Roth über den „stillen Putsch“ gegen die europäischen Bürger

In der AKS war der investigative Journalist Jürgen Roth zu Gast, um von seinen neuesten Erkenntnissen, festgehalten in seinem aktuellen Buch „Der stille Putsch“, Schülern und interessierten Lehrern zu berichten. Foto: privat

Kronberg (kb) – Der Frankfurter Journalist Jürgen Roth war kürzlich in der Altkönigschule zu Gast. In der Bibliothek der Altkönigschule stellte er einer Gruppe von Schülern aus dem aktuellen Abitursjahrgang und interessierten Lehrern seine Publikation „Der stille Putsch“ aus dem Jahr 2014 vor. Mit diesem Buch kam Roth, bekannt für seinen investigativen Journalismus im vergangenen Jahr auf die Spiegel-Bestsellerliste. Zum ersten Mal konnte er sich damit auch in Kronberg einer interessierten Öffentlichkeit vorstellen. „Die Veranstaltung wurde mit Spannung erwartet, da der Autor neue Recherchen zu einem gegenwärtig stattfindenden negativen gesellschaftlichen Transformationsprozess vorstellte“, berichtet AKS-Lehrer Christian Schmeiser. Zunächst erläuterte der Autor den Titel seines Buchs. Hinter dem Terminus „Der stille Putsch“ verbirgt sich ein Vorgang, der auf die Entmachtung des europäischen Zivilstaats und die Zerstörung der sozialstaatlichen Errungenschaften der zurückliegenden Jahrzehnte zielt. Dieser Vorgang, so Jürgen Roth, finde bereits jetzt in den südeuropäischen Ländern Portugal, Spanien, Italien und Griechenland statt und stehe zu einem späteren Zeitpunkt auch unserem Land bevor. Zur Verdeutlichung zitierte er aus seinem Buch als Referenzquelle den Autor Wolfgang Hetzer : „Man könnte sogar fragen, ob sich im Bereich der modernen Finanzmarktgesetzgebung eine arbeitsteilige Kultur des kalten Staatsstreichs und des permanenten Hochverrats etabliert hat, in der nicht zu erkennen ist, ob eine Regierung und die Finanzindustrie im Bedarfsfall als Anstifter, Beihelfer oder Mittäter agieren.“ Jürgen Roth verwies darauf, dass sich der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler als IWF-Mitglied mit allem Nachdruck bis zu seinem Rücktritt gegen diese Entwicklung gewehrt habe. Zu Recherchezwecken hatte Roth auch Länder bereist, die von den Maßnahmen der Troika betroffen sind. Für Portugal hatten die Forderungen des IWF einen Zusammenbruch des staatlichen Gesundheitswesens und eine Jugendarbeitslosigkeit bis zu 60 Prozent zur Folge: „Eine junge, hochmotivierte Generation“, so Roth, „verrottet in prekären Arbeitsverhältnissen“. Noch schlimmer sind die Folgen in Griechenland. Der Autor schilderte den Abiturienten eindrucksvoll seine Erfahrungen in griechischen Krankenhäusern: „Ärzte arbeiten unentgeltlich, Krebspatienten können ihre Medikamente nicht bezahlen, die Kindersterblichkeit hat eine so noch nie dagewesene Höhe erreicht.“ In einem historischen Überblick verdeutlichte er, wie ein in der Mitte des letzten Jahrhunderts noch sozial verträglicheres Finanzwesen ab den 80er-Jahren in eine entschieden aggressivere Form gebracht wurde, die somit gewachsene soziale und gesellschaftliche Strukturen zugunsten einer personell kleinen Gruppe von Menschen zerstöre. Mit ihnen, den „Akteuren des „stillen Putschs“, konnte Jürgen Roth bei seinen Recherchen sogar direkten Kontakt aufnehmen. Für die Abiturienten war es spannend zu erfahren, dass der Autor eine Stillschweigevereinbarung von 50.000 Euro unterschreiben musste, um interne Informationen aus dem in Zürich ansässigen „Entrepreneurs‘ Roundtable“ zu erhalten. Dessen Mitglieder (führende Bankiers, Medienvertreter, McKinsey-Vorstand etc.), die zur Aufnahme in diese Gruppe unter anderem einen Jahresumsatz von 500 Millionen Euro im Jahr nachweisen müssen, seien, so Roth, in ihren regelmäßigen Treffen mit dem „stillen Putsch“ befasst, der sich einer parlamentarischen Kontrolle entziehe und in den Medien nicht thematisiert werde . Diese „hochgestellten Persönlichkeiten“ hätten, wie der Autor erläuterte, direkten Zugang zu den EU-Kommissaren und der amtierenden Kanzlerin, die Gewerkschaften seien demgegenüber ziemlich machtlos.

In der anschließenden Diskussion hatten die Abiturienten zu diesen Entwicklungen viele Fragen. „Ihnen war bewusst, wie sehr die hier analysierten Sachverhalte ihre eigene Zukunft betreffen“, so Schmeiser. Fragen zu den Möglichkeiten einer demokratischen Kontrolle von Hedgefonds oder zur „Demokratie als Auslaufmodell“ wurden von Jürgen Roth sachkundig auf der Grundlage seiner jahrelangen Recherchen beantwortet.



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