sei.

Im Zuge der Grunderneuerung der Talstraße werden keine Bäume neu gepflanzt. Der Magistrat lehnt dies wegen der Schnittpunkte der Straßen und der Gefahr der Verengung der Fahrspuren ab.

Zum Stand der Modernisierung des Rathauses (Anfrage der Grünen) gab Pöschl bekannt, dass der bereits visualisierte Aufzug im Eingangsbereich noch in diesem Jahr gebaut werde und damit auch die oberen Stockwerke barrierefrei mache. Dagegen befände sich die Photovoltaikanlage noch in der Prüfungsphase, da diese in die Heizungsanlage integriert werde und die Stadt noch auf eine Rückmeldung hinsichtlich einer Förderung warte.

Das Thema Hubschrauberüberflüge über die Stadt (Anfrage von Andreas Colloseus/ALK) brachte die etwas ernüchternde Information, dass hier einzig und allein das Regierungspräsidium Darmstadt zuständige Behörde sei und Königstein nicht eingebunden werde. Die Genehmigungen für Hubschrauberflüge am Feldberg, die häufig auch Königsteiner Wohngebiet erreichen, müssen demnach von der Gemeinde Schmitten zur Genehmigung beim RP angemeldet werden.

Zu neuen Ortsgerichtsschöffen in Falkenstein wurden Ulrich Hiller und Ralf Schneider sowie in Schneidhain Gisela Schmietendorf einstimmig gewählt. Es scheiden aus Frau Sawistowsky und Herr Hartmann (Falkenstein) sowie Freia Pfeil (Schneidhain).

Die letztmals 2016 angepassten Friedhofsgebühren, die gesetzlich so bemessen sein müssen, dass sie kostendeckend sind, wurden von einem externen Fachbüro neu kalkuliert. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte der vorliegenden Beschlussfassung, die mit einer ca. 50-prozentigen Erhöhung verbunden ist, mit 33 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme zu.

Kinder-Erlebnispfad kommt

Die Stadtverordneten stimmten ebenfalls mit 33 zu 1 Stimmen der Einrichtung eines Kinder-Erlebnispfades mit rund 20 Stationen, Informationstafeln und Sitzgelegenheiten rund um den Burghain zu, der die „klassische“ Spazierrunde durch das Woogtal entlang der Bahngleise und vorbei am Schweizer Haus in den Kurpark begleiten soll. 10.000 Euro aus dem Haushalt 2023 und die bauliche Unterstützung durch den Betriebshof sowie die Pflege und Unterhaltung der Geräte sagte die Stadt zu.

Initiatorin Amanda Gänsler sagte im Gespräch mit der KöWo, dass nun der Startschuss gegeben werden könne, da schon weitere Förderzusagen vorliegen. Erste Station, die realisiert werden soll, ist eine Holzkugelbahn unweit des St. Josef Hospitals an der Gefällstrecke ins Woogtal.

Geld für die Musikschule

Unterstützt wird auch die Musikschule Königstein. Dem FDP-Antrag auf eine Mitbeihilfe von 25.000 Euro ab dem Haushaltsjahr 2023 zusätzlich zur bereits gewährten Förderung des Betriebs in Höhe von 15.000 Euro stimmten die Stadtverordneten ebenfalls mit 33 Ja-Stimmen (eine Enthaltung) zu. Ferner fordert der Antrag von der Stadt, die räumliche Situation der Musikschule über die nächsten zwei Jahre aktiv zu verbessern. Als weiterer Standort ist das ehemalige Hotel „Zum Hirsch“ in der Burgstraße im Gespräch.

Zugestimmt wurde ferner dem Antrag der Grünen, dass sich die Stadt an der Initiative „die nette Toilette“ beteiligt. Dieses bindet die Gastronomen ein, die ohne Gebühr ihre Toiletten öffentlich zur Verfügung stellen und zum Ausgleich von der Stadt einen kleinen Betrag (angedacht sind 30 Euro pro Monat) und gleichzeitig die Chance auf neue Kunden erhalten. Der Vorteil soll auf allen Seiten liegen: Die Bürger erhalten ein flächendeckendes Angebot öffentlich zugänglicher Toiletten und die Stadt spart sich vergleichsweise hohe Kosten für nur eine Toilette wie bei der unbefriedigenden Lösung am Kapuzinerplatz. Bei 20 teilnehmenden Gastronomen würde das Modell die Stadt lediglich 7.200 Euro pro Jahr kosten. Bei „nette Toilette“ machen bereits Kronberg, Oberursel, Bad Homburg und weitere Kommunen in der Umgebung mit.

Teures Altes Rathaus

Teurer kommt die Stadt die Erneuerung des Alten Rathauses in Falkenstein mit einer überplanmäßigen Ausgabe von 550.000 Euro zu stehen. Die aktuelle Kostenrechnung von rund 1,4 Millionen Euro ergibt zwar nur ein Finanzierungsdelta von 488.000 Euro, der Fachdienst Bauen bewilligte aber 550.000 Euro, um bei steigenden Baukosten Planungssicherheit zu haben. Die Nachfinanzierung wird aus derzeit nicht benötigten Mitteln für das Photovoltaik-Programm (460.000 Euro) und Burgsanierung (90.000 Euro) gedeckt.

Thomas Boller (CDU) sagte als Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses, dass eine solche Information frühzeitig erfolgen sollte und nicht, wenn alles bereits abgerechnet ist. Dass der HFA spät informiert wurde, räumte Pöschl ein. 31 Ja-Stimmen bei 3 Enthaltungen zeigten aber deutlich, dass die Stadtverordneten dieses Thema abschließen wollten. Schließlich wartete an diesem Abend noch die Halloween-Debatte…



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