ADFC feiert 25-jähriges Jubiläum – „Damals gab es Verkehrsraum in Kronberg nur für Autos“

Kronberg (kb) – Wenn die Kronberger Fahrradriege und Gründungsmitglied Jutta Kabbe zum 25-jährigen Jubiläum der ADFC-Ortsgruppe einen Rückblick wagt, dann liest sich das so: 1990 – was für ein Jahr! Veränderungen überall. Die Wende: Helmut Kohl versprach „blühende Landschaften“. Gorbatschow verschrottete Waffen. Deutschland wurde Fußballweltmeister. Tennis war die angesagteste Sportart. Im Spätsommer fand sich ein Häuflein Mitglieder und Interessierte des ADFC aus Kronberg und Umgebung erstmals in der Taunushalle in Schönberg ein.

In Bremen hatte sich der ADFC 1979 gegründet, als Lobby für Radfahrer. Sie sollten nicht mehr an den Rand gedrängt werden, um für immer mehr schnelle Autos Platz zu schaffen. Treffen in hessischen Ortschaften wurden angeregt. In der Gründungsversammlung am 24. September 1990 wurde Hadmut Lindenblatt als Vorsitzender der Ortsgruppe Kronberg gewählt. Sie führte 1991 einen „Fahrradklimatest“ an der Altkönigschule in Form eines „Meckerschecks“ durch. Im gleichen Jahr gab es die erste Kronberger Stadtberadelung mit Politikern und Stadtverwaltung unter Leitung von Günter Budelski. Feierabendtouren zweimal im Monat bot Wolfgang Braun mittwochs ab der katholischen St. Vitus Kirche an, blickt die stellvertretende Vorsitzende und ADFC-Pressesprecherin Jutta Kabbe für den Verein zurück auf die Anfänge. Auch Sonntagstouren wurden geplant und Mehrtagesfahrten.

Es ergab sich dann 1991, dass Jutta Kabbe den Vorsitz für zunächst ein Jahr übernahm. „Ich verwendete zufällig das gleiche Schreibprogramm wie meine Vorgängerin auf dem Atari“, erzählt sie schmunzelnd. „Beim MTV war ich gern ab und zu aus Spaß in der Radsportabteilung geradelt.“ Damals begann sie sich zu ärgern, dass es Verkehrsraum in Kronberg nur für die Autos zu geben schien. Dass das Amt der ersten Vorsitzenden des ADFC-Kronberg sechzehn Jahre lang an ihr kleben sollte, ahnte sie damals allerdings noch nicht.

„Kronberg erstickte gerade im Lärm und Gestank selbst erzeugten motorisierten Verkehrs“, erzählt Kabbe. „Lange auch träumte die allein regierende CDU von einer Umgehungsstraße zwischen den Stadtteilen. Die sollte die Stadt vom Autoverkehr entlasten. Zählungen ergaben, dass 86 Prozent sogenannter Ziel und Quellverkehr, also kein Durchgangsverkehr war. Der war damit nicht aus der Stadt. Es musste also irgendwie anders gehen“, lässt sie die Entwicklung Revue passieren. Radverkehr habe zu dieser Zeit weder real noch in den Köpfen der Kronberger existiert – ebenso wenig ein Stadtbussystem. „Den Aufruf von ADFC, BUND, SDW und VCD, dass sie zur Entlastung der liebenswerten Stadt öfter mal das Auto stehen lassen wollten, unterschrieben viele Kronberger“, erzählt sie. Auch die politische Mehrheiten änderten sich. „Tempo 30 wurde dann unter Rot/Grün von dem ersten Nicht-CDU-Bürgermeister Wilhelm Kreß eingeführt“, erzählt sie weiter. Damals wurden auch viele Straßen Einbahnstraßen, „leider auch für Radler, was für diese zusätzliche Steigungen und weite Umwege bedeutete“. Für die Kronberger Radfahrerlobby gab es viel zu tun. An Akzeptanz für die Verkehrsart „Radfahren“ habe es erheblich gemangelt: „viel zu gefährlich!“ und „die Topografie!“, so die Argumente von damals.

Wiederholte Stadtberadelungen mit Auswertung der Streckenprotokolle folgten. Wahlprüfsteine, Briefe an die Stadt, in denen die Missstände festgehalten waren, wurden formuliert. „Als sich überhaupt gar nichts änderte, mussten wir leider 1993 dem Magistrat die ,rostige Speiche‘ verleihen“, blickt sie zurück. Dem damaligen Ersten Stadtrat wurde eine „geschmackvoll gestaltete Skulptur – Bordstein mit Speiche“ übergeben, samt triftiger Begründung der negativen Auszeichnung.

