Leserbrief

Aktuell

Unser Leser Horst Lorenz, Talstraße, Kronberg, schreibt zur anstehenden Entscheidung über den B-Plan Bebauungsplan „Bahnhofsquartier Baufeld II“ Folgendes: Kronbergs Stadtverordnete haben den Beschluss über ein Jahrhundertprojekt auf der Tagesordnung, in ihrer letzten Sitzung vor der Wahl. Aber wissen sie über alle Konsequenzen Bescheid? Ich kann den heißen Wunsch der „Kronberg Academy“ verstehen, eine Konzerthalle bauen zu lassen, allerdings ohne selbst das Risiko zu tragen. Jedoch man muss auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Und wir reden hier nicht von Architektur-Fragen, die wurden lang und breit öffentlich besprochen. Ich frage: Kann Kronberg es sich leisten, den Bau einer Konzerthalle zu genehmigen? Das ist im Moment noch ungeklärt. Und ist der Antrag jetzt überhaupt beschlussreif? Da sagen viele Bürger und ich ein klares Nein.

Alle Konzerthallen in Deutschland machen Verluste. Die Academy hat versprochen, weder der Bau noch der Betrieb werde die Stadt Kronberg jemals Geld kosten. Am Kronberger Bahnhof soll also die erste Konzerthalle Deutschlands entstehen, die dieses Kunststück fertigbringt. Rechtlich bindend ist das Versprechen nicht. Die Stadtverordneten antworten, dass die Academy ein Finanzkonzept für den Bau und Betrieb vorgelegt hat. Das stimmt auch. Doch dieses Zahlenwerk wurde nur hinter verschlossenen Türen beraten, in nichtöffentlicher Sitzung. Das Finanzkonzept ist nur einigen wenigen bekannt, noch nicht einmal allen Stadtverordneten, die über den Konzerthallenbau abstimmen sollen! Und die Bürger und Steuerzahler werden in dieser folgenschweren Angelegenheit im Dunkeln gelassen. Dabei versprachen Bund und Land für den Bau (nicht den Betrieb!) 14 Millionen Euro Steuergelder, fast die halbe Bausumme. Angenommen, eines Tages macht die Konzerthallen-Betreiberfirma zu hohe Verluste. Und sie bittet die Stadt Kronberg um Zuschüsse. Dann, so befürchte ich, werden die städtischen Entscheidungsträger nicht den Mut aufbringen, einen notleidenden Betrieb zur Investitionsruine werden zu lassen. Die Konzerthalle wurde als Prestigeprojekt allererster Güte den Leuten angepriesen, als Kronbergs „Leuchtturm-Projekt“ oder gar als das „neue Wahrzeichen der Stadt“. Und Konzerthallen kann man, wenn es schiefgeht, nicht für andere Zwecke umnutzen. Dass das Bauvorhaben verniedlichend „Kammermusiksaal“ genannt wird, macht‘s nicht besser. Selbst ein Abriss würde einen Millionenbetrag kosten, den die Stadt nicht hat. Mit anderen Worten, die Stadt Kronberg würde unter politischen Druck geraten, im Falle eines Falles eben doch Zuschüsse zu zahlen, auch ohne rechtliche Verpflichtung. Schutz bieten könnte nur eine solide, professionell durchgeführte Risikoabsicherung, und zwar im Vorhinein, mit Verträgen, die im Pleitefall tatsächlich Wirkung zeigen. Eine unabhängige Risikoanalyse mit Lösungsvorschlägen gab die Stadt aber bis heute nicht in Auftrag. Weshalb ist das unterblieben? Wo doch die Verwaltung auf einer HFA-Sitzung bekanntgab, selber für solche Untersuchungen nicht qualifiziert zu sein?

Nehmen wir einmal den unwahrscheinlichen Fall an, die Konzerthallen-Betreiberfirma schafft es, eine „schwarze Null“ zu erwirtschaften. Auch dann frage ich: Wollen die Anrainer wirklich 50 mal im Jahr, in der Konzertsaison mehrfach wöchentlich, die Verkehrslawine über sich ergehen lassen? Wird eine Konzerthallen-Betreiberfirma die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bezuschussen können wie die Alte Oper Frankfurt mit den kombinierten RMV-/Eintrittskarten? Wie realistisch ist die Annahme, dass viele Konzertbesucher mit der Bahn und mit dem Bus kommen? Wie beeinflusst eine hoch ausgelastete Konzerthalle die Nutzbarkeit der Stadthalle an denselben Abenden, wo doch eine Konkurrenz um die Parkplätze in der Tiefgarage unterm Berliner Platz absehbar ist? Wer glaubt, mit Stand heute sei das ganze Projekt entscheidungsreif, der irrt. Die zuständigen Stellen haben ihre Arbeit noch nicht zu Ende gebracht. Und die Vorgehensweise der Befürworter in Stadtparlament und Verwaltung sieht sehr nach Wunschdenken aus, nach Begeisterung für ein Prestigeprojekt, nach Abwiegeln, Ignorieren von Bedenken. Also Vorsicht, Vorsicht und abermals Vorsicht! Der Antrag ist zu schieben. Die offenen Fragen sind sorgfältiger zu prüfen als bisher. Alles andere wäre unverantwortlich gegenüber den Kronberger Bürgern.



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