Die Mitgliederzahlen des ADFC in Kronberg stiegen bis 2001 auf den heutigen Stand – etwa 100 – einer verglichen mit Bund, Land und Kreis überaus hohe Mitgliederdichte. Bei Infoständen auf dem Berliner Platz und auf dem Apfelmarkt konnte man sich Rat rund ums Rad holen und sein Fahrrad codieren lassen. „Wir waren sehr aktiv. Günter Budelski sorgte mit hervorragender Pressearbeit dafür, dass das auch allgemein bekannt wurde. Ich konnte mich auf Unterstützung der immer Gleichen verlassen“, dankt sie ihren Mitstreitern.

Und die kleinen Erfolge in den ersten siebzehn Jahren sollten nicht ausbleiben: beispielsweise Bordsteinabsenkungen, probeweise Öffnung von zunächst je Stadtteil zwei Einbahnstraßen, schließlich auch der Friedrich-Ebert-Straße, kleine Markierungsarbeiten, Radwegbauten entlang der L3015, und Entwidmungen von neu gebauten Bürgersteigradwegen innerorts am Henker und entlang der Jacques-Reiss-Straße. „Besonders beeindruckte mich, dass Radler offiziell auf der Busspur den Bleichberg zu Tal rollen dürfen“, so Kabbe. „Ein Radrundweg wurde eröffnet, ein Radverkehrsplan wurde aufgemalt, Standorte für Wegweiser ermittelt“, zählt sie weiter die Erfolge auf. Leider warte der ADFC bis heute darauf, dass die Wegweiser auch aufgestellt werden. Mittel dazu hätten mehrfach bereitgestanden.

„Es gibt noch viel zu tun für den Kronberger ADFC“ – auch heute stellt sie fest. Nachdem 2008 Reinhardt Bolz den ersten Vorsitz übernahm, wurde mit neuer Energie einiges auf den Weg brachte, zum Beispiel die Westerbachstraße gegenläufig beradelbar. Carsten Heinemeyer hatte versucht die Stadt mit einer Website „Straßen-für-alle“ zu motivieren, in denen nur zehn Punkte zur Verbesserung vorgeschlagen wurden. „Der ersehnte Kulturwandel im Verkehrsverhalten hat aber noch nicht stattgefunden und auch ein runder Tisch zu dem Thema wurde abgelehnt“, stellt sie fest.

Immerhin freute sich der ADFC über die Stadtberadelung mit Bürgermeister Klaus Temmeneiner – schon bevor er gewählt wurde und obgleich er selbst kein Rad besitzt. Verkehrsschauen finden in regelmäßigen Abständen auch weiter statt, gerade wieder mit Bürgermeister Temmen, um zu schauen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten für den Radverkehr in Kronberg gibt. Klaus Lunau sorgte für einen freundlicheren Umgang mit dem Rathaus und pflegt ihn noch immer als verkehrspolitischer Sprecher des ADFC-Kronberg. Dr. Klaus Lunau übernahm für weitere vier Jahre lang nach Dr. Reinhardt Bolz vierjährigem Einsatz den ersten Vorsitz und war unermüdlich im Erstellen und Verteilen von Schriftstücken zur Radverkehrspolitik in Kronberg. Neue Mitarbeiter in der Stadtverwaltung radelten selbst und brachten mehr Verständnis für Bedürfnisse von Radlern auf. Einige Beispiele: Weitere Einbahnstraßen wurden geöffnet, Markierungen ergänzt, Bürgersteigradwege entwidmet und ein elektronischer Radverkehrsplan existiert im Netz. Ein Verkehrsbüro stimmte mit der ADFC-Ortsgruppe und der AKS den Schülerradroutenplan ab. „All das kann man ausführlich in den Jahresberichten der jeweiligen Vorsitzenden nachlesen“, verrät Kabbe. Seit Anfang 1999 pflegt sie die Internetseiten für den ADFC-Kronberg und darin ist auch die Chronik mit Jahresberichten zu finden. (www.adfc-hochtaunus/kronberg). Auch über die vergnüglicheren Seiten des Vereinslebens kann man dort recherchieren. „Wir haben beispielsweise viele schöne Radtouren gemeinsam unternommen. Alle angrenzenden Länder bis auf Dänemark und die Schweiz wurden bereist, die Alpen, Mittelgebirge, viele Städte in Deutschland und Flussläufe. Jedes Jahr gibt es ein neues Angebot an Tages und Mehrtagestouren.“

Wer jetzt Lust bekommen hat, mitzuradeln oder weitere Informationen erhalten möchte, der kann gerne anrufen unter 06173-640443. Die letzte regelmäßige Feierabendtour für diese Saison wurde zwar gestern, am 30. September bei schönem Herbstwetter geradelt, aber an sonnigen warmen Oktobertagen treffen sich die Radler kommenden Wochen ab 15 Uhr auch noch. (mw)



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